Jurist und EKD-Ratsmitglied Joussen: Kirchen werden mehr zu einem normalen Arbeitgeber

Kirchen würden aber eigenständige Rechts behalten, schreibt der Bochumer Juraprofessor für „epd sozial“

Bochum (epd). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach kirchliche Arbeitgeber nicht von jedem Stellenbewerber eine Religionszugehörigkeit verlangen dürfen, erschüttert nach Auffassung des Arbeitsrechtlers Jacob Joussen nicht die Grundfesten des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat. „Mit dem Urteil werden die Kirchen ein wenig mehr zu einem normalen Arbeitgeber. Sie behalten aber eigenständige Rechte“, schreibt der Bochumer Juraprofessor in einem Gastbeitrag für „epd sozial“, die Fachpublikation des Evangelischen Pressedienstes (epd) für die Sozialbranche.

Die Kirchen könnten nach dem Luxemburger Urteil vom 17. April weiterhin von Stellenbewerbern die Kirchenzugehörigkeit verlangen, erläutert Joussen, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Sie müssten nun aber nachvollziehbar – und im Klagefall auch vor Gericht – begründen können, warum die Zugehörigkeit im jeweiligen Fall wesentlich ist und warum diese Anforderung verhältnismäßig ist. Sie müssten stärker als bisher darauf achten, nicht mit dem staatlichen Diskriminierungsverbot zu kollidieren.

Der EuGH entschied am 17. April in Luxemburg, dass solch eine Anforderung an einen Bewerber „objektiv geboten“ sein müsse. Es müsse ein direkter Zusammenhang zwischen der Konfession und der fraglichen Tätigkeit bestehen (AZ: C-414/16).

Faktisch wird sich nach Joussens Überzeugung wenig ändern

Im konkreten Fall ging es um die konfessionslose Berlinerin Vera Egenberger, die sich 2012 erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben und daraufhin wegen religiöser Diskriminierung geklagt hatte. Über den Ausgang des Verfahrens, in dem Egenberger eine Entschädigungszahlung durchsetzen will, muss nun das Bundesarbeitsgericht in Erfurt befinden.

Joussen ist davon überzeugt, dass der Kirche die Begründung im Einzelfall gelingen wird, wenn die Art der Tätigkeit die Religionszugehörigkeit verlangt – etwa bei einer lehrenden oder seelsorgerischen Tätigkeit. Aber auch dann, wenn die Umstände der Tätigkeit dies verlangen - etwa weil nur so die kirchliche Außenwirkung herstellbar ist. „Das ist in einem Krankenhaus bei pflegenden Berufen wahrscheinlicher als beim Parkplatzwächter“, so Joussen.

Faktisch wird sich nach Joussens Überzeugung wenig ändern. Denn schon jetzt weiche die evangelische Kirche von ihren eigenen Grundsätzen immer wieder ab und beschäftige viele Nichtchristen. In Zukunft müsse jedoch die Kirchlichkeit konfessioneller Einrichtungen auf andere Weise deutlich werden als durch eine überwiegende Anzahl evangelischer Mitarbeiter. „Das ist nicht die schlechteste Konsequenz dieser EuGH-Entscheidung“, findet Joussen.