Predigten zu Passion und Karfreitag

Stimmen aus den Landeskirchen

20. März 2008

Die Texte sind in etwaigen Langfassungen nach Ablauf der Sperrfristen  auf den landeskirchlichen Internetseiten zu finden.

Bischof Wolfgang Huber

Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Die „Gekreuzigten unserer Tage“ erkennen

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat in seiner Karfreitagspredigt in der Berliner Marienkirche an die „Gekreuzigten unserer Tage“ erinnert.  Gott habe das sühnende Leiden seines Knechts Jesus anerkannt und bejaht, erläutert der Berliner Bischof. In Jesu spreche er Vergebung zu und mache das Leben heil. Im Tod Jesu am Kreuz auf Golgatha gebe sich Gott selbst zu erkennen, auch wenn heutzutage ebenso wie damals, die Jünger ratlos vor dem Kreuz stünden. Deshalb sei das Leid, das Menschen heute zugefügt werde, so erschreckend, führt Wolfgang Huber aus, und verweist dabei ausdrücklich auf die Situation vieler Christen in muslimisch geprägten Ländern. Namentlich erwähnt er den chaldäisch-katholischen Erzbischof Paulos Farradsch Raho, der Ende Februar entführt worden ist und in der Zwischenzeit tot aufgefunden wurde.

Im April 2003 hätten noch etwa 1,5 Millionen Christen im Irak gelebt, erinnert der Ratsvorsitzende. Es sei auf beklemmende Weise grotesk, dass es ihnen unter der Herrschaft des Diktators Saddam Hussein besser ging als unter dem Protektorat der US-amerikanischen Schutzmacht. Inzwischen habe etwa die Hälfte von ihnen den Irak verlassen; die Hoffnung, dass sie jemals zurückkehren werden, gleicht einem verlöschenden Docht. Was ihnen widerfährt, gleiche ethnischen Säuberungen und Völkermorden an anderen Orten, die von der Weltöffentlichkeit tatenlos wahrgenommen werden: „Der Irakkrieg ist eine globale Sackgasse; eine Straße des Elends und der Hoffnungslosigkeit. Es ist zugleich die teuerste Sackgasse aller Zeiten.“

Einen verborgenen und leisen Trost erkennt der Ratsvorsitzende im Bild vom gekreuzigten Gottesknecht, ein Trost, der wahrhaftiger sei als allzu kräftige Worte. Er enthalte einen Einspruch gegen das im Namen des Islam verübte Unrecht ebenso wie gegen das im Namen westlicher Werte verursachte Leid: „Gottes Sicht steht gegen Verschweigen und Verstummen,“ so Wolfgang Huber. Er sieht, dass diejenigen, die von manchen behandelt werden, als seien sie nichts wert, von Gott wert geachtet werden. „Nur wer auf diesen Gottesknecht schaut, hat einen Blick für das Geheimnis der göttlichen Liebe.“


Bischof Martin Hein

Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

Gottes Liebe schafft im Tod Jesu den Anfang einer neuen Menschheit

Das Kreuz Jesu ist das zentrale Zeichen des christlichen Glaubens, nicht die Weihnachtskrippe oder das österliche Grab. Darauf hat der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, in seiner Predigt am Karfreitagmorgen in der Kasseler Martinskirche hingewiesen. Der Tod Jesu sei kein blindes Schicksal oder bloßer Zufall, sondern „eingezeichnet in die alle Zeiten übergreifende Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen: Gott liebt uns – von Anfang an. Gott will, dass wir leben sollen. Gottes Liebe schafft im Tod Jesu den Anfang einer neuen Menschheit“, betonte der Bischof.

Das Kreuz sei seit jeher ein Anlass zu Unverständnis und Ärgernis – etwa mit Blick auf  Lehren, die den Macher, den Selbstbewussten, den Mächtigen oder den Übermenschen predigten. Auch derzeit sei die Versuchung zu spüren, Gott im Wahn der menschlichen Allmacht zu beseitigen. Die wahre Bedeutung des Kreuzes habe etwa auch das Bundesverfassungsgericht nicht verstanden, als es die Platzierung von Kreuzen in staatlichen Schulen als Verstoß gegen das Grundgesetz gewertet habe. Tatsächlich sei das Kreuz ein Zeichen der Hoffnung und der Freiheit. Gegen alle Auflehnung und Rebellion gegen Gott, Unglauben und Unmenschlichkeit, Sünde und Schuld, schaffe der Tod Jesu einen Weg zum Leben aus Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Das Kreuz Jesu stehe für die Kraft des Lebens, einer Hoffnung im Leben weit über den Tod hinaus und schenke Freiheit, erklärte der Bischof. 

 

Bischof Hans Christian Knuth

Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, Sprengel Schleswig

ARD-Fernsehgottesdienst zum Karfreitag aus dem Dom zu Schleswig

Der diesjährige ARD-Fernsehgottesdienst zu Karfreitag wird am 21. März 2008 um 10 Uhr aus dem Schleswiger St. Petri-Dom gesendet. Die Predigt hält der Schleswiger Bischof und Vorsitzende der nordelbischen Kirchenleitung Dr. Hans Christian Knuth. Die Liturgie wird vom Bischof und dem Schleswiger Dompastor Jochen Weber ausgeführt. Die Lesungen übernimmt der Schleswiger Schauspieler Wolfgang Berger. Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes wird vom Domkantor Rainer Selle und der Domkantorei verantwortet.

