„Und das als erste Frau nach zehn Männern!“
Margot Käßmann über ihre Amtszeit als Ratsvorsitzende der EKD
„Das war ein Signal das auch mich in seiner Klarheit überrascht hat: schon im ersten Wahlgang wurde ich als einzige von den Kandidatinnen und Kandidaten in den Rat gewählt.“ So erinnert sich Margot Käßmann an ihre Wahl 2009 zur Vorsitzenden des Rates der Evaneglischen Kirche in Deutschland (EKD). Damit galt auch ihre Wahl als Ratsvorsitzende als sicher. „Und das als erste Frau nach zehn Männern und noch dazu geschieden!“ Das zeige, es habe sich in den vorangegangenen Jahrzehnten doch etwas bewegt.
Denn so einfach hatte es Käßmann nicht immer. Frauen wurden beargwöhnt, über ihr Mitwirken in Kirchenleitungen wurde immer wieder diskutiert. So trat die hannoversche Landesbischöfin 2002 nach 19 Jahren Mitgliedschaft aus dem Zentralausschuss des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) zurück, „weil da nicht unsere Gesprächskultur herrschte.“ Vor allem die orthodoxen Kirchen warfen der EKD vor, „sich dem westlichen Zeitgeist anzubiedern“, erinnert sich Käßmann, „dabei vertraten wir nur die lutherische Tauftheologie vom Priestertum aller Getauften.“
Zwischen Kirchentag und EKD
In der deutschen Ökumene habe es solche tiefgreifenden Zerwürfnisse nicht gegeben, blickt Käßmann zurück. „Die katholischen Bischöfe haben mich immer respektvoll behandelt.“ Allenfalls habe es auf evangelischer Seite in einer Art vorauseilenden Gehorsams manch Vorbehalte gegeben, ob in der direkten Begegnung der Kirchen eine Frau als Spitzenvertreterin die beste Wahl sei…
Die Wahl Käßmanns zur Ratsvorsitzenden hatte schon sechs Jahre Vorlauf – die Zeit, in der die hannoversche Bischöfin bereits im Rat mitgearbeitet hat. „Und seit 1991 war ich bei allen EKD-Synoden, zunächst als Gast.“ Als Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags hat sie allerdings auch zu spüren bekommen, dass nicht nur Harmonie mit der EKD bestand. „Manchem war wahrscheinlich die kreative Unruhe der Kirchentage nicht geheuer.“ Inzwischen hätten sich die Seiten aber soweit angenähert, dass beide von der jeweils anderen Seite profitierten. „Das wird sichtbar an der Vielfalt der Abendmahlsfeiern, wie sie einst nur auf Kirchentagen Angeboten wurden und heute in vielen Gemeinden alltäglich sind. Oder in der moderneren Musik. Nicht zuletzt ist auch die feministische Theologie in den Gemeinden angekommen.“
„Nichts ist gut in Afghanistan“ machte die Runde
Vor allem ein Zitat ist von Margot Käßmann kurzer Amtszeit im öffentlichen Gedächtnis hängengeblieben. „Leider immer nur in der verkürzten Form“, bedauert die damalige Ratsvorsitzende. „Nichts ist gut in Afghanistan“ machte die Runde in den Medien. „Dabei ist es aus dem Zusammenhang einer Neujahrspredigt gerissen und wurde später als ‚Einmischung in die Politik‘ skandalisiert.“ In der Tat hatte Käßmann als Ratsvorsitzende wie üblich am ersten Januar zweimal dieselbe Predigt zur Jahreslosung 2010 „Euer Herz erschrecke nicht – glaubt an Gott und glaubt an mich“ gehalten. Morgens im ZDF-Fernsehgeottesdienst, der ausder Dresdener Frauenkirche übertragen wurde, abends im Berliner Dom. Darin hat sie auch die soziale Lage der Kinder in Deutschland thematisiert („Nichts ist gut in Deutschland“) und den Klimawandel („Nichts ist gut in Sachen Klima“). „Eigentlich habe ich nur gesagt, wir sollen genauer hinschauen. Und das müssen wir immer noch, auch was den Afghanistaneinsatz betrifft, dazu stehe ich!“
Ihre kritische Haltung zum Kriegsdienst sei zudem auch schon vorher bekannt gewesen, ebenso wie ihre ablehnende Haltung zum Handel mit Waffen. „Wir können nicht den Krieg ablehnen, gleichzeitig aber zulassen, dass mit Waffen Geld verdient wird, auch wenn davon Arbeitsplätze abhängen.“
Streitbar war Käßmann auch in der Frage des gemeinsamen Gebets mit Muslimen und Juden. „Als ein interreligiöses Gebetbuch für die Bundeswehr vorgelegt wurde, wurde mir klar: Darin kann Jesus nicht vorkommen; für uns ist er Gottes Sohn, für andere ein Rabbiner oder ein Prophet. Selbstverständlich können wir beim Gebet der anderen voller Respekt dabei sei, wie zum Beispiel bei der Weltausstellung Reformation in Wittenberg, wo es am selben Tag und Ort eine Morgenandacht, das Freitagsgebet und abends ein Schabat Schalom gab.“ Schwierig könne auch sein, wenn eine entwidmete Kirche Moschee wird: „Jede Aufgabe einer Kirche ist mit Tränen verbunden. Eine Umwandlung in ein anderes Gotteshaus ist nur denkbar, wenn das für die ehemalige Gemeinde akzeptabel ist, nie aber gegen die Gefühle der Gemeinde.“
„Die Kirche lebt von engagierten Menschen“
Schon während ihrer Amtszeit im Rat der EKD widmete sich Käßmann dem 500-jährigen Jubiläum der Lutherischen Reformation. „Es war von Anfang an klar, dass es ein anderes Gedenken sei müsse als in den Jahrhunderten zuvor: nicht deutsch-national, nicht abgrenzend gegenüber anderen Konfessionen und gemeinsam mit allen EKD-Kirchen.“ Und rückblickend stellt sie, die nach ihrer Ratsvorsitz-Zeit „Botschafterin für das Reformationsjubiläum“ wurde, fest: „Es ist gelungen, ein stark ökumenisch und Internationales Fest zu begehen. Und durch die Schwerpunktsetzung der vorausgegangenen Themenjahre hat das Jubiläum dem Zusammenhalt in der EKD gedient.“
Die Kirche, so stellt Käßmann schließlich fest, lebe von engagierten Menschen – nicht nur an der Spitze. „Den meisten Respekt habe ich vor dem enormen Engagement der Ehrenamtlichen, die anders als die Hauptamtlichen ihre private freie Zeit und Energie investieren, um sich thematisch vorzubereiten und in die Gremien einzubringen.“ Das gelte ebenso für die Synoden als auch an der Gemeindebasis.
Michael Eberstein / EKD