Glaube beheimatet und öffnet: EKD und KRM erteilen Hass und Hetze eine Absage
Jährliches Spitzentreffen zwischen evangelischer Kirche und Koordinationsrat der Muslime in München
Vertreterinnen und Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des Koordinationsrates der Muslime (KRM) sind am Mittwoch in München zu ihrem jährlichen Gespräch zusammengekommen. Im Mittelpunkt stand dabei das Thema „Religiöse Heimat und Identität“. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten über Zugehörigkeit und Zuwanderung war man sich einig, dass die religiöse Verortung eines Menschen eine wichtige Rolle für seine Identität spielt. „Der Glaube schafft Beheimatung, aber nicht im engen Sinne eines Rückzugs auf die eigene Scholle, sondern im Sinne einer Vergewisserung, die auch mit Vielfalt und Veränderung offen und konstruktiv umgeht“, so der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. „Die Form von Identität und Heimat, die sich aus der christlich-jüdischen Tradition speist, taugt nicht als Mittel der Ausgrenzung, sondern sie ist Ausstrahlungsquelle einer Liebe, die Grenzen nicht aufrichtet, sondern überwindet.“
Die Sprecherin des KRM, Nurhan Soykan, verwies auf die Abgrenzungsdiskurse, die mit dem Heimatbegriff oft verbunden sind, und warb dafür, Menschen, die mehr als ein Mutter- oder Vaterland haben, als Bereicherung einer Gesellschaft zu erkennen. „Durch die fortlaufende Infragestellung gerade von Muslimen in Deutschland, die hier schon seit vielen Generationen leben, wird es ihnen erschwert, Deutschland als ihre Heimat zu begreifen. Gerade im öffentlichen Diskurs finden sich hartnäckige Narrative von Ausgrenzung und Ausschluss“, kritisiert Frau Soykan die derzeitige Situation. „Als Religionsgemeinschaften ist es unsere gemeinsame Aufgabe, diese negative Haltung zu überwinden und Raum für eine gemeinsame Heimat und eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.“
Übereinstimmungen zwischen Christentum und Islam wurden auch deutlich, als es um die Vorläufigkeit jeder irdischen Heimat ging. Die endgültige Heimat stehe immer noch aus, äußerten Theologen beider Religionen. Populistischen Tendenzen, die einer Überhöhung der je eigenen Nation das Wort reden, müsse aus religiöser Sicht eine klare Absage erteilt werden. Weltweit verbreitete Religionen wie das Christentum oder der Islam ließen sich weder auf eine bestimmte Nationalität noch auf eine bestimmte Herkunft oder Kultur begrenzen. Grenz- und länderüberschreitende Kontakte innerhalb einer Religion oder zwischen den Religionen gehörten daher zum Selbstverständnis der EKD wie des KRM. Die vielfältige Auslandsarbeit der EKD, aber auch zahlreiche Auslandskontakte der KRM-Verbände seien dafür sichtbare Belege.
Dass der Dialog in Deutschland in Übereinstimmung mit den Werten des Grundgesetzes geführt werden muss, ist im 70. Jahr seines Bestehens eine Selbstverständlichkeit, auf die sich EKD und KRM bereits 2015 in einem gemeinsamen Dialogratgeber verständigt hatten. „Hass und Hetze dürfen hier keinen Platz haben“, so die gemeinsame Überzeugung.
Gemeinsam begrüßten die Vertreterinnen und Vertreter von KRM und EKD die von einem italienischen Gericht angeordnete Freilassung der Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete: Zivile Seenotretter dürften nicht kriminalisiert werden. „Menschen aus Lebensgefahr zu retten, ist über alle Religionen hinweg ein Gebot der Menschlichkeit,“ so die Reaktion auf die Gerichtsentscheidung vom Vorabend.
Das Spitzengespräch zwischen EKD und muslimischen Verbänden findet seit 2005 mit je wechselnder Gastgeberschaft statt.
Hannover/München, 3. Juli 2019
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt