Statement des Ratsvorsitzenden der EKD bei der Begegnung mit dem Präsidenten der Kommission der Europäischen Union, Professor Romano Prodi
EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock
Die kursivgedruckten Passagen sind zur Erläuterung gedacht
Sehr geehrter Herr Präsident,
herzlichen Dank für den heutigen Empfang der Ratsdelegation der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wir alle sind ganz außerordentlich dankbar, dass Sie sich so kurz vor der Regierungskonferenz in Nizza, Zeit für dieses Gespräch genommen haben. Wir wissen, welche schwierigen Fragen auf der Agenda von Nizza stehen und schätzen es daher sehr, dass Sie die heutige Zusammenkunft möglich gemacht haben.
Ich wünsche Ihnen, dass die Regierungskonferenz in Nizza ein Erfolg für Europa wird, insbesondere im Blick auf eine Einigung über die notwendigen Reformen, die eine wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten ist.
Ein menschliches Europa ist eines ihrer wichtigsten Ziele. Die EKD will ihren theologisch-ethischen Beitrag etwa zu Fragen von Kultur, Bildung, Politik und Wirtschaft in den Dialog um das geistige Profil Europas einbringen.
Der Protestantismus hat einen spezifischen Beitrag zur europäischen Kultur geleistet mit der im biblischen Zeugnis begründeten 'evangelischen Freiheit', die zugleich die Bereitschaft für die persönliche Verantwortung für das Gemeinwesen umschließt. Die in Gottes Schöpfung begründete Menschenwürde und die Unverletztlichkeit des Gewissens haben ihren Ursprung in der biblischen Botschaft vom gnädigen Gott, wie sie von der Reformation wiederentdeckt und neu bekanntgemacht wurde.
Die evangelische Kirche nimmt ernst, dass Menschen der Moderne selbstbestimmt leben und über ihr Glaubensbekenntnis frei bestimmen. Sie verstehen ihr missonarisches Handeln als verbindliches Angebot für Menschen auf der Suche nach religiöser Orientierung.
Die EKD, als die bei weitem größte evangelische Kirche in Europa, unterstützt die europäische Zusammenarbeit der Kirchen und die Koordinierung des Dialogs mit anderen Religionsgemeinschaften. Gegenwärtig beginnt die EKD einen intensiven Dialog mit dem Islam in Deutschland. Dabei geht es um die Überwindung von Vorurteilen und alten Verletzungen und um Fragen der Integration von Muslimen in die deutsche Gesellschaft.
Zwei Drittel aller Europäer sind Mitglieder einer christlichen Kirche. Darum wertet die EKD die Annäherung der Kirchen in der Ökumene als wichtigen Baustein im Prozess der europäischen Einigung. So setzt sie sich ein für die Formulierung einer "Charta Oecumenica für die Zusammenarbeit der Kirchen in Europa".
Der Rahmen dafür ist die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), der Zusammenschluss von 126 protestantischen und orthodoxen Kirchen. Die EKD trägt die Finanzierung KEK in erheblichem Umfang.
Die evangelischen Christen in der DDR hatten einen wesentlichen Anteil am friedlichen Umbruch von der SED-Herrschaft zur Demokratie.
Nach der Vereinigung des Landes hat die Evangelische Kirche in Deutschland ihren besonderen Auftrag darin gesehen, die Einigung Europas nicht auf die westeuropäischen Länder zu beschränken, sondern das kulturelle Erbe und die geschichtlichen Verpflichtungen aus den Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus und des Kommunismus in den nach Osten erweiterten europäischen Einigungsprozeß einzubringen.
Vierzig Jahre lang hat die Grenze zwischen den Machtblöcken unser Land in zwei Teile zertrennt. Doch konnte diese Grenze nach der finsteren Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und des Weltkriegs die Menschen in unserer Kirche nicht davon abhalten, Wege der Verständigung zu suchen und Schritte der Versöhnung zu gehen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat mit ihrer Denkschrift "Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn" bereits 1965 die Wende in der Politik der BRD gegenüber den Nachbarländern des damaligen Ostblocks formuliert. Dies hat sie nicht nur als innerkirchlichen Grundsatz, sondern mit Erfolg als Konsens in die deutsche Gesellschaft hinein vermittelt und damit die Aussöhnung Deutschlands mit den Völkern in Mittel und Osteuropa maßgeblich eingeleitet. Das in diesem Versöhnungsprozess gewonnene Vertrauen hat Früchte getragen und sich in der Zeit des Umbruchs vor und nach 1989 bewährt.
Die evangelischen Kirchen in der DDR waren trotz der fast 25 Jahre währenden organisatorischen Trennung von der EKD an dieser Entwicklung beteiligt. Sie boten der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung Raum und prägten mit ihrem Engagement für Frieden und gewaltfreie Konfliktlösungen den Maßstab für das auch in der kritischen Phase am Anfang der unblutigen Revolution ethisch unbedingt Gebotene. Zahlreiche Christen und eine große Zahl von evangelischen Geistlichen aus den ostdeutschen Kirchen haben sich aktiv an der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit und der politischen Gestaltung der deutschen Einigung beteiligt.
