Überlegungen zum Stand der Ökumene - Vortrag vor der Hamburgischen Kommende des Johanniterordens
Wolfgang Huber
I.
Wer in einer Stadt wie Hamburg lebt, weiß, dass es keinen Stillstand geben kann. Schon ein Blick auf die Elbe macht dies deutlich: Ist sie doch wie jeder Wasserlauf ein Sinnbild für stete Veränderungen. Zwar verlässt man sich in der Regel darauf, dass die Veränderungen eines Flusses ungefährlich sind und zu seinem Wesen gehören; man hat sich darauf eingestellt, dass die Bewegungen sich innerhalb des vorgegebenen Flussbetts vollziehen. Sicher ist das nicht. Hamburg war auch schon Zeuge einer lebensbedrohlichen Flut; und die Elbe hat genau vor fünf Jahren ein Hochwasser erlebt, an das sich gerade in diesen Wochen wieder viele erinnert haben. Unsicher fühlt sich, wer am Wasser lebt, wenn die Wellen so hoch schlagen, dass sie das gewohnte Bett verlassen.
Eine solche Welle hat die Ökumene in den vergangenen Wochen erlebt. Noch ist die Diskussion darüber in vollem Gange, ob die jüngsten Äußerungen der Glaubenskongregation nur kräftiges Plätschern im Fluss einer unveränderten Gesprächslage bedeuten, oder ob das bewusste und pointierte Wiederholen von Äußerungen aus dem Jahr 2000 das Wasser über die Fluten treten ließ und – um das Bild in einer etwas gewagten Weise weiterzuführen – das ökumenische Parkett überflutet hat. Denn schon in der vom damaligen Kardinal Ratzinger unterzeichneten Erklärung „Dominus Iesus“ hatte sich die Formulierung gefunden, die Kirchen der Reformation seien nicht „Kirchen im eigentlichen Sinn“. Das hatte schon damals aus guten Gründen aus evangelischer Sicht deutliche Kritik gefunden. Auf römisch-katholischer Seite war eingeräumt worden, die Formulierung sei unglücklich, wo doch eigentlich nur gemeint sei, die Kirchen der Reformation seien nicht Kirche im römisch-katholischen Sinn. Die wörtliche Aufnahme der damaligen Formulierung und ihre ausdrückliche Bestätigung durch den damaligen Unterzeichner und jetzigen Papst Benedikt XVI. schafft nun eine neue Situation. Es wird bestätigt, dass diese Formulierung vom römischen Lehramt nicht als unglücklich, sondern als sachgemäß empfunden wird. Die Frage, welches Bild vom ökumenischen Miteinander der Kirchen dem zu Grunde liegt und welches Bild wir als evangelische Kirche dem entgegenzusetzen haben, drängt sich unweigerlich auf. Die Frage, wie das ökumenische Parkett wieder begehbar gemacht wird, lässt sich nicht unterdrücken.
Eine Fixierung auf die letzte Wendung im Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche ist uns freilich verwehrt. In einer Woche wird die dritte Europäische Ökumenische Versammlung in Hermannstadt zusammentreten. „Das Licht Christi scheint auf alle“ ist das Bekenntnis, von dem her nach dem gemeinsamen Zeugnis der Kirchen in der spirituellen und politischen Wirklichkeit Europas gefragt wird. Die Kirchen würden der gegenwärtigen europäischen Situation nicht gerecht, wenn sie die Chance ungenutzt ließen, um deutlich zu machen, wie sie in einer vorbildhaften Weise Einheit in Vielfalt und Vielfalt in Einheit gestalten wollen. Sie stehen vor der Aufgabe, deutlich zu machen, wie sie die spirituelle Erneuerung in ihrem eigenen Innern mit der Zuwendung zu den Menschen verbinden, denen der christliche Glaube fremd geworden ist. Sie müssen deutlich machen, dass die gottesdienstliche Feier des Glaubens und sein tätiges Bezeugen in den Herausforderungen unserer Zeit eine unauflösliche Einheit bilden.
Wenn wir dieser Aufgabe gerecht werden wollen, sind wir gut beraten, an die positiven ökumenischen Erfahrungen anzuknüpfen, die es an vielen Stellen gibt. Auch das Zusammenleben der christlichen Kirchen in Hamburg legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Exemplarisch will ich diese positiven Erfahrungen an einem Beispiel erläutern, das mich besonders bewegt hat. Ich meine die Feier der gegenseitigen Anerkennung der Taufe in einem festlichen Gottesdienst in Magdeburg am 29. April 2007.
II.
In dieser gewaltigen Kirche mit dem ältesten Taufstein nördlich der Alpen hatten sich im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland elf Kirchen zusammengetan, um die Taufe als „das sakramentale Band der Einheit“ zu feiern und die wechselseitige Anerkennung der Taufe zum Ausdruck zu bringen. Der Schlüsselsatz der feierlich unterzeichneten Vereinbarung lautet: Wir erkennen „jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an…“.
