Predigt über Richter 7,1-8 im Rahmen der Tagung "Zwischen Taufschein und Reich Gottes. Kirchenmitgliedschaft im Spannungsfeld von Freiheit und Verbindlichkeit"

Hermann Barth

Vom 28. bis 30. September 2007 auf Schwanenwerder

Da machte sich Jerubbaal - das ist Gideon - früh auf und das ganze Kriegsvolk, das mit ihm war, und sie lagerten sich an der Quelle Harod, so dass er das Heerlager der Midianiter nördlich von dem Hügel More im Tal hatte. Der Herr aber sprach zu Gideon: Zu zahlreich ist das Volk, das bei dir ist, als dass ich Midian in seine Hände geben sollte; Israel könnte sich rühmen wider mich und sagen: Meine Hand hat mich errettet. So lass nun ausrufen vor den Ohren des Volks: Wer ängstlich und verzagt ist, der kehre um. So sichtete sie Gideon. Da kehrten vom Kriegsvolk zweiundzwanzigtausend um, so dass nur zehntausend übrigblieben. Und der Herr sprach zu Gideon: Das Volk ist noch zu zahlreich. Führe sie hinab ans Wasser, dort will ich sie dir sichten, und von wem ich dir sagen werde, dass er mit dir ziehen soll, der soll mit dir ziehen; von wem ich aber sagen werde, dass er nicht mit dir ziehen soll, der soll nicht mitziehen. Und er führte das Volk hinab ans Wasser. Und der Herr sprach zu Gideon: Wer mit seiner Zunge Wasser leckt, wie ein Hund leckt, den stelle besonders; ebenso, wer niederkniet, um zu trinken. Da war die Zahl derer, die geleckt hatten, dreihundert Mann. Alles übrige Volk hatte kniend getrunken aus der Hand zum Mund. Und der Herr sprach zu Gideon: Durch die dreihundert Mann, die geleckt haben, will ich euch erretten und die Midianiter in deine Hände geben; aber alles übrige Volk lass gehen an seinen Ort. Und sie nahmen die Verpflegung des Volks und ihre Posaunen an sich. Aber die übrigen Israeliten ließ er alle gehen, jeden in sein Zelt; die dreihundert Mann aber behielt er bei sich. Und das Heer der Midianiter lag unten vor ihm in der Ebene.


Liebe Gemeinde!

Es wäre nicht verwunderlich, wenn der eine und die andere - oder Sie alle - bei der Lesung des Predigttextes, von Vers zu Vers mehr, sich des Gedankens erwehren mussten: Wie um alles in der Welt kann jemand bei der Vorbereitung des heutigen Gottesdienstes auf diesen Bibelabschnitt verfallen? Robert Leicht war, glaube ich, ganz froh, dass dieser Kelch an ihm vorüberging. Meine erste Reaktion auf die Auswahl war: "Ich hätte mir diesen Text nicht selbst ausgesucht." Genau das ist allerdings auch das stärkste Motiv, mich auf den Vorschlag einzulassen. Er ist eine echte challenge, und die Spannungsmomente, die in dieser Situation stecken, haben, manchmal, auch etwas Produktives. Denn immer dann, wenn ich den Predigttext völlig frei auswählen kann, droht das Wort Gottes zum Verstärker meiner vorgefassten Meinungen und Absichten zu werden: Ich weiß dann schon in etwa, was ich bei der Gelegenheit und zu dem Thema sagen will, und die Bibel taugt nur noch dazu, mir eine Art Heiligenschein für meine mitgebrachten Gedanken zu besorgen. Diese Gefahr liegt beim heutigen Predigttext eher fern, und Sie haben allen Grund, gespannt zu sein, wie meine response auf diese challenge ausfallen wird.

Der Bibelabschnitt wirkt streckenweise geradezu skurril. Aber nur befremdlich ist er keineswegs. Nach der Angabe der handelnden Personen und des Ortes fällt ein vertrautes Stichwort: "sich rühmen". Damit kennen wir uns doch aus: dass Menschen sich rühmen, dass sie einem Drang unterliegen, sich zu rühmen, dass sie sich dabei nicht selten mit fremden Federn schmücken, sich also auf Kosten anderer oder wider andere rühmen. Auch Gott kann der Konkurrent um den Ruhm werden, jedenfalls als solcher empfunden werden. Der Predigttext erzählt davon, wie Gott die Israeliten davor bewahrt, sich 'wider ihn zu rühmen', sich etwas zuzuschreiben, was sie gar nicht in der Hand haben - und dieser Gedanke führt schnurgerade in die Thematik unserer Tagung. Vielleicht nicht direkt in die Frage nach der "Kirchenmitgliedschaft im Spannungsfeld von Freiheit und Verbindlichkeit". Aber in der Einladung zur Tagung hieß es ausdrücklich: "Wir verknüpfen" die Frage der Kirchenmitgliedschaft "mit den Diskussionen über den Reformprozess innerhalb der EKD. Dabei wollen wir über die eigene Zukunft als Kirche nachdenken". Und da brauchen wir nach Querverbindungen zum Predigttext nicht lange zu suchen. Was ist doch gleich dem Impulspapier des Rates nachgesagt worden? Qualitätsmanagement statt der Bitte um den Heiligen Geist. Das klingt wie: Die EKD 'könnte sich rühmen wider Gott und sagen: Meine Hand hat mich errettet!' Und Hans Christian Knuth hat nach dem Zukunftskongress von Wittenberg die Leser der FAZ beschworen: "Wir dürfen uns kein Effektivitätskriterium einreden lassen, nach dem die Stabilisierung der Kirchenmitgliedschaft das oberste Ziel ist ... Die Kirche in der DDR war sehr klein, doch öffentlich enorm wirksam." Klingt das nicht wie Gottes Rede an Gideon: "Zu zahlreich ist das Volk, das bei dir ist"?

I

Die Gideonerzählung, und mit ihr der Predigttext, entstammt jenem Teil des Alten Testaments, in dem - in einem Maße, das uns immer wieder unheimlich und unangenehm ist - Kriegsgeschichten dominieren. Es sind freilich Kriegsgeschichten besonderer Art. Sie stellen nicht Geschichtsschreibung dar, sondern sind - nachträglich - nach einem bestimmten Muster stilisiert. Die Bibelwissenschaft hat es die Vorstellung vom heiligen Krieg genannt. Aber wird das von der Auswahl des Predigttextes verursachte Dilemma damit nicht noch größer? Das scheint nur so. Denn die Vorstellung, die den Großteil der einschlägigen Texte des Alten Testaments prägt und für die der religionsgeschichtliche Begriff vom heiligen Krieg nur sehr begrenzt taugt, unterscheidet sich tief vom Dschihad, ja von jeder üblichen Kriegsideologie. Denn sie befeuert nicht den Einsatzwillen und die Leidenschaft der Kämpfer, etwa durch die Aussicht auf paradiesischen Lohn, sie facht nicht ihren Fanatismus an, sondern sie drängt den menschlichen Anteil am Kriegsgeschehen und am Erfolg stark zurück. Jahwe allein ist der Handelnde, er wird den Feind in Israels Hände geben, Israel fällt der Sieg gewissermaßen in den Schoß, darum soll es sich nicht fürchten, sondern an Jahwe glauben. Diese Vorstellungselemente sind - so könnte man es zuspitzen - ein Virus, der die Logik des Krieges von innen her zersetzt. Mit ihnen ist man gar nicht so weit weg von der prophetischen Warnung, nur ja nicht auf militärische Stärke zu vertrauen: "Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht" (Jesaja 8,9). "Weh denen, die ... sich verlassen auf Rosse und hoffen auf Wagen, weil ihrer viele sind ... Aber sie halten sich nicht zum Heiligen Israels" (Jesaja 31,1).

