Einander verstehen lernen

Christen und Muslime diskutieren theologische Fragen auf der Bischofskonferenz der VELKD

Der theologische Dialog mit dem Islam stand im Mittelpunkt der Klausurtagung der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Nürnberg, die am heutigen Montag (19. März 2018) zu Ende geht.

Der theologisch fundierte interreligiöse Dialog müsse aus dem eigenen Selbstverständnis und aus der Mitte der eigenen Botschaft heraus die Verständigung suchen, sagte Professorin Dr. Susanne Heine (Wien) zu Beginn der Klausurtagung. Die eigene Identität werde durch die Begegnung mit anderen nicht gefährdet, sondern könne vielmehr gefestigt werden. „Das Gespräch miteinander dient dem respektvollen Zusammenleben“, so Heine. Das Ziel sei es, „einander kennenzulernen, Missverständnisse und Vorurteile auszuräumen, einander mit Respekt zu begegnen“.

Professor Dr. Serdar Kurnaz (Hamburg) führte in die Grundlagen und aktuellen Debatten in der islamischen Theologie ein. „Es entsteht in der islamischen Theologie ein Bewusstsein dafür, dass es unterschiedliche theologische Modelle, unterschiedliche hermeneutische Deutungsansätze geben kann und dass diese einander befruchten.“ Er betonte, dass es notwendig sei, sich dieser Vielfalt bewusst zu werden: „Den Islam gibt es nicht.“ Kurnaz und Heine führten aus ihrer Perspektive in zentrale theologische Themen ein und diskutierten miteinander und mit den Mitgliedern der Bischofskonferenz über Fragen von Offenbarungs- und Schriftverständnis, Inspiration, Hermeneutik und Pluralität.

Es gehe im interreligiösen Dialog keinesfalls darum, Absolutheitsansprüche zu verteidigen, betonten die Vortragenden. „Spirituelle Identität besteht darin, sich seines Glaubens gewiss zu sein“, so Susanne Heine. „Diese Glaubensgewissheit kann niemandem abgesprochen werden.“ Wenn Glauben eine Gewissheit sei und kein angelerntes Wissen, dann könne es im interreligiösen Dialog nicht um Absolutheitsansprüche gehen, sondern vielmehr darum, „sich friedensbringend einzusetzen für das plurale Zusammenleben der Religionen“.

Für eine „neue Humanitätsoffensive aller Religionsgemeinschaften“ plädierte auch der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der EKD, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, in seinem Grußwort im Gottesdienst in der Nürnberger St. Lorenzkirche. Religionsgemeinschaften müssten sich „öffentlich zu Wort melden, wenn die Würde des Menschen, der doch geschaffen ist zum Bilde Gottes, mit Füßen getreten wird. Staatstreue darf nie vor Einsatz für Humanität und Menschenrechte gehen“.

Bei einem Besuch der Mitglieder und Gäste der Bischofskonferenz in der Islamischen Gemeinde Nürnberg e.V. stellte der Arbeitskreis der Muslime in Nürnberg seine Arbeit vor, dessen Ziel es ist, Brücken zu bauen zwischen Muslimen und Mitgliedern anderer Religionen. Neben Themen wie Organisation und Ehrenamt, Körperschaftsstatus, muslimische Seelsorge und muslimischem Religionsunterricht diskutierten Gäste und Gastgeber engagiert über Pluralität innerhalb des Islam.

Der Leitende Bischof der VELKD, Landesbischof Gerhard Ulrich (Schwerin), dankte für die Gastfreundschaft: „Sie haben uns teilhaben lassen an Ihren Glaubenserfahrungen und Ihrer Gemeinschaft. Dadurch haben wir nicht nur etwas über Sie gelernt, sondern auch über uns.“ Es sei keine Frage, dass der Islam zu Deutschland gehöre: „Wir leben miteinander, gehören zueinander und stehen gemeinsam in der Verantwortung für diese Welt.“

Hinweis: Der Bischofskonferenz der VELKD gehören die Bischöfe und Bischöfinnen der sieben Gliedkirchen sowie sechs weitere ordinierte Inhaberinnen und Inhaber eines kirchenleitenden Amtes an. Neben den Mitgliedern der Bischofskonferenz nehmen an der Tagung in Nürnberg auch Bischöfinnen und Bischöfe aus Finnland, Georgien, Island, den Niederlanden, Norwegen und der Lettischen Evangelisch-Lutherischen Kirche im Ausland als Gäste teil. Die nächste Klausurtagung der Bischofskonferenz findet im März 2019 in Straßburg statt.

Nürnberg/Hannover, 19. März 2018

Henrike Müller
Pressestelle der VELKD