So begrüßt die EKD die EU-Erweiterung und trägt dieses Thema aktiv in alle bilateralen Kontakte hinein u.a. durch intensive Partnerschaftsbeziehungen zu allen Kirchen in allen Beitrittsländern.
Die EKD schafft mit ihren ökumenischen Projekten und Konsultationen die kirchliche Plattform für das Gespräch mit Menschen in den künftigen Beitrittsländern und mit Menschen in den mittelosteuropäischen Staaten, die nicht zum Kreis der Beitrittskandidaten gehören. Neben den bilateralen Kontakten von Seiten der EKD bestehen multilaterale Kontakte im Rahmen der KEK. In diesen Gesprächszusammenhängen werden z.B. thematisiert: Abbau von Abgrenzung und Nationalismen, Beitrag der Kirchen zu Demokratisierungsprozessen, konkrete Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik, Friedenspolitik, Auswirkung des europäischen Einigungsprozesses auf die ökonomische und soziale Situation der Menschen in der Landwirtschaft.
Die EKD leistet aktive Versöhnungsarbeit in Südosteuropa durch Kontakte mit den dortigen Kirchen und gesellschaftlichen Gruppen mit dem Ziel, Polarisierungen zu überwinden. Über kirchliche ökumenische Partnerschaften und die Beteiligung an humanitären Aktionen hilft die EKD außerdem in den ehemaligen Kriegsregionen des Balkan beim Wiederaufbau.
Die Bestrebungen der Kommission zur verstärkten Förderung von Elementen partizipativer Demokratie kommen dem Wunsch der Evangelischen Kirche nach stärkerer Verantwortungsbereitschaft und intensiverem demokratischem Engagement der Bürger entgegen. Die christlichen Kirchen als Bestandteil europäischer Partizipationsstrukturen können das geistig-religiöse und kulturelle Profil eines geeinten Europa deutlicher hervortreten lassen. Die Anerkennung der Kirchen als im öffentlichen Raum tätige Institutionen sollte dabei nicht ausgeschlossen werden.
Hannover / Brüssel, 29. November 2000
Pressestelle der EKD
Sehr geehrter Herr Präsident,
herzlichen Dank für den heutigen Empfang der Ratsdelegation der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wir alle sind ganz außerordentlich dankbar, dass Sie sich so kurz vor der Regierungskonferenz in Nizza, Zeit für dieses Gespräch genommen haben. Wir wissen, welche schwierigen Fragen auf der Agenda von Nizza stehen und schätzen es daher sehr, dass Sie die heutige Zusammenkunft möglich gemacht haben.
Ich wünsche Ihnen, dass die Regierungskonferenz in Nizza ein Erfolg für Europa wird, insbesondere im Blick auf eine Einigung über die notwendigen Reformen, die eine wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten ist.
- Die EKD wünscht das Gelingen der Einigung Europas, denn Versöhnung und Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit gehören zum Anliegen ihrer eigenen Botschaft
Ein menschliches Europa ist eines ihrer wichtigsten Ziele. Die EKD will ihren theologisch-ethischen Beitrag etwa zu Fragen von Kultur, Bildung, Politik und Wirtschaft in den Dialog um das geistige Profil Europas einbringen.
- Wir führen zusammen. Die protestantische Facette im religiösen Profil unseres Kontinents, Ökumenische Zusammenarbeit zur Überwindung von Trennungen und Spaltungen (KEK; interreligiöser Dialog)
Der Protestantismus hat einen spezifischen Beitrag zur europäischen Kultur geleistet mit der im biblischen Zeugnis begründeten 'evangelischen Freiheit', die zugleich die Bereitschaft für die persönliche Verantwortung für das Gemeinwesen umschließt. Die in Gottes Schöpfung begründete Menschenwürde und die Unverletztlichkeit des Gewissens haben ihren Ursprung in der biblischen Botschaft vom gnädigen Gott, wie sie von der Reformation wiederentdeckt und neu bekanntgemacht wurde.
Die evangelische Kirche nimmt ernst, dass Menschen der Moderne selbstbestimmt leben und über ihr Glaubensbekenntnis frei bestimmen. Sie verstehen ihr missonarisches Handeln als verbindliches Angebot für Menschen auf der Suche nach religiöser Orientierung.
Die EKD, als die bei weitem größte evangelische Kirche in Europa, unterstützt die europäische Zusammenarbeit der Kirchen und die Koordinierung des Dialogs mit anderen Religionsgemeinschaften. Gegenwärtig beginnt die EKD einen intensiven Dialog mit dem Islam in Deutschland. Dabei geht es um die Überwindung von Vorurteilen und alten Verletzungen und um Fragen der Integration von Muslimen in die deutsche Gesellschaft.
Zwei Drittel aller Europäer sind Mitglieder einer christlichen Kirche. Darum wertet die EKD die Annäherung der Kirchen in der Ökumene als wichtigen Baustein im Prozess der europäischen Einigung. So setzt sie sich ein für die Formulierung einer "Charta Oecumenica für die Zusammenarbeit der Kirchen in Europa".
