Die Distanz zueinander überwinden

Beim Jahresempfang ruft Diakoniepräsident Ulrich Lilie dazu auf, einander besser zuzuhören

Berlin (epd). Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, hat dazu aufgerufen, die Distanz zu anderen Menschen zu überwinden und einander zuzuhören. Lilie sagte beim Jahresempfang des evangelischen Wohlfahrtsverbandes am Mittwochabend in Berlin, es brauche den „konstruktiven Streit“, um miteinander voranzukommen in einer Gesellschaft, die älter, bunter und ungleicher werde. „Vor dem Handeln stehen im glücklichen Fall das Hören und das Hinsehen“, sagte Lilie.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Kommunikation sei ohne zuhören nicht denkbar. Er verwies auf die zusätzlichen Möglichkeiten durch die Digitalisierung. Sie eröffneten der Bundesregierung neue Wege der Kommunikation und den direkten Dialog mit der Bevölkerung. Den häufig geäußerten Vorwurf, die Regierung umgehe per Twitter und Facebook die Fragen kritischer Journalisten, wies der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurück. Sie gebe trotz der digitalen Möglichkeiten nicht ein Interview weniger: „Ich bin der größte Fan einer lebendigen, kritischen, unbestechlichen Presse“, betonte der Regierungssprecher – auch mit Blick auf die Entwicklung in einen anderen europäischen Ländern.

Teilhabe und Wohlstand für den Zusammenhalt einer Gesellschaft

Digitale Kommunikationswege ersetzten allerdings weder die persönliche Begegnung von Politikern und Bürgern noch das Zuhören, sagte Seibert. Der deutschen Politik stellte er ein gutes Zeugnis in Sachen Bürgernähe aus. Sie sei bodenständig und nicht abgehoben. Die Abgeordneten kümmerten sich in ihren Wahlkreisen darum, was die Bürger bewege. Seibert kündigte zudem einen Bürgerdialog über die Zukunft Europas an, der im Mai starten soll.

Der Sozialphilosoph Hans Joas erklärte, es komme darauf an, dass alle gesellschaftlichen Gruppen das Gefühl hätten, gehört zu werden und mitgestalten zu können. Für den Zusammenhalt einer Gesellschaft seien Teilhabe und Wohlstand wichtiger als ein gemeinsamer Wertekanon, sagte er in einer Rede vor rund 200 Gästen aus Politik, Verbänden, Kirchen, Wissenschaft und Wirtschaft. Dies habe sich etwa in den Aufbaujahren der Bundesrepublik gezeigt, in denen die zustimmende Haltung zur Demokratie durch das Wirtschaftswunder gestützt worden sei.

Eine Stimme für Menschen, die an den Rand gedrängt sind

Die Diakonie setzt sich gegenwärtig mit einer Kampagne unter dem Titel „Unerhört!“ für mehr Zusammenhalt ein. Sie soll Menschen, die an den Rand gedrängt sind, eine Stimme geben. Ziel ist eine öffentliche Debatte gegen Ausgrenzung und für mehr Gerechtigkeit.

Die Diakonie Deutschland gehört zu den großen Wohlfahrtsverbänden und den größten Arbeitgebern in Deutschland. Gründer ist der Hamburger Theologe und Sozialreformer Johann Hinrich Wichern (1808 - 1881). In diakonischen Einrichtungen arbeiten mehr als 500.000 Beschäftigte. Weitere 700.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich. Tätigkeitsfelder sind die Alten-, Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe sowie das Gesundheitswesen.