Evangelische Kirche zieht klare Trennlinie zu Kreationismus

EKD-Studie zum Streit um Evolution und Schöpfungsglauben

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat im Streit über Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube für die Überwindung falscher Alternativen und mehr Sachlichkeit geworben. Die EKD zieht in einer am Dienstag veröffentlichten Studie klare Grenzen zum Kreationismus, der die wissenschaftliche Evolutionstheorie zur Entstehung der Welt in Frage stellt. Sie kritisiert darin auch einen neuen Atheismus, der den biblischen Schöpfungsglauben bekämpft. Beides seien "Irrwege".

In der Schule sollten die Evolutionstheorie und der Schöpfungsglauben thematisiert werden, wird empfohlen. Für Kreationismus gebe es jedoch keinen Platz im evangelischen Religionsunterricht. In der aktuellen Debatte gingen viele Beiträge davon aus, "dass entweder die Evolutionstheorie dem Schöpfungsglauben oder der Schöpfungsglaube der Evolutionstheorie weichen muss", erklärt der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, im Vorwort. Dies werde jedoch weder den Erkenntnissen von Naturwissenschaft und Theologie noch dem evangelischen Glaubensverständnis gerecht.

Zu Forderungen, im Biologieunterricht auch den biblischen Schöpfungsglauben und im Religionsunterricht die Evolutionstheorie zu behandeln, betont der Berliner Bischof, eine Klärung des Verhältnisses beider Perspektiven sei geboten. Dazu seien am besten "interdisziplinäre Unterrichtsobjekte" geeignet. Damit könnten "biologische und theologische Perspektiven jeweils in ihrer Eigenbedeutung zur Geltung gebracht werden", so Huber.

In der neuen Debatte würden längst überwunden geglaubte Vorurteile gegen die Evolutionstheorie und die Biologie sowie gegen die Theologie und die Kirche vorgebracht, stellen die Autoren des EKD-Textes fest. Sie warnen vor einer Gleichsetzung des in den USA verbreiteten Kreationismus mit dem christlichen Schöpfungsglauben: "Der Kreationismus ist vielmehr eine Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung, die letztlich dazu führt, dass das Bündnis von Glaube und Vernunft aufgekündigt wird."

Das aus dem Kreationismus entwickelte Konzept eines "Intelligenten Design", wonach die Welt das Produkt eines intelligenten Weltentwerfers sei, wird in dem EKD-Text als pseudowissenschaftlich bewertet. Vor den Prüfkriterien strenger Wissenschaft hätten solche Hypothesen keinen Bestand.

Dem wissenschaftlich begründeten Atheismus wird in der EKD-Stellungnahme vorgeworfen, diese Position ignoriere die Entwicklungen der wissenschaftlichen Theologie, die historisch-kritische Bibelauslegung sowie die ethische Kraft des Christentums. Ein aufgeklärter Gottesglaube brauche sich vor dem Stand der Naturwissenschaft nicht zu fürchten, sondern suche einen Dialog mit den Wissenschaften.

Für Theologie und Naturwissenschaft bestehe die größte Herausforderung darin, wie sie zu einem Leben in Humanität beitragen können, heißt es. Die Orientierungshilfe unter dem Titel "Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule" wurde von den Theologieprofessoren Michael Beintker (Münster) und Friedrich Schweitzer (Tübingen) konzipiert.

01. April 2008

EKD-Text 94 "Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule" als pdf-Datei


Absage an den Kreationismus

EKD wirbt in Orientierungshilfe für Dialog von Naturwissenschaft und Theologie

Von Rainer Clos (epd)

Hannover (epd). Wissenschaftliche Evolutionslehre gegen biblische Schöpfungsgeschichte. In den vergangenen Monaten nahm diese Kontroverse streckenweise Züge eines Kulturkampfes an. Vor allem seit dem Vorstoß der vormaligen hessischen Kultusministerin Karin Wolff (CDU), die neben der Evolutionstheorie auch die biblische Schöpfungslehre im Biologieunterricht thematisieren wollte, erfährt diese Debatte auch in Deutschland eine breite Aufmerksamkeit.

Angefacht wurde die Auseinandersetzung von Naturwissenschaftlern, die den Darwinismus weltanschaulich aufladen und daraus einen rigiden Atheismus ableiten. Zu den Wortführern der "neuen Atheisten" gehört etwa der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der mit seinem atheistischen Manifest "Der Gotteswahn" für viel Wirbel sorgt. In diese Kontroverse hat sich nun die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eingeschaltet. Nicht mit einem abwehrenden Schnellschuss, sondern mit einer Orientierungshilfe, die mit klaren Standpunkten für eine Versachlichung der Debatte wirbt.

Schon lange Zeit wabert der Streit in den USA. Dort ist es vor allem die christlich-fundamentalistische Bewegung, die die von Charles Darwin (1809-1882) entwickelte wissenschaftliche Evolutionstheorie ablehnt, nach der sich das Leben auf der Erde in einem langen Prozess ausgebildet habe. Diese evangelikalen Strömungen interpretieren die Schöpfungsgeschichte der Bibel wörtlich. Radikale Kreationisten glauben gar, die Erde sei 6.000 Jahre alt und in sieben Tagen von Gott erschaffen worden. Auch in der katholischen Kirche finden sich prominente Evolutionskritiker.

