„Vielfalt der Religionen ist eine Chance!“

EKD-Botschafterin Margot Käßmann kehrt von Besuch im Libanon zurück

Mit großem Respekt vor dem humanitären Engagement und der religiösen Vielfalt des Libanon kehrt Margot Käßmann heute von einer Reise nach Beirut zurück. Sechs Tage verbrachte die EKD-Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 im Libanon, besuchte die Deutsche Schule und die deutsche evangelische Gemeinde. Außerdem nahm sie an dem dreitägigen Kongress „Die Protestantische Reformation und der Mittlere Osten“ teil. In ihrer Predigt in der Friedenskirche in Beirut beschrieb sie die Vielfalt verschiedener Religionen und Konfessionen als Chance: „In der Begegnung mit dem Fremden entdecke ich das Eigene. Je bewusster ich mich im Eigenen beheimaten kann, desto weniger Angst habe ich vor dem Fremden.“

Käßmann eröffnete mit Salim Daccache, dem Rektor der Sankt Josephs Universität Beirut, einer Jesuitenhochschule, und George Sabra, dem Präsidenten der evangelischen theologischen Fakultät im Nahen Osten sowie dem deutschen Botschafter Christian Clages die Tagung. Sie stellt den Schwerpunkt der Lutherdekade in der Region des Mittleren Ostens dar. „Es gibt nur wenige und kleine reformatorische Kirchen im Mittleren Osten“, sagte Käßmann bei der Eröffnung, „aber sie können Salz der Erde sein.“ Sie zeigte sich erfreut über das gute ökumenische Miteinander, in dem die Near East School of Theology und die St. Josephs Universität die Tagung durchführten. Die Kirchen könnten in dieser unter Gewalt, Machtkämpfen und  humanitären Katastrophen leidenden Regionen die Botschaft des Glaubens verkünden: „Christus ist mitten unter uns wenn wir leiden, weil sich Gott selbst in Christus dem Leid und Schmerz ausgesetzt hat.“

An dem Kongress nahmen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Konfessionen teil und erkundeten die Bedeutung des reformatorischen Erbes im Nahen und Mittleren Osten. Ein Friede zwischen den Religionen sei unerlässlich, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Die Themen des Kongresses drehten sich um Religionsfreiheit und Menschenrechte und die Trennung von Staat und Religion. Auch die Rolle von Bildung und Kultur für die Entwicklung von Toleranz, Frieden und sozialer Gerechtigkeit wurde beleuchtet. Neben Käßmann sprachen Referenten aus Jordanien, Palästina und den USA. Auf dem Kongress traf sich Käßmann mit dem Bischof Munib Younan, dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes. Beide waren sich einig darin, wie wichtig eine Lösung im Konflikt zwischen Israel und Palästina für die Befriedung der Region sei.

Beeindruckt zeigte sich Käßmann von der großen humanitären Hilfe, die der Libanon leistet: „Das Land mit viereinhalb Millionen Einwohnern und einer Größe von nur gut zehntausend Quadratkilometern Fläche nimmt mehr als anderthalb Millionen Flüchtlinge auf“, sagte sie. Angesichts solcher Zahlen seien deutsche Debatten um Flüchtlingszahlen „geradezu beschämend“. Die Lage der Flüchtlinge aus Syrien sei dramatisch, ja erschütternd und die Hoffnung auf baldigen Frieden gering.

Auch die selbstverständliche religiöse Vielfalt im Land habe sie beeindruckt. „Im Libanon leben sehr viele Religionen und Konfessionen zusammen, allein 14 verschiedene christliche Denominationen gibt es, von maronitisch über lateinisch bzw. römisch-katholisch, reformiert, die verschiedenen armenischen Kirchen, die Orthodoxen bis hin zu den Melkiten. Im Islam gibt es Sunniten und Schiiten, zudem die Drusen.“ Eigentlich sei das ein zukunftsweisendes Miteinander, erklärte Käßmann, berichtete aber auch von „tiefer liegenden Spannungen“ zwischen den Gläubigen, die das friedliche Miteinander bedrohen. Die Christen in der Region hätten erklärt, dass es um den Schutz der Christen ginge, aber ebenso um die Stärkung der moderaten Kräfte bei allen Glaubensgemeinschaften, die ein Zusammenleben in Verschiedenheit befürworteten. Zudem sei eine Stärkung staatlicher Strukturen wichtig, die durch die „ISIS“ bedroht werden. Die Fragilität des Balanceaktes sei sehr präsent. Wichtig sei den Libanesen, dass die Europäer sie nicht als muslimisches Land sehen, sondern als arabisches Land mit verschiedenen Religionen innerhalb der arabischen Kultur.

Hannover, 23. März 2015

Pressestelle der EKD