Die formale Basis bildete dabei wie bei jedem Vertragsschluss die Unterschrift der Repräsentanten der beteiligten Kirchen unter ein gemeinsames Dokument. Aus dem Halbkreis, in dem sie im Altarraum saßen, traten sie in einer festen Ordnung, feierlich angekündigt, an den Unterzeichnungstisch. Doch dem war ein reich gestalteter Gottesdienst vorausgegangen, in dem unterschiedliche Tauftraditionen und gottesdienstliche Elemente ihren Ort fanden. So kam die evangelische Tradition durch den Gemeindegesang besonders zum Zuge, die armenische Tradition durch die Lesung des Evangeliums, die römisch-katholische Tradition durch Segnung und Sendung hinein in die Welt, die orthodoxe Tradition durch die Prozessionseinladung zum Taufstein und durch die Besprengung der Gemeinde mit dem Taufwasser, die methodistische Tradition durch die ermahnende Predigt, die altlutherische Tradition durch die Verlesung eines Lobpreises über dem Wasser.
Der Gottesdienst zur wechselseitigen Anerkennung der Taufe konnte so die Fülle der verschiedenen geistlichen Traditionen in eindrücklicher Weise spiegeln. In seinem Zentrum stand eine eindrückliche Prozession, die von den Repräsentanten der beteiligten Kirchen angeführt wurde. Sie stellten sich im Kreis um den Taufstein. Jeweils den Rücken wandten sie diesem imposanten Porphyr aus Ägypten zu, der wohl im ersten christlichen Jahrtausend als Springbrunnen einer römischen Villa diente, bevor er unter Otto I. nach Magdeburg transportiert wurde, wo er noch vor der Spaltung zwischen abendländischer und morgenländischer Christenheit als Taufstein genutzt wurde. Wie wir um ihn standen und in unserem Rücken mit einem Palmwedel das Wasser in Bewegung geriet, um uns zur Erinnerung an die eigene Taufe wie an die eine Taufe der gesamten Christenheit zu benetzen, geschah für die ganze Gemeinde etwas Erstaunliches, die sich wie wir selbst auf den Prozessionsweg durch die Kirche begeben hatte und nun um uns stand und der Taufe gedachte.
In diesem Gottesdienst im Magdeburger Dom wurde die ökumenische Vielfalt dadurch zur Geltung gebracht, dass jede Kirche und damit jede Tradition ein eigenes Stück im Ganzen aufführen durfte; es war ein gutes Miteinander durch überzeugendes Nacheinander und durch eine gemeinsame Prozession.
Das lag auch am Inhalt dieses Gottesdienstes. Zwar hat sich die wechselseitige Anerkennung der Taufe durch die evangelischen Kirchen – mit Ausnahme derjenigen, die in einer täuferischen Tradition stehen – und der römisch-katholischen Kirche seit einem halben Jahrhundert Schritt für Schritt durchgesetzt. Doch der Schritt zu einer wechselseitigen Taufanerkennung auf der Seite der orthodoxen Kirchen ist ein wichtiges Ereignis. Das Vorhaben als solches verdankt sich übrigens einem Impuls von Kardinal Kasper und dem päpstlichen Einheitsrat. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland ist der erste regionale ökumenische Rat, der diese Anregung umgesetzt hat. Für die ökumenische Gemeinschaft insgesamt ist an diesem Schritt unter anderem auch dies von besonderer Bedeutung, dass im Fall des Taufsakraments dem Auftrag Jesu zum Vollzug der Taufe deutlich der Vorrang vor der Frage zuerkannt wird, in welcher Weise in den einzelnen Kirchen die Amtsträger – oder Amtsträgerinnen – legitimiert sind, die das Sakrament vollziehen.
Daran darf auch heute noch, trotz der Ernüchterung der letzten Wochen, die Hoffnung geknüpft werden, dass eine solche Betrachtung, die dem Auftrag oder der Einladung Jesu den Vorrang vor den unterschiedlichen Amtsverständnissen einräumt, auch den Zugang zu einer Antwort auf die Frage nach der Gemeinschaft im Abendmahl eröffnet.
III.
Der Epheserbrief beschreibt den ökumenischen Grundauftrag an einer Stelle, die auch in der Vereinbarung zur wechselseitigen Anerkennung der Taufe ausdrücklich zitiert wird, so: „Seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen“ (Eph 4, 3-6). Dem korrespondiert die Schlüsselstelle aus dem Hohepriesterlichen Gebet Jesu, die insbesondere von Papst Johannes Paul II. in den Rang einer Magna Charta aller ökumenischen Bemühungen erhoben worden ist: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins werden. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast" (Joh 17, 20 f.).