In den Mittelpunkt der Predigt wird Bischof Knuth Aspekte heutiger Leidenssituationen stellen. Dabei wird er Bezüge zu Passionsszenen des Brüggemann-Altars im Schleswiger Dom herstellen, die während der Predigt dem Fernsehzuschauer als Bilder gezeigt werden.

„Am Kreuz Jesu erkennen wir, dass Gottes Liebe auch in Momenten des Leidens und der Trauer vorhanden ist“, so Bischof Knuth in Vorbereitung auf seine Predigt. Zudem löse das Kreuz den vermeintlichen Zusammenhang von Tun und Strafe, von Leid und Schuld auf. Auch heute sei das Kreuz von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Menschheit. „Die christliche Religion kann und will sich nur gewaltlos behaupten. Nicht durch Bomben oder Waffengewalt, nicht durch Geld oder Macht, sondern allein durch das Wort vom Kreuz. Durch die Verkündigung und die freie Überzeugung, durch Mission, aber nicht Erpressung, behauptet sie sich.“

Der Fernsehgottesdienst am Karfreitag ist einer der Höhepunkte im letzten Amtsjahr von Bischof Knuth. „Der Karfreitagsgottesdienst ist ohnehin in jedem Jahr ein Höhepunkt. In diesem Jahr ist er aber eine besondere Herausforderung, da er über Schleswig hinaus in ganz Deutschland und darüber hinaus eine Bedeutung haben wird.“

Dompastor Jochen Weber, der die Liturgie übernimmt, freut sich ebenfalls auf den besonderen Gottesdienst: „Für Schleswig und die Domgemeinde ist es eine schöne Aufgabe, den Karfreitagsgottesdienst für ein großes Fernsehpublikum ausrichten zu dürfen.“

Musikalisch stehen im Gottesdienst Passionslieder und Choräle von Johann Sebastian Bach im Vordergrund, dessen Geburtstag sich am 21. März jährt. Unter der Leitung von Domkantor Rainer Selle werden von der Domkantorei u. a. Choräle aus der h-moll-Messe von Bach gesungen.

Kirchenpräsident Peter Steinacker

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

Den Kreislauf des Leides gesprengt

Am Karfreitag hat Kirchenpräsident Peter Steinacker in der Frankfurter Wartburgkirche einen Gottesdienst gehalten, den der Hessische Rundfunk auf seiner Radiowelle hr1 übertrug. In seiner Predigt ging Steinacker auf die Bedeutung von Macht und Gewalt ein, die „zu den tiefsten Rätseln unseres Menschseins“ gehörten. Auch die Liebe sei eine Macht, predigte Steinacker und wies zudem darauf hin, dass es zum Leben untrennbar gehöre, mit Macht eigene Interessen gegen Lebensinteressen anderer durchzusetzen. Macht sei deshalb zwar zum Leben nötig aber „im höchsten Maß zweideutig“. Sie könne Leben durch körperliche Gewalt oder auch durch die Gewalt der Sprache in Form von Gerüchten und Mobbing zerstören. Kranke Menschen könnten ebenfalls Gewalt entfalten, um Hilfe und Zuwendung zu erzwingen. Gewalt errege einerseits Angst und Abscheu und andererseits ziehe sie seltsam an und reiche „weit in die tiefen Schichten unseres Wesens hinein“.

Menschen seien von sich aus nicht fähig, den durch Macht und Gewalt hervorgerufenen Kreislauf des Leides zu sprengen. Es sei ihnen unmöglich, „die Schuld zu löschen, die auf dem ganzen Dasein von Welt als Natur und Geschichte liegt“. Doch dies sei Gott nicht gleichgültig, deshalb habe er sich selber in diesen Kreislauf der Gewalt begeben, um das Verhängnis zu lösen. Wörtlich predigte Stenacker: „Er hat alle Schuld der Welt auf den schuldlosen Christus gehäuft und ist ans Kreuz gegangen, wo eigentlich wir hingehörten.“ Deshalb sei das Kreuz kein Unfall oder Unglück, sondern das göttliche Siegeszeichen über Sünde, Schuld, Tod und Teufel.

Der Karfreitag bleibe damit der Tag der Trauer darüber, „dass in der Welt und in uns die Zweideutigkeit der Gewalt und das Leiden so tief wohnen. Er ist der Tag der Trauer darüber, dass Gott aus Liebe zu uns ans Kreuz musste“. Aber zugleich sei der Karfreitag der Tag, sich zu freuen und dankbar zu sein, dass Gott sich nicht zurückgehalten habe. Daraus erwachse „die Kraft, trotz allem aus seiner Güte froh, liebevoll und voller Hoffnung zu leben“.

Hannover / Berlin, 20. März 2008

Pressestelle der EKD
Christof Vetter