Sich selbst nicht belügen

Geistlicher Impuls zur Fastenzeit von Susanne Breit-Keßler, Regionalbischöfin und Vorsitzende im Kuratorium „7 Wochen Ohne“

2. Samuel 12,1–7
Und der HERR sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt’s wie eine Tochter. Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war. Und er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war. Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann!

Mann sitzt am Seeufer vor Berglandschaft

Sich selbst nicht zu belügen, dem eigenen Spiegelbild ehrlich ins Gesicht zu sehen, dazu benötigt man manchmal Mut.

„Ich esse eigentlich nicht viel“ sagt ein Kollege, der mit seinem Übergewicht kämpft. „Wo das alles herkommt“, er klopft auf seinen Bauch, „keine Ahnung ...“ Ich bin ziemlich sprachlos. Es wäre einfach, ihm eine Antwort zu geben. Man braucht nur einen Blick auf seinen vollgeladenen Teller zu werfen. Kalorien ohne Ende.

Eine Freundin ist schwere Alkoholikerin und würde sofort wieder das Trinken anfangen,
wenn sie alleine unterwegs wäre. Momentan ist sie in einem Heim. „Ihr glaubt, ich bin krank“, sagt sie. „Aber das stimmt nicht.“ „Liebe“, versuche ich es mit der Wahrheit, „du hast dich ins Koma getrunken, deswegen bist du jetzt hier.“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein, ich habe nur genossen.“

Warum belügen sich Menschen selbst? Weil die Wahrheit manchmal wehtut und einen zum Handeln zwingt. Der korpulente Kollege müsste sich eingestehen, dass er die aufgestaute Wut über den aggressiven Chef förmlich in sich hineinfrisst. Er wäre genötigt, zu überlegen, welche Möglichkeiten ihm offenstehen. Kündigen? Neue Arbeit suchen. Sehr unbequem.

Die Freundin bräuchte den Mut, ihre Einsamkeit genau anzuschauen und den Schmerz über die verlorene große Liebe. Sie müsste sich damit konfrontieren, dass der geliebte Mann sie wegen einer anderen verlassen hat und nie mehr zurückkehrt. Das geht elend ans Selbstbewusstsein – und macht einem schlagend deutlich, dass man für den anderen nicht alles ist.

Sich die Wahrheit eingestehen und ganz bei sich selbst bleiben

Die Dissonanz zwischen den eigenen Wünschen, Sehnsüchten und Hoffnungen und der Realität ist oft groß. Dann belügen sich Menschen, damit sie dem, was sie schmerzt, ausweichen können. Sie vermeiden die Wahrheit, weil es bequemer ist, einfache Antworten zu finden. Und weil man meint, anderen damit vormachen zu können, wie toll man selber ist.

Man möchte das ideale Selbstbild um jeden Preis aufrechterhalten. Aber auf Dauer wird damit niemand glücklich, wenn er oder sie sich selbst in die Tasche lügt. Besser ist es, sich die Wahrheit einzugestehen und ganz bei sich selbst zu bleiben. David schafft das erst, als ihm der Prophet eine Geschichte erzählt, in der der König sich selbst aus der Distanz wahrnehmen kann. Er sieht sich gewissermaßen im Spiegel.

Treten wir in Gottes Namen in Kontakt mit uns

Also: einen Schritt zurücktreten, vielleicht mit Hilfe eines anderen Menschen. Sich anschauen und fühlen, spüren, überlegen – wie geht es mir wirklich? Was ängstigt mich? Wo schäme ich mich vielleicht auch? Wie wäre ich gerne? Und was kann ich selbst dazu tun, dass es mir besser geht?

König David weiß in seinem Innersten, was richtig und was falsch ist. Das zeigt seine spontane Reaktion auf die Erzählung Nathans. Und wir? Wir wissen eigentlich auch, was uns, unserer Seele, unserem Kopf und Körper wirklich schadet oder guttut. Treten wir also in Gottes Namen in direkten Kontakt mit uns. Es gibt nichts, was wir uns und ihm verheimlichen müssten.

Susanne Breit-Keßler

Impulsfragen

1. Wo entdecke ich im Alltag kleine Lügen mir selbst gegenüber?
2. Warum ist die Versuchung so groß, bei Niederlagen im Beruf, im Sport oder
im Privatleben die Schuld bei anderen zu suchen?
3. Wer könnte mir helfen, wahrhaftiger mit mir umzugehen? Was wäre dazu nötig?
4. Worin besteht der Gewinn für mich, wenn ich ehrlich zu mir bin?


Der Text stammt aus dem Magazin „ZUTATEN. Themenheft zur Fastenaktion der evangelischen Kirche 2019“, edition chrismon.

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