Das Bekenntnis zur vorgegebenen Einheit in Christus und der damit verbundene Auftrag zum Eins-Sein in Christus haben von Beginn der Christenheit an unterschiedliche Interpretationen und Ausgestaltungen gefunden.
Von dem Neutestamentler Ernst Käsemann stammt der berühmte Satz, dass der biblische Kanon „nicht die Einheit der Kirche, sondern die Vielfalt der Konfessionen“ repräsentiere, ja eröffne. Schon in der Bibel finden sich unterschiedliche Auffassungen, Verständnisse und Interpretationen des einen Heilsereignisses in Jesus Christus; die Vielfalt von Gemeinden, Konfessionen und auch Kirchen ist kein Spätphänomen der Christenheit. Naheliegenderweise haben die Unterschiede im Lauf der Jahrhunderte an Gewicht gewonnen. Wie bei Bäumen haben die sich umeinander schließenden Jahresringe die jeweiligen Profile immer stärker hervortretenden lassen.
Die biblischen Texte, auf die sich unser Verständnis des ökumenischen Auftrags stützt, enthalten freilich eine Näherbestimmung der Einheit, auf die alles ankommt. Die Aufforderung heißt, die „Einigkeit im Geist“ zu bewahren, nämlich im Geist Jesu Christi. Das Gebet Jesu geht dahin, dass alle „in uns eins sein" sollen. Es liegt auf der Hand, dass diese Einheit in Christus und in seinem Geist und damit in Gott, dem Vater, mehr und anderes meint als die sichtbare Einheit der Kirchen. Darum liegt die Einheit der Kirchen nicht einfach nur vor uns; sondern sie ist längst gestiftet und vorhanden im Grund der Kirche, in Jesus Christus. Es kommt für die Ökumene entscheidend darauf an, ob man die Einheit der Kirchen an eine äußere, sichtbare Einigkeit der Kirchen bindet, die zu gestalten dann als die entscheidende Aufgabe gilt, oder ob man sie als in Christus gegeben ansieht und sich vor der Aufgabe sieht, die Aktualisierung der Einheit zu fördern, die in Christus schon Realität ist. In der Aktualisierung der in Jesus Christus gegebenen Realität hat Dietrich Bonhoeffer den entscheidenden Vollzug gesehen, der die Kirche konstituiert. Mein Vorschlag ist, diesen Denkansatz für unser Verständnis der ökumenischen Aufgabe fruchtbar zu machen. Der Grundsatz ökumenischen Handelns und der Maßstab ökumenischer Fortschritte heißt dann: „Dominus Iesus“ – „Herr ist Jesus“.
Diese Antwort freilich schließt einen kritischen Vorbehalt ein, den jede Kirche sich selbst gegenüber geltend machen muss. Wir alle müssen zu unterscheiden lernen zwischen dem Grund einer jeden Kirche, der in Christus Jesus gegeben ist, und der konkreten, geschichtlichen Gestalt der jeweiligen Kirche. Die christlichen Kirchen und Konfessionen sind Variationen des Bezugs auf den einen Grund der Kirche, Jesus Christus, in unterschiedlichen Konkretionen. Der Anspruch einer Kirche, sie allein sei die angemessen aktualisierte Gestalt des Grundes, auf dem die Kirche ruht, also Jesu Christi selbst, nur sie sei „Christus als Gemeinde existierend“, degradiert unvermeidlich andere Kirchen und setzt dem Zusammenspiel der konkreten Gestalten von Kirche deutliche Grenzen.
Genau an diesem Punkt hat die vatikanische Glaubenskongregation in ihren „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ in brüskierender Weise ihren Anspruch wiederholt. Gegenstand der Äußerungen sind ekklesiologische Auffassungen, die innerhalb der katholischen Kirche vertreten würden, nach Ansicht der Kongregation aber irrtümlich seien. Warum dies dazu genutzt worden ist, eine sehr unglückliche Passage aus der Erklärung „Dominus Jesus“ aus dem Jahr 2000 zu wiederholen, ist nicht so leicht erklärbar. Wenn der Vatikan sagt, die Kirchen der Reformation seien nicht Kirchen im eigentlichen Sinn, dann errichtet er eine ökumenische Blockade.
Ich bin sehr dankbar, dass der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke in seiner besonderen Verantwortung für Fragen der Glaubenslehre und der Ökumene, dazu sehr mutige Worte gefunden hat. „Wie“, so fragte er, „sollen wir in der Ökumene mit den Protestanten in Deutschland weiterkommen, wenn wir einander wehtun? Die Schlagzeile: "Ihr seid nicht Kirche" (im Sinne der katholischen Tradition) führt zu Verhärtungen und Gegenreaktionen ...“ In der Tat: Der Anspruch, der hinter den Aussagen der Glaubenskongregation über das Wesen der Kirche „im eigentlichen Sinn“ steht, muss zurückgewiesen werden. Der Vatikan kann allenfalls darüber befinden, was es bedeutet, eine Kirche im katholischen Sinn zu sein.