Im Predigttext wird das Abrücken vom Vertrauen auf die eigene Stärke an dem erzählerischen Zug überdeutlich, das Kriegsvolk auf eine lachhafte Größe zu reduzieren. Um es auf die Spitze zu treiben, wird am Ende ein ganz und gar absurdes Auswahlkriterium angewendet, sozusagen nicht best practice, sondern least best practice. Der Ausgangspunkt ist die Vorgabe Gottes: "Zu zahlreich ist das Kriegsvolk, das bei dir ist, als dass ich Midian in seine Hände geben sollte; Israel könnte sich rühmen wider mich". Diese Vorgabe führt zu zwei Sichtungs- und Reduzierungsschritten. Der erste scheint noch durchaus rational zu sein: „Wer ängstlich und verzagt ist, der kehre um“. Von diesem ersten Schritt wird ausdrücklich gesagt: „So sichtete sie Gideon.“ Das quantitative Ausmaß der Reduzierung freilich ist, nach dem Maßstab militärischer Logik, besorgniserregend: von 32.000 auf 10.000, eine Reduzierung um mehr als zwei Drittel. Aber Gott ist das noch nicht genug: „Das Kriegsvolk ist noch zu zahlreich. Führe sie hinab ans Wasser; dort will ich sie dir sichten." Über die Technik des Wassertrinkens als Auswahlkriterium ist in der Bibelauslegung viel spekuliert worden. Schade, dass jetzt keine Gelegenheit ist, um ein paar der skurrilsten und verrücktesten Hypothesen vorzuführen. Dies jedoch ist  sicher: Die zweite Reduzierungsstufe spricht aller militärischen Rationalität Hohn, jetzt geht es noch einmal von 10.000 auf 300 herunter, so dass bezogen auf die anfängliche Größenordnung weniger als 1% übrigbleibt, und unter qualitativen Gesichtspunkten erhalten diejenigen den Vorzug, die sich beim Wassertrinken an der Quelle am ungeschicktesten anstellen. Auf den Vergleich mit den das Wasser aufleckenden Hunden anspielend könnte man formulieren: Jetzt ist Israel "auf den Hund gekommen". Und jetzt ist wirklich Vorsorge getroffen, dass Israel sich nicht rühmen kann wider Gott.

II

Was für ein Licht fällt von daher auf den Reformprozess? Muss auch die evangelische Kirche erst "auf den Hund kommen", bevor sie reif ist, Hilfe allein von Gott zu erwarten? Muss sie erst einmal kleiner und ärmer und sowohl in rechtlicher wie in politischer Hinsicht auf einen status quo minus reduziert werden, bevor es mit ihr besser wird? Manche Diskussionsbeiträge im Reformprozess haben diese Tendenz. Es gibt beim Nachdenken über die Zukunft der Kirche eine eigentümliche Verliebtheit in die Kirche der kleinen Zahl und ein erstaunliches Zutrauen in die spirituelle Stärke materiell armer Gemeinden und leicht mobilisierbare ungute Gefühle gegenüber der institutionellen Verflechtung von Kirche und Staat. Übrigens nicht nur im Raum der evangelischen, sondern auch an der Spitze der römisch-katholischen Kirche. Wer verstehen will, welche Prioritäten der gegenwärtige Papst setzt und wo sein Herz schlägt - flapsig gesagt: wie er "tickt" -, der tut gut daran, das große, unter dem Titel "Salz der Erde" in Buchform erschienene Interview nachzulesen, das er vor mehr als zehn Jahren gegeben hat.

