Militärbischöfe Overbeck und Rink äußern sich zu militärethischen Herausforderungen
Die Militärbischöfe der beiden Kirchen beziehen Stellung zu „Friedensethik und Innerer Führung“ in der Bundeswehr.
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages lässt die Kirchen ethisch zu Wort kommen: Dr. Hans-Peter Bartels hatte beide Militärbischöfe gebeten, im Jakob-Kaiser-Haus zu „Friedensethik und Innerer Führung“ Stellung zu beziehen. Friedenssicherung, Konflikte, ethische Legitimation der Bundeswehreinsätze nannte Bartels als Stichworte einer Debatte, die angesichts der Ausbreitung des Coronavirus vor leicht gelichteten Reihen stattfinden musste. Doch zeigte sich schnell, ethische Grundfragen sollten in der Bundeswehr des Öfteren angesprochen werden, denn sie berühren das militärische Handeln auf eigene Weise.
Das Prinzip von striktem Befehl und Gehorsam sei seit Aufstellung der Bundeswehr umstritten gewesen. Denn jeder Soldat müsse einen Maßstab von „Richtig und Falsch“, von „Gut und Böse“ in sich tragen, sagte Bartels zur Aufgabe der „Inneren Führung“. Einsätze seien dadurch abgesichert, dass die Bundeswehr als eine Bündnisarmee aufgestellt worden sei, nicht allein als eine nationale Streitmacht. „Die Bundeswehr ist ein funktionierender Teil der Gesellschaft“, sagte der jetzt 12. Wehrbeauftragte in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der Katholische Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck - schon seit zehn Jahren im Amt - maß friedensethischen Themen, der Frage eines Gerechten Friedens oder eines Gerechten Krieges Positives zu. Eine Welt ohne Konflikte gebe es nicht. Konflikte trügen ein positives Potential in sich. Einer konstruktiven Konfliktbearbeitung gelinge es deshalb, Tugenden in Menschen zu wecken. Ein Soldat müsse von der Gesinnung geprägt sein, Frieden bringen zu wollen. „Es geht darum, dass Soldaten ein Ethos entwickeln“, nannte das der Militärbischof. Er plädierte sicher auch aus aktuellem Anlass für einen Schutz des Lebens - und zwar bis zum Ende.
Militärbischof Dr. Sigurd Rink - fast sechs Jahre Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland in diesem Amt - ging auf Martin Luther und dessen Schrift „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können?“ zurück. Der Reformator habe schon an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit Kriterien für einen Gerechten Krieg benannt: Eine legitimierte Autorität, die den Krieg führt, eine realistische Aussicht auf Erfolg der Auseinandersetzung sowie die absolute Voraussetzung, dass ein Krieg allein als Verteidigungskrieg geführt werden dürfe. Heute gehe es oft um rechtserhaltende oder rechtserzwingende Gewalt, um Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Bei jeder Form von militärischer Auseinandersetzung gehe es um Friedensethik, aber auch um Militärethik, was im englischsprachigen Raum treffend mit „Military Ethics“ bezeichnet werde. „Wir sollten die Augen nicht verschließen vor den Herausforderungen an die Soldaten“, sagte er zur ethischen Verantwortung der Militärangehörigen.
In der anschließenden Debatte kamen mehrere Experten aus Bundeswehr und den Kirchen zu Wort: Rinks Votum von einer militärischen Berufsethik fand Zustimmung, denn Friedens- und Militärethik seien an sich keine Gegensätze, äußerte der Leitende wissenschaftlichen Direktor des Referates Seelsorge im Katholischen Militärbischofsamt (KMBA), Professor Dr. Thomas Elßner. Es wurde schließlich auch die Frage gestellt, ob es nicht ein „zu wenig“ an militärischen Kräften in internationalen Einsätzen gebe. Rink sagte dazu, der Erfolg von Einsätzen und Mandatierungen sei sehr unterschiedlich zu betrachten. Im Blick auf die Herausforderungen in den Ländern sei er im besten christlichen Sinn „demütig“ geworden.
Die Bischöfe haben jeder zum Thema ein Buch veröffentlicht: Franz-Josef Overbeck: Konstruktive Konfliktkultur. Friedensethische Standortbestimmung des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr. Verlag Herder, Freiburg 2019.
Sigurd Rink: Können Kriege gerecht sein? Glaube, Zweifel, Gewissen - Wie ich als Militärbischof nach Antworten suche. Ullstein Verlage Berlin 2019.