Glocken mit NS-Symbolik sollen schweigen

Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland: Über das Schicksal der Glocken sollen die Gemeinden befinden

Erfurt (epd). Glocken mit Nazi-Symbolik sollen auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) nicht mehr geläutet werden. Darauf verständigte sich bei einem Gespräch am 12. April in Erfurt die Kirchenleitung mit den betroffenen Gemeinden, teilte die EKM am 13. April abends mit. Dem sei die dringende Bitte von Landesbischöfin Ilse Junkermann vorangegangen, diese Glocken künftig schweigen zu lassen. Über das Schicksal der Glocken sollen nun die Gemeinden befinden.

Sechs der insgesamt neun Glocken würden bereits nicht mehr geläutet. In zwei Gemeinden stehe noch eine Entscheidung des zuständigen Gemeindekirchenrates aus, erläuterte ein EKM-Sprecher. Geplant seien nun eine wissenschaftliche Dokumentation und Aufarbeitung in Kooperation der EKM mit dem Lutherhaus in Eisenach und der Jenaer Universität. Die Kirchengemeinden werden jeweils eigenständig diskutieren, wie sie mit ihren Glocken umgehen. In zwei Gemeinden bestehe beispielsweise die Idee, aus ihnen Versöhnungsglocken zu gießen. Auch eine Abgabe an Museen steht im Raum. Die Landeskirche hat für einzelne Lösungen Unterstützung zugesagt.

Jüdische Landesgemeinde: Mit dem Schweigen der Glocken sei zunächst das wichtigste Ziel erreicht

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, der auch zu der Gesprächsrunde im Erfurter Landeskirchenamt eingeladen war, zeigte sich mit den Ergebnissen zufrieden. Er sprach von einer offenen, gleichwohl auch kritischen Atmosphäre. Auch wenn er sich in den vergangenen Monaten eine schnellere Entscheidung gewünscht hätte, sei mit dem Schweigen der Glocken zunächst das wichtigste Ziel erreicht. Nun komme es darauf an, dass sich die Gemeinden beim Umgang mit den Glocken ihrer eigenen Vergangenheit stellten, sagt er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Geschichte spielte hier bei ihnen, in Thüringer Dörfern und Städten, nicht irgendwo weit weg in Berlin oder anderswo“, fügte er hinzu.

Oberkirchenrat Christian Fuhrmann, der zuständige Gemeindedezernent der EKM, zeigte sich nach dem Treffen erleichtert, „dass wir in der Diskussion um die Glocken vorangekommen sind.“ Die kritische Auseinandersetzung mit diesen beschämenden Zeugnissen ihrer Geschichte nehme die Landeskirche sehr ernst. Nun müssten schnellstmöglich konkrete Lösungen gefunden werden. „Dies gebietet der Respekt vor den Opfern des Nazi-Regimes und vor unseren jüdischen Mitbürgern“, erklärte Fuhrmann. „Außerdem habe die Verherrlichung der Naziideologie durch die Deutschen Christen den christlichen Glauben selbstinfrage gestellt“, fügte er hinzu. Fuhrmann kündigte an, die Gemeinden noch vor der Sommerpause zu einem erneuten Treffen einzuladen.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hatte Ende März entschieden, in der Sache keine Ermittlungen gegen die Landesbischöfin oder die Landeskirche aufnehmen. Es bestehe kein Anfangsverdacht für Volksverhetzung oder eine andere verfolgbare Straftat, hieß es. Vor der Ermittlungsbehörde war bereits die Staatskanzlei intern zu dem Schluss gekommen, dass mit der Nutzung der Glocken kein Straftatbestand erfüllt wird. „Allerdings ist die Betroffenheit vor allem der Mitbürger jüdischen Glaubens deutlich zu respektieren“, schrieb Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) Anfang Februar an die Jüdische Landesgemeinde. Nach Auffassung der Staatskanzlei hätten die betroffenen Kirchgemeinden kritisch zu prüfen, „wie sie verantwortlich mit diesem Teil ihrer Geschichte umgehen wollen“.