EU-Asylreform: Kirchen gegen Verfahren an Außengrenzen

Kirchen und Diakonie zur Vorstellung des neuen Asyl- und Migrationspakts der EU-Kommission

Kinder laufen über eine Brücke am Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos - Februar 2020

„Was wir brauchen, ist neben einer starken, friedenspolitisch orientierten Außenpolitik ein gemeinsames Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen in Europa – für solche, die an unseren Grenzen stranden und aus den Flüchtlingslagern dieser Welt kommen“, sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie (Symbolbild: Kinder spielen am Rand des Flüchtlingslagers Moria auf Lesbos – Foto aufgenommen vor der Brandkatastrophe in der Nacht zum 9. September 2020).

Brüssel/Berlin (epd). Vertreter der großen christlichen Kirchen in Europa haben sich einen Tag vor der Vorstellung der neuen EU-Pläne zur Flüchtlingspolitik gegen Asylverfahren an den Grenzen ausgesprochen. „Wir verurteilen Aktivitäten, die Sicherheit- und Schutzsuchende an Europas Grenzen fest- oder draußen halten sollen“, heißt es in einem Brief an EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Zu den Unterzeichnern gehören der Päpstliche Rat zur Einheit der Christen, der Ökumenische Rat der Kirchen, der Lutherische Weltbund, die Konferenz Europäischer Kirchen und die Anglikanische Kirche. Eine Fortsetzung des sogenannten Hotspot-Ansatzes, von Grenzverfahren und Externalisierung würde „viele neue Tragödien“ schaffen, heißt es darin weiter.

Die EU-Kommission will am Mittwoch in Brüssel ihre Pläne vorstellen, deren Kernstück eine Reform des Dublin-Systems sein dürfte. Seit einiger Zeit ist ein neues Konzept im Gespräch. Danach würden an den EU-Außengrenzen Asylverfahren oder Vorprüfungen stattfinden, gefolgt von einer Umverteilung von Schutzsuchenden auf andere EU-Länder.

Für eine Reform des Dublin-Systems sind die Kirchenvertreter ebenfalls. An Aufnahme und Integration Schutzsuchender müssten sich alle EU-Staaten beteiligen. Mit Blick auf die Feuer im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos kritisieren die Christen tiefer liegendes Unrecht: Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden internationale Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz und zu den Menschenrechten nicht erfüllen.

Der offene Brief greift auch die Berichterstattung der Medien auf. Die Presse sollte Migranten und Flüchtlinge die Chance geben, ihre Geschichte zu erzählen, sowie Stereotype und zu grobe Vereinfachungen unterlassen, fordern die Kirchenvertreter.

Bedford-Strohm: „Die Idee Europa steht für Humanität“

Auch Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), mahnte eine humanitäre Flüchtlingspolitik der Europäischen Union an: „Europa darf nicht von einer Friedensvision zum Signalwort für die Absenkung von Menschenrechtsstandards nach unten werden. Die Idee Europa steht für Humanität. Das muss sich jetzt auch in der Flüchtlings- und Migrationspolitik bewähren,“ sagte er.

Umso wichtiger sei der Aufruf der europäischen Kirchen, der genau darauf hinweise. „Wir als Kirchen wollen unsere gemeinsame europäische Stimme für Humanität in unseren jeweiligen nationalen Gesellschaften einbringen“, sagte Bedford-Strohm.

Diakonie: Keine Abstriche im Flüchtlingsschutz

Kurz vor der Vorstellung des neuen Asyl- und Migrationspakts der EU-Kommission hat auch die Diakonie Deutschland davor gewarnt, Abstriche auf Kosten von Flüchtlingen zu machen. Diese schutzlos zu lassen oder sie in vermeintlich sichere Drittstaaten zurückzuschicken, sei unsolidarisch und ein geopolitischer Irrweg, sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie, am Mittwoch in Berlin und verwies auf die Grundrechtecharta der EU und die Genfer Flüchtlingskonvention.

„Was wir brauchen, ist neben einer starken, friedenspolitisch orientierten Außenpolitik ein gemeinsames Bekenntnis zur Aufnahme von Flüchtlingen in Europa – für solche, die an unseren Grenzen stranden und aus den Flüchtlingslagern dieser Welt kommen“, sagte Loheide. Menschenunwürdig sei es dagegen, Menschen auf der Flucht in Außengrenzeinrichtungen einzusperren und Ländern wie Griechenland die Verantwortung für die Durchführung der Asylverfahren in allen Instanzen zu überlassen.


Die EU-Kommission stellt am 23. September in Brüssel ihre Pläne für eine neue europäische Asyl- und Migrationspolitik vor. Kernstück der Vorschläge dürfte eine Reform des Dublin-Systems sein. Derzeit ist meist das Land der ersten Einreise für das Asylverfahren und die anschließende Unterbringung der Menschen zuständig. Im Gespräch ist seit einiger Zeit, Asylverfahren oder Vorprüfungen an den Außengrenzen vorzunehmen und Schutzsuchende mit Bleibeperspektive danach auf andere EU-Länder umzuverteilen.