Ich sage es hier ganz deutlich: Ökumene lebt im und vom gemeinsamen Engagement für das Evangelium. Unzählige Gemeinden machen das vor. Mit gleicher Deutlichkeit füge ich hinzu: Eine Auseinandersetzung darüber, welche unserer Kirchen eine „Kirche im eigentlichen Sinne“ sei, ist diesem ökumenischen Miteinander nicht förderlich. Betrachten wir diese Auseinandersetzung im Licht des Evangeliums, fällt einem unwillkürlich das Beispiel der beiden Jünger Jesu ein, Jakobus und Johannes, die im Himmel die besten Plätze zugesichert bekommen wollten. Jesus antwortete: „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ Im Licht des Evangeliums ist es peinlich, wenn wir darüber streiten, ob die römisch-katholische oder die evangelische Kirche näher bei Christus sitzen darf.
Die evangelische Kirche ist die katholische Kirche, die durch die Reformation hindurchgegangen ist. Evangelische und katholische Christen teilen 1500 Jahre gemeinsamer Kirchengeschichte. Wir haben keinen Grund zu verschweigen, dass die Reformation Martin Luthers das Evangelium in aller Klarheit zum Ausdruck bringen wollte. Wir evangelischen Christen werden weiterhin „Kirche im eigentlichen Sinne“ sein, wenn wir das Evangelium verkündigen, Taufe und Abendmahl feiern, Gemeinschaft halten und Nächstenliebe üben; und wir sind es in ökumenischer Gemeinschaft umso überzeugender. Wir wollen die Güte Gottes von ganzem Herzen rühmen.
Weihbischof Jaschke ist auch zuzustimmen, wenn er sagt: „Die Ökumene wird und muss weitergehen. Wir dürfen einander nicht loslassen. Vielleicht ist es gut, die steilen Sätze einmal beiseitezuschieben. Wir respektieren uns in unseren Kirchen, beten in ihnen, stellen sie uns zur Verfügung - bis wir alle lernen, Kirche Christi in der Welt zu werden.“
In unserem ökumenischen Pflichtenheft steht nicht, dass wir über das Kirchesein einer anderen Kirche zu verfügen. In ihm steht vielmehr, dass wir jeweils selbst unserem Auftrag als Kirche zu entsprechen suchen. Und die Frage, ob die evangelische Kirche Kirche Jesu Christi und damit Kirche im eigentlichen Sinn ist, wird nicht in Rom entschieden, sondern überall dort in unseren Gemeinden und in unserem gemeinsamen kirchlichen Handeln, wo wir darum bemüht sind, „die Botschaft von Gottes freier Gnade auszurichten an alles Volk“. Für mich hat deshalb im ökumenischen Dialog die Achtung für das Kirchesein der anderen einen hohen Rang; sie begründet die Einheit in Vielfalt und bahnt den Weg zu versöhnter Verschiedenheit.
Wir müssen Ökumene heute unter der Voraussetzung gestalten, dass die beteiligten Kirchen nicht nur unterschiedliche Kirchenverständnisse sowie unterschiedliche Vorstellungen von Amt und Ordination, vom Verhältnis zwischen Schrift und Tradition, von Frauen im geistlichen Amt haben, sondern dass sie unterschiedliche Vorstellungen von dem haben, was „sichtbare Einheit“ bedeutet. Es wäre ja auch zu verwunderlich, wenn die verschiedenen theologischen und Ansätze sich nicht auch in unterschiedlichen Zielvorstellungen spiegelten. Doch gemeinsam sollen und können die ersten Schritte sein. Dies gebietet der in der Geschichte der Christenheit selbst gegründete wechselseitige Respekt.
Freilich nötigt eine solche Mahnung zu wechselseitigem Respekt auch zur selbstkritischen Revision geläufiger Geschichtsbilder. So wird – gerade auch im Vorfeld des Reformationsjubiläums im Jahr 2017 – im evangelischen Bereich ein Geschichtsbild fröhliche Urständ feiern, das die Reformation zur Geburtsstunde der evangelischen Kirche erklärt. Doch die Geschichte der evangelischen Kirche beginnt keineswegs mit der Reformation. Die evangelische Kirche hat ihre Wurzeln wie alle Kirchen in der Bibel und in der alten Kirche. Die Reformation war von der Intention bestimmt, die Quellen des Glaubens neu und ursprungsgerecht zu verstehen. Die Reformation sah sich also in Treue und Kontinuität zur alten Kirche; sie wollte keine neue Kirche schaffen, sondern die wahre Kirche freilegen.