Der Rahmen dafür ist die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), der Zusammenschluss von 126 protestantischen und orthodoxen Kirchen. Die EKD trägt die Finanzierung KEK in erheblichem Umfang.
- Wir lassen unsere Vision für Europa konkret werden: Die EKD engagiert sich für ein "Europa mit menschlichem Gesicht": Ostdenkschrift 1965, die Friedliche Revolution von 1989 und der Beitrag zum Gelingen der Ost-Erweiterung
Die evangelischen Christen in der DDR hatten einen wesentlichen Anteil am friedlichen Umbruch von der SED-Herrschaft zur Demokratie.
Nach der Vereinigung des Landes hat die Evangelische Kirche in Deutschland ihren besonderen Auftrag darin gesehen, die Einigung Europas nicht auf die westeuropäischen Länder zu beschränken, sondern das kulturelle Erbe und die geschichtlichen Verpflichtungen aus den Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus und des Kommunismus in den nach Osten erweiterten europäischen Einigungsprozeß einzubringen.
Vierzig Jahre lang hat die Grenze zwischen den Machtblöcken unser Land in zwei Teile zertrennt. Doch konnte diese Grenze nach der finsteren Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und des Weltkriegs die Menschen in unserer Kirche nicht davon abhalten, Wege der Verständigung zu suchen und Schritte der Versöhnung zu gehen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat mit ihrer Denkschrift "Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn" bereits 1965 die Wende in der Politik der BRD gegenüber den Nachbarländern des damaligen Ostblocks formuliert. Dies hat sie nicht nur als innerkirchlichen Grundsatz, sondern mit Erfolg als Konsens in die deutsche Gesellschaft hinein vermittelt und damit die Aussöhnung Deutschlands mit den Völkern in Mittel und Osteuropa maßgeblich eingeleitet. Das in diesem Versöhnungsprozess gewonnene Vertrauen hat Früchte getragen und sich in der Zeit des Umbruchs vor und nach 1989 bewährt.
Die evangelischen Kirchen in der DDR waren trotz der fast 25 Jahre währenden organisatorischen Trennung von der EKD an dieser Entwicklung beteiligt. Sie boten der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung Raum und prägten mit ihrem Engagement für Frieden und gewaltfreie Konfliktlösungen den Maßstab für das auch in der kritischen Phase am Anfang der unblutigen Revolution ethisch unbedingt Gebotene. Zahlreiche Christen und eine große Zahl von evangelischen Geistlichen aus den ostdeutschen Kirchen haben sich aktiv an der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit und der politischen Gestaltung der deutschen Einigung beteiligt.
So begrüßt die EKD die EU-Erweiterung und trägt dieses Thema aktiv in alle bilateralen Kontakte hinein u.a. durch intensive Partnerschaftsbeziehungen zu allen Kirchen in allen Beitrittsländern.
Die EKD schafft mit ihren ökumenischen Projekten und Konsultationen die kirchliche Plattform für das Gespräch mit Menschen in den künftigen Beitrittsländern und mit Menschen in den mittelosteuropäischen Staaten, die nicht zum Kreis der Beitrittskandidaten gehören. Neben den bilateralen Kontakten von Seiten der EKD bestehen multilaterale Kontakte im Rahmen der KEK. In diesen Gesprächszusammenhängen werden z.B. thematisiert: Abbau von Abgrenzung und Nationalismen, Beitrag der Kirchen zu Demokratisierungsprozessen, konkrete Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik, Friedenspolitik, Auswirkung des europäischen Einigungsprozesses auf die ökonomische und soziale Situation der Menschen in der Landwirtschaft.
Die EKD leistet aktive Versöhnungsarbeit in Südosteuropa durch Kontakte mit den dortigen Kirchen und gesellschaftlichen Gruppen mit dem Ziel, Polarisierungen zu überwinden. Über kirchliche ökumenische Partnerschaften und die Beteiligung an humanitären Aktionen hilft die EKD außerdem in den ehemaligen Kriegsregionen des Balkan beim Wiederaufbau.
- Wir arbeiten mit an der Gestaltung der europäischen Zivilgesellschaft - auf nationaler wie auch europäischer Ebene durch theologisch-ethische Beiträge zu Kultur, Bildung, Politik, Wirtschaft und zum geistig-religiösen Profil Europas. Darum sollen die Kirchen Bestandteile der "partizipativen Demokratie" in der EU werden
Die Bestrebungen der Kommission zur verstärkten Förderung von Elementen partizipativer Demokratie kommen dem Wunsch der Evangelischen Kirche nach stärkerer Verantwortungsbereitschaft und intensiverem demokratischem Engagement der Bürger entgegen. Die christlichen Kirchen als Bestandteil europäischer Partizipationsstrukturen können das geistig-religiöse und kulturelle Profil eines geeinten Europa deutlicher hervortreten lassen. Die Anerkennung der Kirchen als im öffentlichen Raum tätige Institutionen sollte dabei nicht ausgeschlossen werden.
- Wie es weitergehen wird ...Vertiefung und Ergänzung des strukturierten Dialogs zwischen Kirche und EU-Kommission: Fortsezung der KEK-Dialoge
Pressestelle der EKD