„Abschiebungen in Elend und Perspektivlosigkeit müssen gestoppt werden.“
Kirchen sprechen sich im Vorfeld der Innenministerkonferenz für einen humanitären Umgang mit Minderheiten aus dem Kosovo aus
Die Vorsitzenden der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle und der hessen-nassauische Kirchenpräsident Dr. Volker Jung, haben sich besorgt über die drohende Abschiebung von Angehörigen der Minderheiten und besonders verletzlichen Personengruppen aus dem Kosovo geäußert.
Zahlreiche internationale Hilfsorganisationen haben in den letzten Monaten wiederholt und eindringlich auf die schwerwiegende Diskriminierung von Minderheiten sowie auf die prekäre wirtschaftliche und soziale Lage hingewiesen, in die Angehörige von Minderheiten im Falle einer Abschiebung geraten. Besonders gilt dies für Roma und Ashkali sowie – unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit – für alte, schwer erkrankte und traumatisierte Menschen. Auch kirchliche Organisationen wie der Deutsche Caritasverband und das Diakonische Werk bestätigen diese Einschätzungen aus eigener Kenntnis der Situation vor Ort.
Nach Ansicht der beiden hochrangigen Kirchenvertreter leiden besonders Kinder und Jugendliche, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, an den Folgen der Abschiebung in den Kosovo. Sie müssen, wie eine Studie des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) nachweist, bei einer Rückkehr in den Kosovo häufig ihre Schulausbildung abbrechen. „Kinder in eine solche Perspektivlosigkeit zurückzuschicken, ist mit unserem Verständnis einer humanitär verantwortbaren Vorgehensweise nicht zu vereinbaren“, mahnte Bischof Norbert Trelle: „Abgeschoben werden darf nur, wenn für die Betroffenen eine Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich ist.“ Kirchenpräsident Dr. Volker Jung ergänzt: „Besonders schutzbedürftige Gruppen wie alte, kranke und traumatisierte Menschen sowie alleinerziehende Mütter sollten nicht abgeschoben werden. Wir begrüßen es daher, dass einige Landesregierungen, wie in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, auf die vorgetragenen Bedenken reagiert haben und besonders sorgfältige Einzelfallprüfungen angeordnet haben. Nun sind auch die übrigen Bundesländer gefordert, von solchen Abschiebungen ins Elend abzusehen.“
Trelle und Jung appellierten auch an die Innenministerkonferenz, bei Entscheidungen über Abschiebungen die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien angekündigte Bleiberechtslösung für langjährig Geduldete im Blick zu haben, über die eine endgültige Entscheidung noch aussteht. Die Vorsitzenden der kirchlichen Kommissionen kündigten an, die politische Diskussion über eine solche Lösung kritisch und konstruktiv zu begleiten: „Menschen, die sich um Integration bemühen, haben eine verlässliche Zukunftsperspektive verdient. Auch für humanitäre Härtefälle müssen angemessene Lösungen gefunden werden.“
Hintergrund:
Im Laufe der gewalttätigen Konflikte im Zusammenhang mit dem Zerfall Jugoslawiens hatte während der 1990er Jahre eine große Zahl von Flüchtlingen in Deutschland Zuflucht gefunden. Vor allem Roma und Angehörige von Minderheiten aus dem Kosovo konnten wegen der unsicheren politischen Lage bisher nicht in ihre Herkunftsregion zurückkehren und wurden geduldet. In Deutschland leben nach Angaben der Bundesregierung derzeit ca. 14.000 ausreisepflichtige Menschen aus dem Kosovo, darunter fast 10.000 Roma.
Die Migrationskommission unter dem Vorsitz von Bischof Norbert Trelle (Hildesheim) bearbeitet in der Deutschen Bischofskonferenz die gesellschaftlichen und politischen Fragen von Migration und Integration. Sie ist darüber hinaus für die Seelsorge für Katholiken anderer Muttersprache und die Seelsorge für deutsche Katholiken im Ausland zuständig.
Die Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland unter dem Vorsitz von Kirchenpräsident Dr. Volker Jung (Darmstadt) ist ein berufenes Gremium evangelischer Expertinnen und Experten, das den Rat der EKD in Fragen zu Migration, Integration und Flüchtlingsschutz berät.
Hannover, 17. November 2010
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick