Gemeinden nutzen ihre Gotteshäuser als Kolumbarien
Ein Grab in der Kirche
Von Thomas Morell (epd)
Urnengräber in einer Kirche einzurichten, war anfangs eine Idee notleidender Gemeinden. Mittlerweile ist das Interesse an Kolumbarien merklich gestiegen.
Lübeck (epd). Die Grabkammer von St. Jakobi ist ein schlichter Raum in der ansonsten prunkvoll gestalteten Lübecker Seefahrerkirche. Elf Stufen führen hinunter in das Kolumbarium. 14 Urnen sind hier beigesetzt. Etwa die Hälfte der Verstorbenen waren Kapitäne, Hafenarbeiter oder Hobby-Skipper.
Viele Menschen seiner Orts- und Seefahrer-Gemeinde wünschten sich ein pflegeleichtes Grab, weil sie keine Angehörigen haben oder die Kinder weggezogen sind, sagt Jakobi-Pastor Lutz Jedeck. "Sie möchten aber auch nicht anonym bestattet werden."
Das Kolumbarium in St. Jakobi befindet sich direkt unter der "Pamir-Kapelle", in der das zerbrochene Rettungsboot des gekenterten Großseglers "Pamir" ausgestellt ist. Für auswärtige Angehörige liegt das Kolumbarium zentral. Viele Besucher besuchen dann auch den Sonntagsgottesdienst oder die Orgelvesper, wie Jedeck beobachtet hat.
Kolumbarien gab es bereits im antiken Rom. In Reihen und übereinander legte man Grabkammern für Urnen an. Verwendet wurden sie vor allem für Sklaven und Freigelassene, die auf diese Weise kostengünstig bestattet wurden. Wegen der äußerlichen Ähnlichkeit nannte man diese Grabstätten "Columbarium", was ursprünglich "Taubenschlag" bedeutete.
In Europa war die Leichenverbrennung und damit die Urnenbestattung über Jahrhunderte hinweg zum Teil bei Todesstrafe verboten. Grund war der Glauben an die leibliche Auferstehung der Toten. Gelockert wurde das Verbot angesichts der Platznot der wachsenden Städte. Vor allem in Italien und Spanien prägen heute Kolumbarien die Friedhofskultur.
In Deutschland ist das erste Kolumbarium 1892 im thüringischen Gotha eröffnet worden. Bereits 1878 wurde hier das erste deutsche Krematorium gebaut, nachdem die Verbrennung von Leichen und die Urnen-Beisetzung der Asche gestattet worden war. Historische Kolumbarien finden sich auch auf dem Nordfriedhof von Wiesbaden, auf dem Leipziger Südfriedhof und auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde, wo es heute allerdings nicht mehr genutzt wird.
Dass Kolumbarien in einer Kirche liegen, ist in Deutschland noch vergleichsweise neu. 2004 wurde das erste dieser Art in der alt-katholischen Kirche in Krefeld eröffnet. Zwei Jahre später folgte die römisch-katholische St. Josef-Kirche in Aachen, für die es nach einer Gemeindefusion keine Verwendung mehr gab. Weitere Kolumbarien befinden sich in der katholischen Allerheiligenkirche in Erfurt, in der evangelischen Hoffnungskirche in Leverkusen und in der katholischen Hl. Herz Jesu-Kirche in Hannover.
Erstmals wird im nächsten Frühjahr ein Kolumbarium in einem Dom eröffnet. Unter dem Chor der katholischen Domkirche St. Marien in Hamburg stehen dann 1.540 Urnengräber zur Verfügung. Überwölbt werden sie von einem goldenen Marien-Mosaik. Die Grabstätte, sagt Domkapitular Thomas Benner, solle in erster Linie nicht ein Ort der Trauer, sondern ein "Ort der Hoffnung" sein.
Der Zuwachs an Bestattungen in Kolumbarien ist nach Einschätzung von Rolf Lichter, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, "exorbitant groß". Mittlerweile sei diese Art fester Bestandteil unter den Bestattungen. Grob geschätzt werde etwa jede zehnte Urne in einem Kolumbarium bestattet - in Städten eher mehr, auf dem Lande eher weniger.
Der Vertrag für das Kolumbarium werde meist schon zu Lebzeiten geschlossen, sagt Rainer Sörries, Direktor des Museums für Sepulkralkultur (Gräberkultur) in Kassel. Er gebe den Menschen die Sicherheit, dass ihre letzte Ruhestätte immer gepflegt sei. Eine Bestattung in einem Kirchenraum habe eine Qualität eigener Art.
Rolf Lichter erinnert daran, dass schon im Mittelalter Menschen in Kirchen bestattet wurden. Dieses Vorrecht sei damals aber Bischöfen und Landesherrn vorbehalten gewesen.
Auch wenn in Lübeck bislang erst 14 Urnen bestattet wurden, hat die Gemeinde bereits mehr als 100 der 350 Urnengräber verkauft. Der Wunsch, in St. Jakobi bestattet zu werden, sagt Pastor Jedeck, zeige eine tiefe Verbundenheit mit der Seefahrerkirche. Wenn die Nutzungsdauer nach 20 Jahren abgelaufen ist, endet die Verbundenheit mit dem historischen Gotteshaus nicht: Die Asche der Verstorbenen wird dann in den Boden der Kirche eingelassen.
27. Oktober 2011