Kirchenvertreter und Juden gedenken gemeinsam der Pogrom-Opfer

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm spricht bei der Gedenkfeier in Würzburg von einer bleibenden Verantwortung

Kardinal Reinhard Marx, Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm und Zentralrats-Präsident Josef Schuster bei der Gedenkfeier an die Reichspogromnacht in Würzburg

Kardinal Reinhard Marx, EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm und Zentralrats-Präsident Josef Schuster bei der Gedenkfeier am ehemaligen Standort der Hauptsynagoge in Würzburg.

Würzburg (epd). Spitzenvertreter der großen Kirchen und der Zentralrat der Juden haben am 8. November in Würzburg der antijüdischen Pogromnacht vor 80 Jahren gedacht. Neben dem Zentralrats-Präsidenten Josef Schuster nahmen an der Gedenkfeier am ehemaligen Standort der Hauptsynagoge auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, teil. Bedford-Strohm und Marx betonten die Schuld der Kirchen während des NS-Regimes.

Zentralrats-Präsident Schuster sagte laut Redemanuskript, er spüre „eine demokratische Aufbruchstimmung“. Unter anderem die Aufmärsche von Neonazis in Chemnitz, der Streit um die Flüchtlingspolitik oder die verbalen Ausfälle einiger AfD-Politiker hätten die Menschen im Land „wachgemacht“. Die Menschen „kämpfen wieder für die Demokratie, sie schauen nicht weg. Das sind ermutigende Signale.“

Zeichen der Solidarität

Schuster dankte Marx und Bedford-Strohm und den Angehörigen der Kirchen für das Signal der Teilnahme. Sie zeigten zum einen, dass auch Christen der jüdischen Opfer gedenken. Zum anderen drückten sie Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft aus.

Die Frage, wie sicher jüdisches Leben in Deutschland ist, habe heute wieder an Aktualität gewonnen, sagte Schuster. Doch so beunruhigend manche Entwicklung auch sei, so müsse man die Unterschiede deutlich benennen: „Damals handelte es sich um staatlich initiierte und staatlich gelenkte Gewaltakte gegen Juden.“ Die breite Bevölkerung habe dem schweigend zugesehen, betonte Schuster. „Heute hingegen stellt sich der Staat schützend vor die Minderheiten.“ Zu arglos solle man das Erstarken des rechten politischen Randes aber nicht sehen, man müsse vielmehr eine noch tiefere Spaltung der Gesellschaft verhindern.

Verantwortung für die Zukunft

Bedford-Strohm sagte, es müsse heute darum gehen, „das Geschehene nicht einfach Geschichte sein zu lassen, sondern die Erinnerung wachzuhalten“ sowie daraus „eine Verantwortung für Gegenwart und Zukunft“ erwachen zu lassen. Die beiden großen Kirchen würden „nicht zulassen, dass sich Menschen jüdischen Glaubens nicht zu Hause oder sich gar bedroht fühlen“, sagte der bayerische Landesbischof. Den Kirchen, die selbst viel Schuld beim Umgang mit den jüdischen Mitmenschen auf sich geladen hätten, komme dabei eine besondere Verantwortung zu, betonte der EKD-Ratsvorsitzende.

Kardinal Marx sprach davon, dass die Pogromnacht der Nationalsozialisten „den Übergang von der rechtlichen Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung der Juden zur offenen Verfolgung“ markiere. Dass damals so viele Christen „weggeschaut oder tatenlos zugeschaut haben, erfüllt uns bis heute mit Scham“, sagte der Münchner Erzbischof. Die Frage, ob das Erinnern daran heute noch nötig oder sinnvoll sei, stelle sich für ihn nicht. Rechtsstaat und Demokratie seien keine Errungenschaften, die einmal erworben wurden und dann selbstverständlich sind. Die rechtsstaatliche Demokratie „war und ist eine gefährdete Staatsform“, sagte Marx.

In der Nacht auf den 10. November 1938 gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen Juden im damaligen Deutschen Reich über. Es brannten Synagogen und Geschäfte. Wohnungen jüdischer Menschen wurden verwüstet und sie selbst misshandelt. Das öffentliche Leben der Juden in Deutschland kam danach völlig zum Erliegen. Die Pogrome in der NS-Zeit waren ein Vorbote der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Europa.