Zwischen Theologie und Freizeitindustrie

Im Europa-Park bieten zwei Seelsorger Gottesdienste, Taufen und Trauungen an

Stabkirche im Themenpark Skandinavien im Europa-Park Rust

Zwei Seelsorger sind im Europa-Park für geistliche Angebote zuständig. Inzwischen geben sich 50 bis 60 Paare pro Jahr im Park das „Ja-Wort“ und lassen meist auch ihre Kinder in der Kapelle im Hotel „Santa Isabel“ oder in der Stabkirche im skandinavischen Themenbereich taufen.

Rust/Freiburg (epd). Es ist eine besondere Taufe: Die Eltern, Corinna und Roland Metzler, sind beide aus der Kirche ausgetreten. Wegen einer privaten Geschichte unterstütze sie nicht mehr die Institution Kirche, erläutert die junge Frau aus Freiburg. Trotzdem sei sie gläubig, und ihr Sohn solle christliche Werte mitbekommen. Der Pfarrer in ihrer Gemeinde lehnte jedoch eine Taufe ab.

Glücklicherweise stießen die Metzlers auf den Seelsorger im Europa-Park, Martin Lampeitl von der Evangelischen Landeskirche in Baden. Er erklärte sich bereit, den fast zweijährigen Lian in die Kirche aufzunehmen. So hat sich an einem Samstag die Familie Metzler in einer Kapelle im Vier-Sterne-Hotel „Santa Isabel“ des Europa-Parks in Rust versammelt. Der Park gilt als der meistbesuchte Freizeitpark Deutschlands.

„Ich will mich an solchen Stellen nicht auf Kirchenstatuten zurückziehen“, erklärt Lampeitl seine Bereitschaft zur Taufe. Um Volkskirche zu bleiben, müsse man auf die Menschen zugehen. Gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Andreas Wilhelm leitet er das ökumenische Projekt „Kirche im Europa-Park“. Zwischen 13 Achterbahnen, Wildwasser-Rafting und 5,6 Millionen Besuchern jährlich bieten sie Gottesdienste, Hochzeiten und Taufen an.

Shows sind „Kommunikationsangebot“

„Im Alltag haben viele Menschen gar keine Berührung mehr mit Religion, teils fehlt es einfach an Zeit“, sagt Lampeitl, der auch als Musiker bekannt ist. Aber in der Urlaubszeit und an kirchlichen Feiertagen sei die Bereitschaft bei den „fernen Kirchentreuen“ da. Daher haben sie im Park geistliche Angebote. „Wir sehen uns als ein Scharnier zwischen Freizeitindustrie und Kirche“, erklärt er.

Begonnen hat es 2005 mit halbstündigen Theaterstücken zu biblischen Themen. Über Ostern, Pfingsten und Weihnachten laufen die Stücke, wie auch die anderen Shows im Park, im Zwei-Stunden-Rhythmus. „Wir streben aber nicht wie die anderen Shows die höchste Qualität an, sondern sehen die Veranstaltung als Kommunikationsangebot“, erklärt Lampeitl. Und das funktioniert.

Eine Freizeitgemeinde entsteht

Aus den ersten Kontakten zu Besuchern entwickelte sich die Idee, Trauungen anzubieten. Inzwischen geben sich 50 bis 60 Paare pro Jahr im Park das „Ja-Wort“ und lassen meist auch ihre Kinder in der Kapelle im „Santa Isabel“ oder in der Stabkirche im norwegischen Viertel taufen. „Das sind weitere 60 bis 70 Feiern im Jahr, die das Angebot noch bekannter machen“, sagt Lampeitl. Und so füllen sich die Gotteshäuser im Park immer weiter.

„Zu Beginn besuchten rund 20 Leute unsere drei jährlichen Hauptgottesdienste“, sagt Lampeitl. Inzwischen sei eine Freizeitgemeinde entstanden. „Am diesjährigen Ostermontag-Gottesdienst mit Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh kamen 650 Leute“, sagt der Seelsorger. Weitere 70 hätten draußen gestanden, weil in der Kirche kein Platz mehr gewesen sei. Viele der Besucher stammten aus der Region und seien Dauerkarten-Besitzer. Manche kämen aber auch aus der Schweiz oder Frankreich. Darüber hinaus seien Lampeitl und Wilhelm inzwischen als Betriebsseelsorger für die rund 4.000 Angestellten im Park tätig.

Seifenblasen für den Täufling

Aber auch wenn Lampeitl bei manchen kirchenrechtlichen Fragen mal ein Auge zugedrückt, gibt es für ihn Grenzen. „Ich habe wahrscheinlich schon so fünf bis zehn Hochzeiten aus Gewissensgründen abgelehnt“, erzählt er. Auch wenn sie sich an einem Ort der Unterhaltungsindustrie befänden – eine gewisse Ernsthaftigkeit müssten die Verliebten mitbringen. „Wenn es heißt 'schwätzt irgendwas' und 'nee, singen tun wir eh nicht, Hauptsache, wir haben ein schönes Fest', dann reicht das nicht“, erklärt er.

Bei der Taufe von Lian spielt Lampeitl Gitarre, singt, predigt unterhaltsam und hat Seifenblasen für den Täufling dabei – um den „Schreck“ mit dem Wasser abzumildern. Die Metzlers wirken begeistert. Wie groß die Rolle der Kirche in Lians Leben sein wird, wird er eines Tages selbst entscheiden. Erste Voraussetzungen sind da.

Leonie Mielke (epd)

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