Kirche widersetzt sich Berliner Mauerbau-Kunstprojekt „DAU“

Friedrichswerdersche Kirche würde eingemauert – EKD-Kulturbeauftragter spricht von einem Skandal

Denkmal des Architekten Karl Friedrich Schinkel vor der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin (Archivbild 2015).

Denkmal des Architekten Karl Friedrich Schinkel vor der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin (Archivbild 2015).

Berlin (epd). Gegen das geplante Mauerbau-Kunstprojekt „DAU“ in Berlin gibt es heftigen Widerstand aus der evangelischen Kirche. Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, warf der Veranstaltern Rücksichtslosigkeit vor und sprach von einem handfesten Skandal.

Dass eine Kirche gegen ihren Willen eingemauert wird, müsse man als einen handfesten Skandal bezeichnen, sagte der EKD-Kulturbeauftragte dem epd. Dieser massive Zugriff lasse sich nicht als „Kunst“ rechtfertigen, er verletze grundlegende Rechte. „Das 'DAU'-Projekt geht intransparent und rücksichtslos vor. Es verhält sich nicht viel anders als manche Bauinvestoren in der Hauptstadt auch: Der öffentliche Raum wird einfach in Beschlag genommen“, kritisierte Claussen.

Widerstand gibt es auch in der betroffenen evangelischen Kirchengemeinde in der Friedrichstadt, zu der die Friedrichswerdersche Kirche gehört. Der Schinkelbau liegt innerhalb des vorgesehenen Areals zwischen der Straße Unter den Linden und dem Werderschen Markt. Dieses soll vom 12. Oktober an für knapp vier Wochen nach dem Vorbild der Berliner Mauer eingemauert werden. Die Kirchengemeinde werde dafür nicht das geforderte Einverständnis geben, sagte Gemeindepfarrer Stephan Frielinghaus dem Evangelischen Pressedienst.   

Erfahrung von Freiheitsverlust und totalitären Systemen

Bei dem Kunst- und Sozialexperiment sollen Besucher unter anderem die Erfahrung von Freiheitsverlust und totalitären Systemen machen können. Den Plänen zufolge müssen Gäste dazu ein Visum beantragen, um in den eingemauerten Bereich zu gelangen, und ihr privates Handy abgeben. Am 9. November - dem Tag des Mauerfalls - soll diese temporäre Berliner Mauer in einer künstlerischen Performance eingerissen werden.

Frielinghaus kritisierte, es sei absurd, dass ihm als Pfarrer in dieser Zeit der Zugang zu einer Kirche verwehrt werde, die sich in seinem Eigentum befinde. Zwar hätten die Veranstalter des Kunstprojektes ihm zugesichert, ihm einen entsprechenden Pass auszustellen, das mache es aber auch nicht besser. „Wir werden hier unter Zwang zu Beteiligten einer Geschichte gemacht, die wir ablehnen“, sagte der Pfarrer.

Auch wirft er den Veranstaltern „maximale Intransparenz“ vor. Die Gemeinde sei erst am 5. September mit einem „Anwohnerschreiben“ durch die Berliner Festspiele von dem Plänen offiziell unterrichtet worden. Zuvor sei lange Zeit unklar gewesen, wer eigentlich hinter dem Kunstprojekt steht. „Das kann ich alles nur als unseriös interpretieren“, sagte der Pfarrer.

5,20 Meter breites Tor in Kirchennähe zugesagt

Neben der ungewollten Vereinnahmung hat die Kirchengemeinde laut Frielinghaus auch ganz praktische Gründe, das Projekt abzulehnen. Die 1831 eingeweihte Schinkelkirche wird derzeit saniert, und durch die temporäre Grenze könnte es zu Bauverzögerungen kommen, wenn Baufahrzeuge und Handwerker erst ein Visum für das eingemauerte Areal beantragen müssen. Nach einem Vorort-Termin mit den Berliner Festspielen am Mittwoch hätten diese zumindest ein 5,20 Meter breites Tor in Kirchennähe für die Baufahrzeuge zugesagt, sagte der Pfarrer.

Die Berliner Behörden wollen bis 28. September über „DAU“ entscheiden. Offen für das Kunstprojekt zeigt sich unter anderen auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). „DAU“ geht auf ein europäisches Film- und Performanceprojekt unter Leitung des russischen Regisseurs Ilja Chrschanowski zurück. Seinen Ursprung hat das Kunstprojekt im ukrainischen Charkiw, wo der Physiker und Nobelpreisträger Lew Landau (1908-1968) lebte und arbeitete.