Dies ist nicht der Ort, der Frage nachzugehen, ob sich die der beschriebenen Tendenz zu-grundeliegenden Annahmen auf Erfahrung berufen können, ob sie also Anhalt haben an historischen und aktuellen Entwicklungen. Ich glaube es eher nicht. Uns ist vielmehr die Frage aufgegeben, welches Licht die Heilige Schrift - und konkret: dieser ungewöhnliche Predigttext - auf die Sache wirft. Dabei dürfen wir nicht zusammenzwingen, was nicht zusammengehört. Der Reformprozess mag von verdeckten Richtungskämpfen bestimmt sein, aber mit militärischer Taktik und kriegerischen Auseinandersetzungen hat er wahrlich nichts zu tun. Diese Züge der Gideonerzählung können wir für heute auf sich beruhen lassen. Die Zeiten der allegorischen Bibelauslegung sind vorbei. Das theologische und geistliche Kraftzentrum des Predigttextes aber, das Vertrauen auf die Rettung, die allein von Gott kommt, und die Warnung vor dem Sich-Rühmen wider Gott - das sind Orientierungspunkte, die weit über die konkreten Umstände der Gideonerzählung hinausweisen und auch ausstrahlen auf den Reformprozess. Schon insofern, als sich bei dieser Betrachtung die Verliebtheit in die kleine Zahl und die pauschale Erwartung, mit materieller Armut gehe ein Mehr an spiritueller Stärke einher, als ein paradoxes Sich-Rühmen wider Gott erweisen. Denn der kleinen Zahl und der materiellen Armut wird als solchen offenbar die besondere Nähe  Gottes zugeschrieben und zugesagt.

Das Thema des richtigen und des falschen Rühmens ist in der Heiligen Schrift keineswegs ein Nebengedanke. Vielmehr taucht es gleich mehrfach auf, und dies sowohl im Alten wie im Neuen Testament.

Im Buch des Propheten Jeremia (9,22f) wird das Gotteswort überliefert:

Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne.

Und der Apostel Paulus knüpft daran unmittelbar an, wenn er der Gemeinde zu Korinth (1. Korinther 1,26-31) schreibt:

Seht doch auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, damit, wie geschrieben steht [im Buch des Propheten Jeremia]: 'Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!'"

III

Überall, wo in der Heiligen Schrift das Thema des falschen und des richtigen Rühmens auftaucht, geht es um das Zusammenspiel von Gott und Mensch. Der Leitton ist: An Gottes Segen ist alles gelegen; wer sich rühmt, der rühme sich Gottes. Aber dabei verschwindet der Mensch nicht in der Belanglosigkeit. Er wird gewürdigt, Gottes Mitarbeiter zu sein.

Das gilt sogar noch für den Predigttext, wo die menschliche Mitwirkung auf den Promillebereich reduziert wird. Aber immerhin: Gideon und die aus der Sichtung übrigbleibenden 300 spielen als menschliche Akteure in dem Geschehen eine Rolle. Gott macht es nicht alleine. Er will Menschen in Anspruch nehmen, er will ihre Gaben und Fähigkeiten gebrauchen.

Das wird in den paulinischen und den nachpaulinischen Schriften noch viel deutlicher. Bei den verschiedenen Diensten in der Gemeinde achtet Paulus sehr wohl auf die Eignung der Personen, die den jeweiligen Dienst leisten. Es macht also einen Unterschied, ob jemand seine Aufgabe gut oder schlecht erledigt. Der Gedanke der unterschiedlichen Charismen ist an der individuellen Befähigung orientiert. Betont stellt Paulus die rhetorische Frage: „Sind alle Apostel? Sind alle Propheten? Sind alle Lehrer? ... Haben alle die Gabe, gesund zu machen? ... Können alle auslegen?“ (1. Korinther 12,29f)  In den späteren Briefen des Neuen Testaments werden die Auswahlkriterien für die einzelnen Funktionen in der Gemeinde immer differenzierter thematisiert. Die sorgfältige Auswahl und auch die Bemühungen um eine Verbesserung der Eignung vermögen freilich nur so viel, wie es menschenmöglich ist. Dass die Saat der Verkündigung oder der Lehre oder der Reform aufgeht, können sie nicht gewährleisten. In den Worten des Paulus: „So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt“ (1. Korinther 3,8).