Das auf dem Kreationismus fußende Konzept eines "Intelligenten Design" geht davon aus, dass die Natur nicht allein durch Evolution zu erklären ist, sondern von einem intelligenten Planer gestaltet wird. In den USA setzen sich die Anhänger dieser Auffassung dafür ein, die biblische Schöpfungsgeschichte im schulischen Biologieunterricht zu verankern.

Derartigen Bestrebungen, mit denen auch evangelikale Gruppierungen in der Bundesrepublik sympathisieren, erteilt der EKD-Text eine klare Absage. In der Schule sollten die Evolutionstheorie und der Schöpfungsglauben thematisiert werden, wird empfohlen. Dabei sollten Verzerrungen des Kreationismus kritisch behandelt werden.

Dabei müsse klargestellt werden, dass die These "Darwin beweist, dass es Gott nicht gibt" sowie der Standpunkt "Gott beweist, dass Darwin Unrecht hat" Fehlleistung seien. Für Kreationismus gebe es keinen Platz im evangelischen Religionsunterricht. Allenfalls für fächerverbindenden Unterricht, in dem unterschiedliche Zugänge zur Erklärung der Entstehung der Welt erörtert werden.

Schon auf der EKD-Synode in Dresden hatte der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, klare Trennlinien gezogen. Unter dem Stichwort Kreationismus würden die biblischen Schöpfungsberichte missbraucht, kritisierte er. Mit der Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung habe das Christentum immer wieder Schiffbruch erlitten. Mit derlei pseudowissenschaftlichen Theorien werde das Bündnis von Glauben und Vernunft aufgekündigt, gab Huber zu bedenken.

Ein aufgeklärter Gottesglaube braucht sich nach evangelischem Verständnis nicht vor der Naturwissenschaft zu verstecken, so der Tenor der EKD-Argumentationshilfe. Beide seien auf intensiven Dialog angewiesen. Für Naturwissenschaft und Schöpfungstheologie gebe es dringlichere Herausforderungen. Etwa die Fragen, ob und wie Leben und Überleben in einer gefährdeten Welt gesichert werden könne, mit welchen Mitteln den Folgen des Klimawandels begegnet werden soll und wie die Rechte künftiger Generationen zu wahren sind.

Auch hinsichtlich der Humangenetik seien gleichermaßen Antworten von Naturwissenschaftlern und Theologen gefragt. Indirekt kontern die Autoren damit dem Vorwurf von Kreationismus-Anhängern, die Evolutionstheorie höhle den Glauben aus. Vielmehr verstellt der Kreationismus laut EKD-Studie wissenschaftlich aufgeklärten Menschen den Zugang zum Glauben, indem er einen scheinbaren Widerspruch zur Wissenschaft konstruiere.

Hinweis: EKD-Texte 94, "Weltentstehung, Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube in der Schule", ist zum Preis von 0,60 Euro zu beziehen bei: Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, Fax: 0511/2796-457, Email: versand@ekd.de. (03695/1.4.2008)

01. April 2008


Das aktuelle Stichwort: Kreationismus und Intelligent Design

Hannover (epd). In sieben Tagen, so heißt es in der Bibel, hat Gott Himmel und Erde geschaffen. Die Kreationisten interpretieren die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich und lehnen die von Charles Darwin (1809-1882) begründete Evolutionstheorie ab. Vor allem in den USA gewinnen die Kreationisten (lateinisch: creare - erschaffen, schöpfen) immer mehr an Einfluss. Eine ihrer zentralen Forderungen ist die Verankerung der Schöpfungsgeschichte im Schulunterricht - nicht im Fach Religion, sondern in Biologie.

Ihr Hauptargument: Die verschiedenen Lebewesen sind so komplex, dass sie alleine mit der Evolutionstheorie nicht erklärbar sind. Am radikalsten legen die so genannten Junge-Erde-Kreationisten die Schöpfungsgeschichte aus. Sie glauben, die Erde sei erst 6.000 Jahre alt und in den biblischen sieben Tagen von Gott erschaffen worden. Nach den USA ist auch in Deutschland eine Debatte über Kreationismus aufgekommen.

Die akademische Variante des Kreationismus ist das "Intelligent Design"-Konzept, das nicht von Gott spricht, sondern von einer höheren Intelligenz, einem aktiv in die Schöpfung eingreifenden Designer. Vertreter dieses Konzeptes akzeptieren ein weitaus höheres Alter des Universums und die Anpassung der Lebewesen an ihre Umweltbedingungen. Der Kreationismus wurde von seinen Anhängern vor allem aus juristischen Gründen in "Intelligent Design" umbenannt, da US-Gerichte mehrfach religiöse Lehren an staatlichen Schulen untersagt hatten.

01. April 2008