Studie: Luthers berühmtester Choral wurde im Weltkrieg missbraucht
Freiburg (epd). Eine neue Studie zum nationalistisch-propagandistischen Missbrauch von Luther-Chorälen im Ersten Weltkrieg hat der Freiburger Forscher Michael Fischer vorgelegt. Dabei gehe es um eines der berühmtesten Lieder der Reformation, Martin Luthers "Ein feste Burg ist unser Gott", teilte die Universität Freiburg am Mittwoch mit. Besonders zu Beginn des Weltkrieges 1914 habe ein "kämpferischer Nationalprotestantismus" gesiegt und die letzte Zeile des Lieds "Das Reich muss uns doch bleiben" auf das Deutsche Kaiserreich bezogen.
Fischer, Geschäftsführender Direktor des Uni-Zentrums für Populäre Kultur und Musik, nennt es den Angaben zufolge aus heutiger Sicht "unerträglich, welchen ungestörten Dreiklang Religion, Nation und Krieg gebildet haben". Fischer wörtlich: "Martin Luther, der ein Glaubens- und Vertrauenslied dichten wollte, hätte sich wohl geschämt."
Schon vor dem Ersten Weltkrieg hat es laut Fischer Ereignisse gegeben, bei denen das Lutherlied politisch verwendet wurde - etwa in den antinapoleonischen Kriegen, beim Wartburgfest 1817, bei der Errichtung des Lutherdenkmals 1868 in Worms und bei der Reichsgründung 1870/71. Selbst liberale und revolutionäre Kräfte hätten sich vorübergehend des Chorals bedient.
Fischer hat seine Ergebnisse in der Studie "Religion, Nation, Krieg. Der Lutherchoral 'Ein feste Burg ist unser Gott' zwischen Befreiungskriegen und Erstem Weltkrieg" veröffentlicht. Ein dazu gehörendes Forschungsprojekt untersucht Formen nationaler und kriegerischer Deutung des Religiösen im frühen 20. Jahrhundert. Der Wissenschaftler will nach eigenen Angaben damit auch einen kritischen Beitrag zum anstehenden Jubiläum "500 Jahre Reformation" leisten.
13. August 2014