Herausforderung Zukunft – Schlüsselwort Kooperation

Ulrich Lilie warnt vor Binnenlogiken und ruft auf zu Austausch und Kooperation – zum Beispiel am „Tag der Offenen Gesellschaft“

Portrait von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie.

„Was für ein Vertrauen!“ Die Losung des Kirchentags in Dortmund fordert nicht nur das Mainstream-Misstrauen in unserer Gesellschaft heraus. Auch in der evangelischen Kirche kommt der Ausruf zur rechten Zeit.

Denn auch wir brauchen Vertrauen. Und: Einfallsreichtum. Mag sein: Die so genannten fetten Jahre in Kirche und Diakonie sind vorbei, doch das ist ja nicht das Ende der Welt. Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde, unser Gemeinwesen ruht auf einem Grundgesetz, das auch nach siebzig Jahren ein verlässliches Fundament bietet. Soziale Marktwirtschaft und Rechtsstaat rahmen eine offene und vielfältige Gesellschaft, die das Individuum schützt. Das ist nicht selbstverständlich in dieser Welt! Deutschland wird mit großer Geschwindigkeit ethnisch, kulturell und religiös vielfältiger, wird trotz Migration immer älter, es wird sozial ungleicher und digitaler. Damit müssen wir umgehen. Gemeinsam.

Es gibt wirklich viel zu tun

Was bedeutet Arbeit in Zukunft? Wie finanzieren wir den Sozialstaat? Wie gelingt es uns, allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen? Und noch kein Wort vom Klimawandel. Es gibt wirklich viel zu tun.

Wir brauchen Vertrauen – und frische Ideen. Beides werden wir nur gemeinsam entwickeln können. Die Herausforderungen sind zu komplex, um sie mit Binnenlogiken und vorgefassten Konzepten oder gar im politischen Alleingang teilhabeorientiert gestalten zu können. Unsere Binnenlogiken machen uns taub und blind für neue Gedanken. Sie hindern uns, ungewohnte Wege zu betreten: Kooperation heißt das Schlüsselwort der Zukunft. Und Kooperation setzt Vertrauen voraus.

Gemeinsamkeiten entdecken und stärken

Die Bestsellerautorin Dörte Hansen hat kürzlich in einem Interview die neue Frage gestellt: „Was kann uns verbinden, wenn wir nicht aneinander gebunden sind?“ Schritt eins auf dem Weg zur vertrauensvollen Zusammenarbeit ist das Zuhören. Der Austausch auch mit Menschen, die anders ticken: Was verbindet die Bürgerin mit Sorgen mit dem besorgten Bürger? Zum Beispiel verbindet uns alle die Fürsorge für unsere Kinder und unsere Alten, egal, woher wir kommen und was wir denken. In einer auf vielfältige Art diverser werdenden Gesellschaft wird es darauf ankommen, mehr Gemeinsamkeiten zu entdecken und systematisch zu stärken.

Das lässt sich üben. Zum Beispiel am 15. Juni, dem dritten „Tag der Offenen Gesellschaft“. Zu dem ruft wieder ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis auf. Alle können mitmachen, Tische und Stühle auf den Gehweg stellen, ein Mitbring-Buffet anregen und fremde Menschen einladen. In Düsseldorf kooperieren Diakonie und Stadt und laden zu einer langen Tafel an den Rhein. In Schwerin feiert die Diakonie schon zum zweiten Mal mit Partnern der Zivilgesellschaft vor Ort. Die gemeinsame Aufgabe, die direkte Nachbarschaft verantwortlich mit zu gestalten und dann gemeinsam davon zu profitieren, verbindet. Über ein gemeinsam ausgehandeltes Ziel wächst eine neue gemeinsame Identität. Die Basis für all das bildet eine konsequent kooperative Haltung: Vertrauen zu wagen, lohnt sich.

Ulrich Lilie
Präsident der Diakonie Deutschland (für zeitzeichen)


Die Initiative „Offene Gesellschaft“ will am 15. Juni mit einer deutschlandweiten Aktion ein Zeichen für Zusammenhalt, Freiheit, Offenheit und Demokratie setzen. Zum „Tag der offenen Gesellschaft“ sind Menschen aufgerufen, im privaten oder öffentlichen Raum Tische aufzustellen und Freunde, Bekannte sowie Unbekannte einzuladen. Der „Tag der offenen Gesellschaft“ findet 2019 bereits zum dritten Mal statt. Die Aktion wird unter anderen unterstützt von der Diakonie, „Fridays for Future“, Pulse of Europe, dem Zentralrat der Muslime oder Amnesty International. 2018 kamen nach Angaben der Veranstalter mehr als 25.000 Menschen an den Tischen zusammen. (epd)