Die Kirchen der Reformation sind mit der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen durch gemeinsame Quellen und gemeinsame Traditionen verbunden; es gehört zu ihren manchmal vernachlässigten Pflichten, diese Gemeinsamkeit kenntlich zu machen. Das Selbstverständnis der evangelischen Kirche und ihre theologischen Einsichten sind eingebunden in das gemeinsame Bekenntnis der Christenheit. Eine Legitimation allein aus den Anstößen und Bekenntnissen der Reformation reduziert die eigene Herkunftstiefe in unzulässiger Weise; wir sollten als christliche Kirchen die gemeinsame Herkunftsgeschichte als wichtigen ökumenischen Ansatzpunkt ansehen. Die biblischen Erzählungen, die altkirchlichen Bekenntnisse, die Inspirationen der Kirchenväter wie der großen mittelalterlichen Theologen enthalten einen ungehobenen Schatz, der, gemeinsam genutzt, auch die heutige ökumenische Sprache bereichern wird. Ich nenne als Beispiel das ökumenische Gedenken an Elisabeth von Thüringen, die bedeutendste mittelalterliche Heilige im deutschen Sprachraum. Es hat an vielen Orten, ganz besonders auch in den Elisabeth-Städten Eisenach und Marburg, eine überzeugende ökumenische Gestalt angenommen. Der Austausch über Vorbilder im Glauben hilft uns dabei, über die heutige Gestalt gelebten Glaubens größere Klarheit zu gewinnen. Und dies wird eine ökumenische Gestalt sein.
Solche gemeinsamen Erfahrungen werden auch dabei helfen, den weiteren Verlauf des Ökumene-Flusses mit Gelassenheit zu verfolgen. Die evangelische Kirche jedenfalls beobachtet ohne Angst und Sorge, mit Fürbitten und Segenswünschen die jüngsten Anstrengungen der römisch-katholischen Kirche, im Verhältnis zu den orthodoxen Kirchen zu Fortschritten zu kommen. Denn der Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen zwischen den seit einem Jahrtausend getrennten Kirchen des Ostens und des Westens würde ganz gewiss der Ökumene insgesamt zu Gute kommen, also auch die Beziehungen der reformatorischen Kirchen zu den orthodoxen Kirchen wie zur römisch-katholischen Kirche positiv beeinflussen. Die Gespräche, die ich Anfang Mai im Vatikan mit Papst Benedikt XVI. und Kardinal Kasper führen konnte, haben mich in dieser gelassenen Haltung bestärkt. Beide haben mir damals versichert, dass die Annäherung an die orthodoxen Kirchen nicht zu Lasten der Beziehungen zu den Kirchen der Reformation gehen sollten. Trotz der vatikanischen Verlautbarung vom 11. Juli behält dieses Wort für mich sein besonderes Gewicht. Die gelegentlich geäußerten Vorstellungen von einer „orthodox-katholischen Allianz“ gegen den liberalen, vermeintlich säkularisierten, modernistisch geprägten Westen haben in den Gesprächen im Mai keine Nahrung erhalten. Die römisch-katholische Kirche müsste ja auch wichtige Teile ihrer eigenen Tradition, insbesondere das Aggiornamento des II. Vatikanischen Konzils verleugnen, wenn sie sich einer solchen, wenig erleuchteten Vorstellung von einer Allianz gegen die Moderne (und mit ihr gegen den Protestantismus) anschließen wollte.
Das Selbstverständnis evangelischer Kirchen fußt darauf, dass wir das Evangelium richtig bezeugen und auftragsgemäß verkünden. Wir versuchen „Kirche im eigentlichen Sinn“ zu sein, indem wir Gottesdienst feiern, Nächstenliebe üben und Menschen den Zugang zum Glauben ebnen. Ich empfehle in dieser Situation, miteinander im Bewusstsein der Unterschiede und jeweils mit klarem eigenem Profil ökumenisch gut zusammen zu arbeiten. Denn es gilt: Die Zukunft der christlichen Kirchen wird eine ökumenische sein.
IV.
