Wenn Kirchgänger zu „Followern“ werden

Viele christliche Gemeinden setzen in der Corona-Krise auf soziale Medien

Symbolbild: Social-Media_Wall

Nordhorn/Hannover (epd). Für Nordhorns Pastor Simon de Vries ist es eigentlich nichts Neues: Seit vielen Jahren nutzt der 40-Jährige bereits Snapchat, Facebook oder Youtube. "Da war ein kurzer Moment der Gelähmtheit, was wir jetzt in dieser Situation tun können", sagt de Vries. Doch als wegen der Corona-Krise sämtliche gottesdienstliche Versammlungen verboten wurden, schritt er zur Tat. Mindestens ein Mal am Tag wendet er sich jetzt über die sozialen Medien mit Videos an seine Gemeinde. Aus Kirchgängern wurden so "Follower" - zumindest die, die seinen Kanal bei Facebook oder Youtube abonniert haben.

So streamt der Pastor jeden Tag um 18.30 Uhr eine Abendandacht aus der evangelischen Christuskirche. Wo sonst abends nur drei oder vier ältere Gottesdienstbesucher mit dem Pastor beteten, versammeln sich nun mehrere Tausend Gläubige zu den Fürbitten vor ihren Smartphones, Laptops und Rechnern. Momentan ist Nordhorn eine vernetzte und vernetzende Kirche.

De Vries, blauer Kapuzenpulli und Jeans, sitzt vor dem Fürbittenleuchter im hinteren Teil seiner Kirche. Zahlreiche Gebetsanliegen erreichen ihn täglich. Geduldig trägt er die Bitten vor und zündet eine Kerze an. "Kirche ist, dass man in Kontakt miteinander tritt", sagt de Vries. Soziale Medien würden häufig falsch als eindimensional verstanden. Und so antwortet er auf den unterschiedlichen Kanälen. "Gerade in Krisenzeiten ist das Bedürfnis nach Gemeinschaft groß, weil einige Menschen alleine sind." Die oft gescholtenen sozialen Medien erlebe er in den letzten Tagen tatsächlich als sozialer.

Auch anderswo versuchen Pastorinnen und Pastoren in Zeiten von Corona, mit Hilfe der sozialen Medien Kontakt zu ihren Gemeinden zu halten. In Bremen hält Pastorin Hanna Sophie Detken in einem Youtube-Video die Handpuppe Lotta auf dem Schoß. Lotta ist traurig: "Ich wollte heute Kindergottesdienst feiern!" Im Hintergrund spannt sich ein roter Vorhang aus Decken, davor sitzen die Pastorin im schwarzen Talar und Handpuppe Lotta. Rund 20 Minuten "unterhalten" sich beide über das Thema "Du bist bei mir!". Rund 2.000 Mal wurde das Video bereits gesehen. Eine Zuschauerin schrieb: "Die erste Frage meiner Kinder war: Gibt's da noch mehr von?"

Pastor Arno Hildebrand aus Buchholz in der Nordheide setzt dagegen auf Instagram. Zuletzt hat er dort live einen Jugendgottesdienst gestreamt, Gebetsanliegen können ihm über den Onlinedienst geschrieben werden. Jetzt lädt Hildebrandt mittags um 12.30 Uhr zu einem Gebet. Die Glocken läuten, die Zuschauer sehen in den Altarraum, das Kruzifix und Kerzen. "Kirchen zeigen, lebendig halten und immer wieder Neues wagen", schreibt Hildebrandt. Noch ist nicht alles so wie es sein soll: Wer nicht bei Instagram angemeldet ist, kann die übertragene Andacht nicht sehen. In Gadenstedt bei Peine streamt Pastor Dominik Christian Rohrlack über Facebook live aus seiner Küche, legt Bibelstellen aus und will mit seinen Zuschauern sogar singen oder Kochrezepte ausprobieren.

In Nordhorn denkt Simon de Vries bereits an Ostern. Der Pastor will das Fest nicht ganz alleine in der Kirche feiern. "Deshalb habe ich meine Gemeinde gebeten, mir Fotos zu schicken, die ich dann ausdrucke und in die Bänke verteile." Seine Videos seien nicht perfekt, weder bei Licht noch Ton, sagt er. "Aber all das ist gerade egal, weil es auf das Miteinander ankommt und zu sagen, dass jemand da ist, der zuhört."

Viele Ideen und einzelne Aktionen der verschiedenen Gemeindenfinden Sie auf den Seiten der EKD unter: www.kirchevonzuhause.de 

und auf den Seiten der Hannoverschen Landeskirche: www.kirchezuhause.de