Sozialwissenschaftler warnt vor zu hohem Tempo bei der Digitalisierung

Gerhard Wegner, Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, verlangt klare Regeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz

Frau mit Virtual-Reality-Brille


Hannover (epd). Der hannoversche Theologe und Sozialwissenschaftler Gerhard Wegner warnt vor einem zu großen Tempo bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. „Wenn die Zeit für eine Gestaltung der digitalen Souveränität fehlt, überfordert das die Menschen“, sagte der Sozialethiker dem Evangelischen Pressedienst. Grundsätzlich sei er nicht pessimistisch, was den Einsatz neuer Technologien und die damit verbundenen Chancen angehe. „Aber wir brauchen klare Regelungen, wie wir Maschinen einsetzen und was sie kontrollieren dürfen – und für diese Debatte brauchen wir Zeit.“


Wegner leitet seit 2004 das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland und ist Mitglied des Digitalrates Niedersachsen, den die Landesregierung im März vergangenen Jahres eingesetzt hat. Das Gremium berät die Politik zu Fragen beispielsweise im Zusammenhang mit digitalen Bildungsplattformen, Telemedizin und dem Einsatz digitaler Techniken in der Landwirtschaft.

Der Mensch muss gestalten

Er sehe eine klare Trennung, sagte Wegner: „Maschine bleibt Maschine – Mensch bleibt Mensch. Mit Maschinen können wir viele Prozesse optimieren, da stecken positive Entwicklungsmöglichkeiten“, betonte der evangelische Theologe, fügte aber hinzu: „Der Mensch ist weit mehr als ein Subjekt, das es zu optimieren gilt. Wir können Dinge, die Algorithmen nicht leisten: Glauben, lieben, vergeben, verzeihen – das wird eine Maschine niemals machen können.“

„Wenn wir die Digitalisierung gestalten, wenn wir bestimmen, wo es lang geht, brauchen wir keine Angst vor Maschinen zu haben“, sagte Wegner. Leitlinien wie die „Zehn Gebote der Digitalen Ethik“, die an der Hochschule für Medien in Stuttgart entwickelt worden sind, findet er in diesem Zusammenhang sinnvoll. „Das knüpft an unsere Kultur an, beispielsweise an das achte biblische Gebot 'Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten'.“

„Viele sagen, dass die eigentliche Digitalisierung der Gesellschaft noch gar nicht angefangen hat“, erklärte der Sozialethiker. Wer dem Thema gewachsen sei und eine totale Überwachung verhindern wolle, müsse sich damit beschäftigen. Bildung und Medienkompetenz seien in diesem Zusammenhang zentral: „Und auch dafür brauchen wir Zeit.“