Die biblische Lektion zum Rühmen hat im Reformprozess von vornherein ihre Spuren hinterlassen. Ich zitiere noch einmal die Stelle aus dem Impulspapier (S. 33f), die schon zum Beginn der Tagung eine Rolle gespielt hat:

Die sichtbare Kirche ... bleibt auch in allem ... Scheitern an Aufgaben und aller Stagnation ein ... Zeichen der Zuwendung Gottes, dem eine Kraft zugesprochen ist, die größer ist als unsere Möglichkeiten. Denn "Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig" ... Die Gegenwart seines Evangeliums ist nicht gebunden an leuchtende Kirchen oder wirkmächtige Predigten. Dies aber ist ein Satz über die Freiheit Gottes, nicht über die Entlastung von der Aufgabe, die Kirche nach bestem Wissen und Gewissen einladend zu gestalten.

Dieser deutliche Akzent ist um so wichtiger, weil sich das Impulspapier in einem relativ breiten Umfang jedenfalls einer Sprache, manche sagen: auch eines Denkens bedient hat, die aus dem Bereich der Wirtschaft und Unternehmensberatung stammen. Aber das Maß, in dem Ursachen analysierbar und Reformschritte planbar und umsetzbar sind, ist zwischen wirtschaftlichen Unternehmen und der Kirche Jesu Christi unterschiedlich, sehr unterschiedlich. Ob es wirklich nötig und vor allem klug war, jedes der 12 Leuchtfeuer mit einer aus der Perspektive des Jahres 2030 formulierten Erfolgsmeldung zu eröffnen, steht dahin. Es ist jedenfalls ein Darstellungselement, in dem die Unterscheidung zwischen der Freiheit Gottes und den menschlichen Möglichkeiten verloren zu gehen droht. Was können wir denn wirklich darüber wissen oder auch nur vermuten, was aus unseren klugen und ehrgeizigen Reformüberlegungen wird? Wenn wir uns an dem orientieren, was Paulus nach Korinth schreibt, dann müssen wir es als mindestens genauso möglich und wahrscheinlich ansehen, dass sich in den kommenden 25 Jahren das bewährt und durchsetzt, was heute als töricht und unergiebig und wertlos verkannt wird. "Heiland", so haben wir mit Worten von Albert Knapp gesungen,

Heiland, deine größten Dinge beginnest du still und geringe.
Was sind wir Armen, Herr, vor dir? ... Auf deine Kraft vertrauen wir.
Dein Senfkorn, arm und klein, wächst ohne großen Schein
doch zum Baume, weil du, Herr Christ, sein Hüter bist,
dem es von Gott vertrauet ist (EG 256,2).

Wer mit dieser Einstellung und Zuversicht in den Reformprozess hineingeht, wird frei davon bleiben, seine - sorgsam entwickelten und schon darum heiß geliebten - Reformvorstellungen verbissen zu verfolgen, und achthaben darauf, welchen Weg Gott seine Kirche führt. Denn es geht ihm nicht darum, dass ein bestimmtes Programm umgesetzt und durchgehalten wird, sondern darum, den Spuren des Handelns Gottes zu folgen. "Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und Gott kenne" (Jeremia 9,23). Das Impulspapier hatte mit gewisser Notwendigkeit den Charakter einer kirchenpolitischen Programmschrift. Es legte das Gewicht auf die Analyse der Situation und die Vorstellung von Reformschritten und Reformzielen. Aber der Sache nach ist es nicht weniger Bitte um den schöpferischen Geist Gottes als Entfaltung eines Programms. Die Arbeit an der Umsetzung der Reformschritte und Reformziele, die wir nach bestem Wissen und Gewissen ersonnen haben und mit allen Kräften zu realisieren suchen, ist darum angewiesen auf die Begleitung und Stützung durch unser unaufhörliches Gebet, unser eigenes Gebet ebenso wie das Gebet der ganzen Kirche. Denn, du Geist voll Rat und Tat,

ohn dein Beistand, Hilf und Gunst
ist all unser Tun und Kunst
vor Gott ganz und gar umsonst (EG 128,4).

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Und weiter, liebe Brüder und Schwestern:
Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob - darauf seid bedacht.
Amen.