"Er ist mit mir zufrieden"
Vor 250 Jahren starb der Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine Nikolaus Ludwig von Zinzendorf
07. Mai 2010
"Ich bin fertig, ich bin in den Willen meines Herrn ganz ergeben, und er ist mit mir zufrieden." Als Nikolaus Ludwig von Zinzendorf vor 250 Jahren, am 9. Mai 1760, starb, ging ein schillerndes Leben zu Ende. Für die Verbreitung des christlichen Glaubens war der Reichsgraf, der am Schluss mit sich und seinem Herrgott im Reinen war, durch die halbe Welt gereist.
In die Geschichte ging er als Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine ein, der heute eigenen Angaben zufolge 835.000 Mitglieder weltweit angehören. Die evangelische Freikirche widmet Zinzendorf seit Donnerstag, 6. Mai, eine Festwoche mit Tagungen und einem Theaterstück im Herrnhuter Kirchensaal.
Zu seinem Begräbnis auf dem Herrnhuter Gottesacker in der ostsächsischen Oberlausitz zogen 2.100 Menschen hinter Zinzendorfs Sarg her. Weitere 2.000 sammelten sich als Beobachter am Wegesrand, unter ihnen auch ein Kommando Grenadiere, um mögliche Ausschreitungen zu verhindern. Trotz großer Anfeindungen hatte der 1700 in Dresden geborene Zinzendorf unzählige Menschen mit seiner gefühlsbetonten Frömmigkeit angezogen.
Der Zinzendorf-Kenner und Buchautor Dietrich Meyer sieht die Bedeutung des Grafen vor allem darin, dass durch ihn "die psychologische Komponente des Glaubens wieder hervorgeholt" wurde. Für Zinzendorf habe Religion etwas mit Leidenschaft, Freude und Herzenswärme zu tun gehabt.
Der kleine "Lutz", so sein Spitzname als Kind, wuchs im Umfeld des lutherischen Pietismus auf. Die Beurteilungen seiner Lehrer am Pädagogium in Halle fielen zunächst verheerend aus. Dem Kind bescheinigten sie "Bosheit", "Narrheit" und einen exzessiven Hang zur Unordnung. Bereits im frühen Alter wollte Zinzendorf seine Mitschüler religiös beeinflussen und gründete mit 14 Jahren einen Disputierclub.
Nach einem abgebrochenen Jura-Studium in Wittenberg und einer ausgedehnten Bildungsreise durch verschiedene Länder erwarb der Graf 1722 von seiner Großmutter Gut Berthelsdorf in Ostsachsen. Im Jahr zuvor hatte er Erdmuthe-Dorothea von Reuß geheiratet. Ihr versprach er allerdings nur eine sogenannte Streiterehe, in der es weniger um das persönliche Glück als vielmehr um die gemeinsame Sache des Glaubens gehen sollte.
Umgehend erlaubte Zinzendorf mährischen Glaubensflüchtlingen, sich auf seinem Gut niederzulassen. Die Handwerkerfamilien waren Nachkommen der Böhmischen Brüder, die sich auf den Reformator Jan Hus beriefen. Hus war 1415 als Ketzer verbrannt worden.
Für die Glaubensflüchtlinge wurde 1722 der Ort Herrnhut gegründet. Fünf Jahre später lebten in der christlichen Gemeinschaft schon 220 Menschen verschiedener Herkunft. Immer wieder kam es zu theologischen Streitereien.
Zinzendorf, dem die "Bruderliebe" wichtiger war als Standes- und Konfessionsgrenzen, führte verbindliche Regeln des Zusammenlebens ein. Es ging um einen Dienst aller füreinander. Einfache Handwerker konnten leitende Ämter übernehmen.
Bei täglichen Hausbesuchen wurden Bibelverse und Liedzeilen weitergesagt. Der Brauch führte zur Entstehung der gedruckten Herrnhuter Losungen mit Bibeltexten, Gebeten oder Liedversen für jeden Tag, als deren Erfinder Zinzendorf gilt. Das Andachtsbuch erschien erstmals 1731, es wird von der Brüdergemeine jährlich ohne Unterbrechung bis heute herausgegeben. Mittlerweile erscheint es in 50 Sprachen und wird in Deutschland in Millionenauflage gedruckt.
Zinzendorf stehe für etwas, was als Spiritualität bezeichnet werden könne, würdigt ihn der heutige sächsische Landesbischof Jochen Bohl. Als Beispiele nennt er die regelmäßigen Gebete, die Bibellesung in Gemeinschaft und auch die starke Rolle der Kirchenmusik. Allein Zinzendorf dürfte rund 2.000 Lieder verfasst haben, darunter "Jesu geh voran". Bohl bezeichnet seinen Todestag daher auch als ein "bedeutendes Datum für die Kirchen der Reformation".
Nach der inneren Festigung der Gemeinschaft startete die Brüdergemeine 1732 ihre weltweite Werbung für den christlichen Glauben. Missionare wurden auf die mittelamerikanische Insel St. Thomas, nach Grönland oder Lappland geschickt. Zugleich nahmen die kirchenpolitischen Anfeindungen zu. Der katholische Kaiser aus Wien beschwerte sich, weil er Untertanen an Zinzendorf verlor. Zweimal wurde der Reichsgraf aus Sachsen ausgewiesen.
Als Exilant zog Zinzendorf lange Jahre in Deutschland und Europa umher, ließ sich als Theologe ordinieren und sogar zum "Brüder-Bischof" weihen. Er besuchte Indien und lebte in Amerika mit Indianern zusammen. 1747 wurde die Verbannung schließlich aufgehoben. 1756 starb seine von ihm mittlerweile entfremdete Frau. Sie hatte zwölf Kinder geboren, von denen nur vier das Kindesalter überlebten.
Der erste Biograf und enge Mitarbeiter Zinzendorfs, August Gottlieb Spangenberg, beurteilte den Grafen nach seinem Tod so: "Seine Gemütsbewegungen waren stark, heftig und gingen leicht zu weit. Er konnte aus Liebe zu nachgebend, und aus Eifer zu streng und hitzig sein". (epd)