Im Rückblick ist es erstaunlich, wie lange die Strategie der wechselseitigen Abgrenzung der Konfessionen erfolgreich war. Die Zeiten von Ultramontanismus und Kulturkampf in Deutschland liegen erst wenig mehr als ein Jahrhundert zurück. Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert und den auch geistlich katastrophalen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs begann eine neue ökumenische Phase, in welcher der Versuch unternommen wurde, Gemeinsamkeiten und Verträglichkeiten zu entdecken. Gewiss ist diese Phase durch die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gekennzeichnet. Die ökumenische Bewegung in einem förmlichen Sinn blieb während ihrer ersten Jahrzehnte auf die reformatorischen Kirchen beschränkt. Die römisch-katholische Kirche verfocht zunächst – mit der Enzyklika „Mortalium animos“ von 1928 – in aller Form ein Konzept der Rückkehr-Ökumene. Aber sie vollzog mit dem II. Vatikanischen Konzil zu Beginn der sechziger Jahre eine bemerkenswerte ökumenische Wende. Die orthodoxen Kirchen öffneten sich, durch bilaterale Dialoge ermutigt, zur gleichen Zeit mit ihrem Beitritt zum Ökumenischen Rat der Kirchen im Jahr 1961 für den ökumenischen Gedanken. Nun wurde deutlicher bewusst, dass sich alle Kirchen auf die Bibel als Grundlage und Richtschnur, auf die großen christlichen Bekenntnisse der frühen Christenheit, auf die Taufe „als sakramentales Band der Einheit“ und auf die Verantwortung für die friedliche Gestaltung der Welt beziehen. Auch wenn es auf dem Weg zum heutigen Stand der Ökumene noch viele Abweichungen von dieser Linie gibt, ist eine generelle Abkehr von der ökumenischen Verantwortung undenkbar geworden.
Dass diese Phase der Ökumene mit der Verabschiedung der „Gemeinsamen offiziellen Feststellung“ bzw. der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ 1999 in Augsburg ihren symbolischen Höhepunkt und vorläufigen Schlussstein gefunden hat, hat einen guten inneren Sinn. Denn die Rechtfertigungslehre war die Schlüsselfrage in den Auseinandersetzungen der Reformationszeit. Doch auch nach dem erreichten Konsens in Fragen der Rechtfertigungslehre sind wichtige Fragen ungeklärt geblieben.
Im Blick auf das evangelisch-katholische Verhältnis kreisen diese ungeklärten Fragen um das Verständnis der Kirche und des kirchlichen Amts.
In der evangelischen Kirche hat die starke Orientierung am Glauben und der Gewissensbindung des einzelnen, an der Pflege einer Kultur der Individualität und am Abstand gegenüber der Kirche als Institution die Einsicht immer wieder in den Hintergrund treten lassen, dass der Glaube in der Gemeinschaft der Glaubenden wächst und dass die Gemeinschaft der Heiligen im Glaubensbekenntnis einen festen Ort hat. Die Bindung der Evangeliumsverkündigung an das mündige Urteil der Gemeinde hat bisweilen den Blick dafür verdunkelt, dass der Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums und zur Feier der Sakramente ein von Christus selbst gegebener Auftrag ist. Dass die Kirche als Institution auch ein evangelisches Thema ist, tritt erst neuerdings deutlicher ins Bewusstsein. Nur auf der Grundlage eines starken Kirchenverständnisses vermag die evangelische Kirche aber auch ihre besonderen Merkmale – die Bindung an die heilige Schrift, die Konzentration auf das Christusbekenntnis, den Aufbau der Kirche von der Gemeinde her oder die gleiche Verantwortung von Frauen und Männern auch im geistlichen Amt und in den Leitungsaufgaben der Kirche – als Stärken in die ökumenische Gemeinschaft einzubringen.
V.
"Die Kirchen brauchen die je anderen Kirchen, um ganz und vollständig werden zu können". Dieser von Fulbert Steffensky formulierte Grundsatz sollte den zukünftigen ökumenischen Weg bestimmen. Zugleich sollten wir beherzigen, dass die christlichen Kirchen gerade in Deutschland in wichtigen Hinsichten einfach als „die Kirche“ wahrgenommen werden. Das gilt im Blick auf gesellschaftliche Herausforderungen, im Blick auf den interreligiösen Dialog und im Blick auf die Auseinandersetzung mit einem neuen, zum Teil kämpferischen Atheismus in gleicher Weise. In all diesen Hinsichten ist es eine gemeinsame Aufgabe, der Friedensbotschaft des Evangeliums, die Friedensfähigkeit der Religionen und die Friedensbedürftigkeit der modernen Welt Sprache zu geben, damit der banalen These, ohne Religion sei alles leichter, friedlicher und netter, angemessen widersprochen werden kann.
Zu den Gemeinsamkeiten der christlichen Kirchen in Deutschland gehören auch einige demographische und religionssoziologische Gegebenheiten. In fast allen Teilen des kirchlichen Lebens stehen die Kirchen vor vergleichbaren Herausforderungen unter annähernd gleichen Bedingungen. Natürlich betrifft die dramatische Entwicklung der Orden und des Priesternachwuchses vor allem die katholische Kirche; dafür haben wir im evangelischen Bereich stärker mit der Neigung zu tun, die Kirchenmitgliedschaft aufzugeben. Auch sind die Zahlen der Trauungen in der katholischen Kirche ungleich schneller gefallen als in der evangelischen Kirche, auch, weil die katholische Kirche eine Wiederverheiratung von Geschiedenen nicht zulässt, diese Gruppe aber statistisch enorm zugenommen hat. Umgekehrt haben wir einen Rückgang im Bereich der kirchlichen Bestattungen zu verzeichnen. Die katholische Kirche geht zwar insgesamt von einem höheren Niveau der Verbindlichkeiten kirchlichen Verhaltens aus, aber auch sie erlebt die Auswirkungen eines Traditionsabbruchs während der zurückliegenden Jahrzehnte.
