Predigt im Gottesdienst zur Eröffnung der EKD-Synode im Dom zu Magdeburg (Römer 6, 3–8)
Bischöfin Ilse Junkermann
(redigierte Fassung)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext: Römer 6, 3 – 8
3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?
4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.
5 Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.
6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen.
7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,
Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder hier im Dom zu Magdeburg und zu Hause!
"Ich hang und bleib auch hangen
an Christus als ein Glied.
Wo mein Haupt durch ist gangen,
da nimmt er mich auch mit.
Er reiset durch den Tod,
durch Welt, durch Sünd, durch Not.
Er reiset durch die Höll,
ich bin stets sein Gesell." (EG 112,6)
So schön dichtet Paul Gerhardt die eine Botschaft: Wer getauft ist, hängt an Christus Jesus.
Mir gefällt dieses Bild sehr: an Christus hängen.
Die schöne Gemeinschaft und ihre Zerstörung
So merkwürdig das zuerst in unseren Ohren klingen mag – es ist mitten aus dem Leben. "Ich häng an Dir so sehr", so kann ein Mann zu einer Frau, eine Frau zu einem Mann sagen. Das ist eine schöne Liebeserklärung. So hat Gott die Menschen erschaffen.
Ein Relief auf unserer Kanzel zeigt sehr schön: da hängen beide ineinander. Aus dem Mann heraus steigt die Frau. Gott, der Schöpfer, ist der segnende Dritte im Bunde. Wer daraus die abfällige Bezeichnung "Rippe" für die Frau macht, hat wenig davon verstanden, wie Gott die Menschen geschaffen hat: sie sind einander zugetan, sie hängen aneinander. Und sie kön-nen, als schöner Liebesakt, sich immer wieder vereinigen: in Gefühlen, im Gleichklang ihres Gemütes, als ganze Menschen auch mit ihren Körpern. So wunderschön kann es sein, wenn zwei Menschen einander zugetan sind und aneinander hängen.
Allerdings – wie schnell ist diese schöne Gemeinschaft gestört.
Im Relief daneben ist Gott nicht mehr der Dritte im Bunde. Dafür hängt eine Schlange im Baum. Und die Frau greift hin zu ihr. Die Schlange segnet nicht, wie zuvor Gottes Hand. Die Schlange gibt der Frau einen nur vermeintlichen Segen. Sie gibt ihr von den Früchten der Erkenntnis. Und der Mann hält seine Hand bereitwillig auf und nimmt die Frucht entgegen. Was aussieht, wie eine gute Kette des Gebens und Weitergebens, ist in Wahrheit die Kette der Sünde. Hier sehen wir: Sünde, das heißt nichts anderes als: ohne Gott leben. Mich nicht an sein Gebot halten. Selbst wie Gott werden wollen.
Ja, wie Gott werden, sich in seine Erkenntnis hinein verweben, das reizt. Unterscheiden können zwischen Gut und Böse – das macht unabhängig von Ihm und seiner Weisung zu einem guten Leben im Paradies. Das stellt auf die gleiche Stufe mit ihm. Fast scheint es, als habe der Künstler nun Eva an die Stelle des Schöpfers treten lassen. So ist die Gemeinschaft zwischen Menschen und Gott gestört.
Und zwischen den Menschen – wie sieht es da aus?
Wohl finden die beiden Menschen wieder zu einer Gemeinschaft. Allerdings: zu was für einer! Es wird eine Gemeinschaft der Sünde.
Ja, sie bleiben beieinander. Aber wie!
Am Ende schiebt der eine dem andern die Schuld zu. Seitdem ist es ein großes Glück, wenn zwei sich finden und einer dem andern zugetan ist und zugetan bleibt.
Die gestörte Gemeinschaft und ihre Folgen
Die Gemeinschaft ist gestört. Und das hat Folgen. Wohl haben die Menschen seitdem große Erkenntniskraft. Sie können unterscheiden zwischen Gut und Böse. Sie können die Welt analysieren. Sie können selbst kreativ und konstruktiv handeln.
Immer wieder staune ich, wenn ich hier in den Dom komme, mit welcher menschlichen Kunstfertigkeit er vor 800 Jahren gebaut wurde. Schauen Sie die hohen Bögen, die lichten Mauern an! Allerdings gilt seitdem auch das andere: der Mensch setzt sich an Gottes Stelle. Und dabei - übernimmt er sich. Er ist nicht Gott. Er ist nicht allmächtig. Und auch wenn wir Gutes und Großes wollen – wir zerstören damit auch immer zugleich.
