Eröffnung des Gottesdienstes im Magdeburger Dom zur Unterzeichnung der gegenseitigen Taufanerkennung
Wolfgang Huber
Die Vielfalt aufnehmen
Wolfgang Huber eröffnet Gottesdienst zur Unterzeichnung der gegenseitigen Taufanerkennung
Am 29. April haben die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Deutsche Bischofskonferenz, orthodoxe und altorientalische Kirchen sowie Freikirchen auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland eine förmliche Erklärung über die wechselseitige Anerkennung der Taufe unterzeichnet. Die Unterzeichnung der Vereinbarung fand im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes im Magdeburger Dom statt. Leitende Vertreter der elf beteiligten Kirchen und die versammelte Gemeinde wurde von dem Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber, begrüßt und in den Gottesdienst eingeführt. Wolfgang Huber sagte wörtlich:
„Als wir am 1. Juni 2003 vor dem Reichstag in Berlin zum Schlussgottesdienst des Ersten Ökumenischen Kirchentags versammelt waren, hörten wir Taufzeugnisse aus verschiedenen christlichen Kirchen. Und wir reichten einander Schalen mit Wasser weiter: als Symbol des Lebens, als Erinnerung an die Taufe, als Zeichen des Segens. Und als wir einander mit dem Wasser benetzten und ein Segenswort zusprachen, war die Hoffnung unter uns lebendig, dass die Taufe sich als ein kräftiges Band christlicher Einheit erweise. Daran knüpfen wir heute an.
Dabei leitet uns das Bekenntnis: „Jesus Christus ist unser Heil.“ Als Christen erwarten wir unser Heil von Gottes Sohn Jesus Christus. Das eint uns als christliche Kirchen. Alle Unterschiede, die uns im ökumenischen Miteinander unsere jeweilige Prägung geben, treten dahinter zurück.
„Jesus Christus ist unser Heil.“ Dieses Bekenntnis markiert auch den bleibenden Abstand des christlichen Glaubens zu anderen Religionen. Bei aller Offenheit für das interreligiöse Gespräch, bei aller Neugier auf gemeinsame Zugänge zu der einen Wahrheit lässt sich dies nicht verwischen. Denn das sagen wir nur als Christen, das sagen wir allein: „Jesus Christus ist unser Heil.“
Wer auf die Geschichte der Christenheit schaut, der sieht, wie vielfältig es in ihr seit ihren Anfängen zugegangen ist. Und wie schwer es war, die Einheit im Glauben so zu formulieren, dass möglichst viele zustimmen konnten. Deshalb ist es ein herausragendes Ereignis, wenn elf christliche Kirchen aus unterschiedlichen Traditionen einem gemeinsamen Text über die Taufe zustimmen.
Es war der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen, der die römisch-katholischen Bischofskonferenzen dazu anregte, in ihrem Gebiet die Initiative zu einer wechselseitigen Taufanerkennung zu ergreifen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat den von der Deutschen Bischofskonferenz aufgenommenen Impuls aus Rom sehr begrüßt und sich gern daran beteiligt. Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, in der auch Vertreter der Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland, der Evangelisch-methodistischen Kirche und der Altkatholischen Kirche mitarbeiteten. Gemeinsam mühte man sich um einen Text, in dem nicht nur die Taufe der jeweils anderen Kirchen anerkannt, sondern auch ein gemeinsames Grundverständnis der Taufe selbst zum Ausdruck kommen sollte. Die Basis dafür ist das gemeinsame Bekenntnis: „Jesus Christus ist unser Heil.“
Wir lassen uns dabei von einem Motiv leiten, das im Epheserbrief als „Band des Friedens“ bezeichnet wird, durch das die „Einigkeit im Geist“ deutlich wird: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen“ (Epheser 4,3-6). Prägnanter lässt sich nicht ausdrücken, warum eine wechselseitige Taufanerkennung möglich ist: Die Einheit der Taufe ist begründet in der Einheit Gottes; er selbst verbürgt die Einheit des Glaubens. Wer in einer der elf unterzeichnenden Kirchen getauft ist und in eine andere dieser Kirchen übertritt, wird nicht noch einmal getauft; denn seine Taufe ist einmalig und unwiederholbar.
Wir feiern die wechselseitige Anerkennung der Taufe an einem Ort von großer Symbolkraft. Wir versammeln uns um einen Taufstein , an dem seit einem Jahrtausend die Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes vollzogen wird! Noch vor der Trennung zwischen östlicher und westlicher Christenheit und lange vor dem reformatorischen Aufbruch des 16. Jahrhunderts diente dieser Taufstein der einen Taufe, zu der wir uns heute an ihm bekennen wollen.
Gewiss gehört es zur Wahrhaftigkeit einer solchen Stunde, sowohl die erreichte Nähe als auch die bleibende Unterschiedenheit unserer Kirchen wahrzunehmen. Im Bewusstsein unserer Vielfalt will ich an diesem Ort meiner großen Hoffnung Ausdruck verleihen, dass uns der heutige Schritt dazu ermutigt, auf dem Weg sichtbarer Gemeinschaft weiterzugehen und auch das Ziel der Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht aus den Augen zu verlieren.
Einige christliche Kirchen in Deutschland haben sich nicht dazu entschließen können, die wechselseitige Taufanerkennung zu unterzeichnen. Diese Entscheidung ist selbstverständlich zu respektieren. Dass ein Vertreter der täuferischen Kirchen mit einem Grußwort an diesem Gottesdienst beteiligt ist, ist eine umso größere Freude.
Die unterschiedlichen Prägungen der Kirchen, die sich in dieser wechselseitigen Taufanerkennung zusammenfinden, kommt auch in der Gestaltung der Liturgie zum Ausdruck, in der wir diesen Gottesdienst feiern. Ich lade Sie dazu ein, diese Vielfalt in sich aufzunehmen. Wenn wir so miteinander feiern, vergewissern wir uns des bisher Erreichten und schöpfen neue Kraft für unseren gemeinsamen Weg. Dabei bekennen wir miteinander: „Jesus Christus ist unser Heil.“ Gott nehme unser Bekenntnis gnädig an und segne unseren Gottesdienst. Amen.“