Deshalb bezieht sich die ökumenische Gemeinsamkeit heute auch auf die gemeinsamen Herausforderungen. Die Umgestaltung unserer Kirchen auf zuträgliche Dimensionen, die neue Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben und die Neugestaltung von Arbeitszweigen, die in der bisherigen Form nicht mehr zu finanzieren sind, stehen beiden großen Kirchen ins Haus. Es gibt auch eine ökumenische Gemeinsamkeit in krisenhaften Entwicklungen; deshalb beeindruckt mich die Parallele zwischen manchen Überlegungen im Impulspapier der EKD „Kirche der Freiheit“ zu Gesichtspunkten, unter denen die deutsche Bischofskonferenzim Frühjahr 2007 den nötigen Strukturwandel diskutiert hat.
VI.
Gerade weil wir vor gemeinsamen Herausforderungen stehen und für gemeinsames Handeln auch gute Voraussetzungen geschaffen haben, ist es unvermeidlich geworden, auch die verbleibenden Unterschiede in den Blick zu nehmen. In diesem Sinne habe ich erstmals in einer Ansprache an Papst Benedikt XVI. bei der Begegnung am Rande des Weltjugendtages im August 2005 von einer Phase der „Ökumene der Profile“ gesprochen. In einer Ökumene der Profile sind zwei Grundintentionen vereinigt: Einmal gehört zu ihr der unbeirrbare Impuls der evangelischen Kirche, die Ökumene zu fördern, das Gemeinsame zu vertiefen und den Motor einer ökumenischen Annäherung immer wieder anzuwerfen. Zum anderen aber gehört zu einer Ökumene der Profile auch die Ernsthaftigkeit, die für die evangelische Seite unaufgebbaren theologischen Einsichten der Reformation auszusprechen und zu vertreten. Es sollen nicht alte, schon überwundene Gegensätze künstlich wieder belebt werden, sondern zentrale, für den evangelischen Glauben unhintergehbare Einsichten ebenso fair wie klar benannt werden. Deswegen gehören m.E. zu einer „Ökumene der Profile“ drei wesentliche Elemente:
1. Differenzen profilieren
Ob man nun an die für uns Evangelische nach wie vor befremdliche Vorstellung von Ablass und Verringerung von Fegefeuerzeiten durch die Kirche denkt, ob man an die Marien-Verehrung denkt, ob man die jüngst vom Papst eröffnete Möglichkeit denkt, Gottesdienste wieder in lateinischer Sprache zu zelebrieren, ob man an die Fragen von Amt und Ordination oder an die ethischen Positionierungen zu Themen wie Sexualmoral und Empfängnisverhütung denkt: es gibt viele Themen- und Sachgebiete, die nach wie vor unterschiedlich gesehen werden. Eine präzise Beschreibung dieser Differenzen ist der erste Beitrag zu einer Ökumene der Profile. Es geht dabei um die klare und unpolemische Beschreibung dessen, worin der Unterschied zwischen den Konfessionen besteht, wie er zu verstehen ist und worin seine geistigen und theologischen Wurzeln liegen. Im Unterschied zu der früheren Zeit wäre das "erkenntnisleitende Interesse" nicht, Formulierungen zu finden, die möglichst schon eine ökumenisch gemeinsame Sprache avisieren (wie z.B. „communio sanctorum“), sondern es geht um eine größere Sachlichkeit und Nüchternheit, die die beiden Konfessionen im Idealfall gemeinsam die Unterschiede benennen lässt. Dabei wird man in allen diesen theologischen Sachfragen – so ist es jedenfalls meine Vermutung – letztlich und in der Tiefe auf einen Unterschied stoßen, den fair zu beschreiben einen unerlässlichen, aber noch keineswegs abgeschlossenen Schritt auf dem Weg zu größerer Gemeinsamkeit darstellt:
Das evangelische Verständnis von der Gegenwart Gottes eröffnet die fundamentale Einsicht, dass Gottes Geist und seine Wahrheit keineswegs einen Gegensatz zur modernen Welt, sondern im tiefsten ihren tragenden Grund bilden. Die von Pluralismus und Individualismus, vermeintlichem Säkularismus und Materialismus geprägte moderne Welt ist Gottes Welt, von ihm gelenkt und geleitet, von seinem Trost gehalten und von der verantwortlichen Mitgestaltung durch die Christen geprägt. Der evangelische Glaube schätzt und würdigt die nicht zuletzt in der Reformation freigesetzten Impulse der Aufklärung und der individuellen Freiheit, der klaren Unterscheidung zwischen Konfession und Bürgerrecht bzw. zwischen Staat und Kirche, der kritischen Wissenschaften und der Liberalisierung von Moralvorstellungen, obwohl er weiß, dass all diese Entwicklungen sich auch kritisch gegen ihn selbst gewandt haben und die Erfüllung seines Auftrages nicht eben erleichtern. Der evangelische Glaube ist keine „Gegen- oder Antimoderne“, er ist ein weltzugewandter Glaube, der darum die sichtbare Kirche das sein lassen kann, was sie ist: Teil dieser Welt, schuldfähig, erneuerungsbedürftig und liebenswert.
