Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist

Biopatente und Ernährungssicherung aus christlicher Perspektive. Eine Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung. EKD-Text 115, 2012

Vorwort

Vor gut zwei Jahren beauftragte der Rat der EKD die Kammer für nachhaltige Entwicklung angesichts einer sich rasant entwickelnden Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere, eine Studie zum Thema "Biopatente und Ernährungssicherung" zu erarbeiten. Die Kammer konnte dabei auf die 1996 erschienene EKD-Studie "Einverständnis mit der Schöpfung. Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik" zurückgreifen. In dieser Studie wurde allerdings ausschließlich die Patentierung gentechnisch veränderter Lebewesen in den Blick genommen. Denn konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere wurden damals durch die Formulierungen in den Regelwerken des Patentrechts nicht als patentierbar angesehen.

Mehr als 10 Jahre Erfahrung mit der Europäischen Biopatentrichtlinie – dem wesentlichen Regelwerk für Biopatente in Europa – zeigen jedoch, dass befürchtete Auswirkungen der Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere eingetreten sind: Es werden auch Patente auf Pflanzen und Tiere erteilt, die nicht gentechnisch verändert wurden. Die Vielfalt an Saatgut und Tierrassen nimmt ab. Landwirtschaftliche Forschung und Zucht werden behindert. Traditionelles Wissen wird durch Biopiraterie privatisiert. Die Ernährungssicherheit für Menschen wird nicht gefördert, sondern noch stärker gefährdet und eingeschränkt.

Auf der politischen Ebene wird – seit diesem Jahr verstärkt – über eine Reform der Europäischen Biopatentrichtlinie diskutiert. Im Februar 2012 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Entschließung, in der gefordert wird, dass konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere von der Patentierbarkeit ausgenommen werden. Auch das Europäische Parlament hat im Mai 2012 auf eine strengere Umsetzung der Europäischen Biopatentrichtlinie gedrängt und eine Resolution verabschiedet, nach der eine zu weit gehende Patentierung ethische Prinzipien verletzt und Landwirte schädigt.

Auch die evangelische Kirche sieht sich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre zu einer neuen Studie herausgefordert. Sie fragt im Blick auf das Zeugnis der Heiligen Schrift: Wie ist Gottes Auftrag an den Menschen, die Erde "zu bebauen und zu bewahren" (Gen 2,15), zu verstehen? Und dann konkreter: Wo und wie ist um der Schöpfung willen die Verfügungsgewalt des Menschen gegenüber Tieren und Pflanzen zu begrenzen?

Aus der Perspektive dieser theologischen Grundfragen mischt sich die evangelische Kirche mit der vorliegenden Studie ein in die kontroverse Debatte um Biopatente. Die Studie stellt die Auswirkungen von Biopatenten auf die weltweite Ernährungssicherung dar und ermutigt zu juristischen und institutionellen Reformen im Patentwesen. Sie will damit dazu beitragen, dass die Belange des Gemeinwohls gestärkt und eine sozio-ökonomische und ökologische Folgenabschätzung von Biopatenten verbindlich vorgenommen wird.

In christlicher Perspektive ist Gott der Schöpfer allen Lebens. Im alttestamentlichen Erfahrungskontext hat dies der Psalmist so bekannt: "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen." (Psalm 24,1) Menschen haben deshalb ihren Umgang mit Gottes Schöpfung – also auch mit dem Leben von Tieren und Pflanzen – vor Gott zu verantworten. Von dieser Überzeugung ist die Auseinandersetzung der evangelischen Kirche mit der Biopatentierung geleitet.

Im Namen des Rates der EKD danke ich der Kammer für nachhaltige Entwicklung für diese kenntnisreiche, sachlich wie theologisch sorgfältig gearbeitete Studie. Ich wünsche diesem Text eine breite und intensive Resonanz in Deutschland und der weltweiten Ökumene.

Hannover, im Juli 2012

Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider

Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

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