Der Mensch setzt sich an Gottes Stelle. Und dabei verliert er jeden verlässlichen Halt. Er hält sich fest an seinen Taten und an seinen Gütern. Das geht nicht gut. Ein drittes Relief am Aufgang dieser Kanzel zeigt: die große Flut kommt über die Erde. Die Hände, die nach Halt suchen, greifen ins Leere. Zu spät merken die Menschen: ohne Gott haben wir keinen Halt: Das einzige, was rettet, ist die Arche, die – Gott hat bauen lassen.
Liebe Geschwister, das ist eine schlimme Geschichte, die von der Sintflut. Und es ist eine schöne Geschichte. Denn sie erzählt uns, wie Gott sich eines anderen besinnt, ja, wie er sich ändert. So zornig wie er war – so zornig will er nie mehr sein. Dafür setzt er einen Regenbo-gen als Zeichen: Er will Friede mit den Menschen, keinen Streit, keinen Untergang.
Aber, werden Sie sagen: „So viele Fluten und Unheil bleiben auf der Erde.“ Ja, wir sehen in diesen Monaten, wie unsere reichen Länder, ja, die reichen in Schulden ersaufen. Wie Wirt-schaften und Länder unterzugehen drohen in Überschuldung. Wir sehen und erkennen so klar, wie wir über unsere Verhältnisse leben und immer noch auf weiteres Wachstum setzen – als gäbe es keinerlei Grenzen. Wir sehen, wie die einen in immer mehr Geld und Gütern schwimmen – und die anderen in ihrer Armut untergehen. Das sehen wir weltweit. Das sehen wir in unserem Land.
Gestörte Gemeinschaft – darin liegt der Kern des Unglücks.
Ob die Rettungsschirme die Hilfe vor dem Untergehen bringen? Ich finde es wirklich gut, dass die verantwortlichen Politiker in dieser Situation auf Gemeinschaft setzen und nicht einzelne Interessen durchsetzen. Doch: wer wird gerettet – und wer nicht? Werden die in den Banken und Börsen Verantwortlichen und die vielen kleinen und großen Anleger die Kehrseiten ihres Handelns sehen und umkehren zu Regeln, die das Interesse aller vertreten? Wann wird das wieder eine Tugend: sich selbst begrenzen können? Wenn wir uns an uns allein halten – dann gehen wir unter in der Flut der Fragen und Probleme. Wie kommen wir da raus? Wer holt uns da raus?
Gott gibt und schafft neue Gemeinschaft
Es ist ein großes Glück, dass Gott so sehr an den Menschen hängt! Er hängt so sehr an sei-nen Menschen, dass er wird wie sie – ein Mensch. Er wird der Menschen Geselle. Jesus lebt uns menschliches Leben in Gemeinschaft mit Gott vor. Er verführt uns gerade nicht zu Idea-len und Perfektion. Sein Kreuz zeigt uns: wir haben kein perfektes Leben. So vieles wird durchkreuzt. An so vielem scheitern wir. Genau das alles nimmt er auf sich. Genau das alles ist mit seinem Tod begraben.
Die Taufe ist eine Taufe in den Tod – und wird ein Weg in ein neues Leben. An unserem großen Taufstein können wir sehen: Hier kann ein Täufling ganz untergetaucht werden – zum Zeichen: ja, die große Flut kommt über Dich. In der Taufe – da stirbt der Mensch, der sein will wie Gott. Und zugleich gilt: Das Wasser wird zum Wasser des Lebens. Denn in diesem Tod ist der Gekreuzigte neben Dir. Und aus diesem Tod, da holt Dich der Gekreuzigte und Auferstandene heraus zu einem neuen Leben. Er ist dein Geselle. An ihn kannst Du Dich hängen. Im Tod und auch im Leben.
So können wir an Jesu Seite in einem neuen Leben wandeln und als Jesu Geselle unseren Lebensweg gehen und in diesem Vertrauen sterben: "... ich bin stets sein Gesell." In dieser Gemeinschaft sind wir frei von den Mächten des Todes, von allen anderen Mächten. Und das liebe Gemeinde der Getauften, das kann man auch merken. Es ist eine Gemeinschaft, die sich immer wieder mit den Mächten des Todes auseinandersetzt, gebunden allein an Gott und seine Gebote zum Leben. Ja, noch sind wir unterwegs in der alten Schöpfung. Noch "will das alte unsere Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last" (EG 65,2). Noch kriechen wir täglich aus der Taufe, wie Martin Luther schreibt.
Und zugleich gilt: Schon...
Schon sind wir frei von Last, weil Gott uns nicht auf unsere Taten oder unser Versagen fest legt. Schon gehen wir als Christi Geselle unsere Wege in dieser Welt. Schon leben wir an seiner Seite die neue Gemeinschaft – die nicht mehr trennt in Rassen und Klassen und Ge-schlecht, in Leistungsträger und sogenannte Versager. Schon teilen wir die Güter gerecht –
So lasst uns, bei Christus eingehängt, dorthin gehen, wo er uns braucht für seine Welt. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.