2. Profilierte Mission - Mission mit Profil
Ein zweiter Aspekt einer „Ökumene der Profile“ bezieht sich auf das gemeinsame Wirken nach außen. Welche Folgen hat es in einer modernen Gesellschaft, wenn die großen Traditionsströme des Christentums ihre Unterschiede bewusster zur Sprache bringen? Nach meiner Auffassung wäre es ein Missverständnis, darin eine Schwächung der christlichen Kirchen zu sehen. Im Gegenteil, unter missionarischem Gesichtspunkt kann man sagen, dass die beiden großen Konfessionen in Deutschland dann faktisch zwei unterschiedliche Missionsstrategien vertreten, die beide mit dem je besonderen Profil verknüpft sind. Es ist, als hätte Christus gleichsam zwei Arme, mit denen er auf unterschiedliche Weise die fern gewordenen Menschen zu erreichen versuchte. In dieser Perspektive kann man die Stärken des jeweils Anderen verstehen als einen Beitrag zur Mission der einen christlichen Kirche. Im Grunde muss man wollen, dass der jeweils Andere mit seinen Stärken und Profilen besonders zum Leuchten kommt! Wir Evangelischen wollen und wünschen uns eine starke römisch-katholische Kirche, gerade weil wir evangelisch sind und bleiben wollen.
3. Zugewandtes Wächteramt
Zuletzt sei eine ganz konkrete Dimension des zukünftigen Weges benannt. Es gibt ein Kinderbuch mit dem wunderbaren Titel: „Wir können noch so viel miteinander machen“! Und das trifft auch für die Ökumene zu. Es kann nur allergrößte Zustimmung finden, wenn Kardinal Kasper jüngst einen Wegweiser zur Zukunft der Ökumene unter dem Leitmotiv einer ökumenischen Spiritualität veröffentlicht hat. Dieser Wegweiser beschreibt, was heute gemeinsam getan, geglaubt, gefeiert und gebetet werden kann. Das Buch von Kasper bekräftigt, dass die geistliche Ökumene die „Seele der ganzen ökumenischen Bewegung“ ist; und es ermutigt dazu, dieser Seele Raum zu geben. Im Prinzip kann man als evangelischer Christ dieser Richtungsangabe nur zustimmen. Denn einerseits ist diese Betonung einer gemeinsamen Spiritualität immer schon die Basis aller konkreten Ökumene. Zum anderen kann diese gelebte Spiritualität an der Basis mit Herz und Sinn ausgefüllt werden und hineingetragen werden in die Nachbarschaften, in die gemeinsamen Herausforderungen und in die konkreten Partnerschaften.
„Das Licht Christi scheint für alle“. Noch einmal kehre ich zu dem Leitwort zurück, das unsere ökumenischen Überlegungen in der ersten Septemberwoche im rumänischen Hermannstadt bestimmen wird. Die umfassende Verheißung der Gnade Gottes, die in Jesus Christus in unsere Welt gekommen ist, bestimmt auch die Weise, in der wir als Kirchen ökumenisch miteinander umgehen. Der entscheidende Maßstab besteht darin, ob wir die Gaben, die uns jeweils anvertraut sind, in den Dienst der Gnade Gottes stellen. Der entscheidende Maßstab besteht darin, ob wir durch die Art und Weise, in der wir mit unseren Unterschieden umgehen, das Licht Christi verdunkeln, das eines ist und für alle gilt. Wenn wir daran Maß nehmen, rücken manche Fragen, die uns immer wieder so nachhaltig beschäftigen, ins zweite Glied. Und andere Fragen gewinnen an Bedeutung. Die institutionelle Abgrenzung der Kirchen voneinander verliert an Bedeutung. Und ihr Zeugnis in Wort und Tat zieht die Aufmerksamkeit auf sich.
Das ist die ökumenische Bewegung, die ich mir erhoffe.