Unsere Verantwortung für den Sonntag
Vorwort
Im Alten Bund hat Gott dem Volk Israel geboten, den Sabbat heilig zu halten. Im Neuen Bund feiern die Christen von Anfang an den Sonntag als den Tag der Woche, an dem Jesus Christus von den Toten auferstanden ist. Jesus erinnert die Menschen, denen er die Botschaft vom Reich Gottes verkündet, an den ursprünglichen Sinn dieses Tages: "Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat" (Mk 2, 27). Dies gilt auch für den Sonntag. Wenn der Mensch den Sonntag heilig hält, sich im Gebet und Gottesdienst zu Gott wendet, dann wird ihm gewiß, daß er sein Leben nicht dem Zufall, sondern Gott, seinem Schöpfer, verdankt und daß das Ziel seines Daseins nicht das Vergehen und der Tod ist, sondern das Heil und das ewige Leben, zu dem jeder von Gott berufen ist. Die Feier des Sonntags ermöglicht den Menschen eine elementare Sinnerfahrung.
Seit geraumer Zeit gibt es Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die den Sonntag gefährden. Auch viele Christen sind sich des religiösen Ursprungs des Sonntags und des Sinnes, den das Heilighalten und Feiern an diesem Tag haben, nicht mehr bewußt. Auch im öffentlichen Leben ist das Bewußtsein um den Sonntag und seine Bedeutung für unsere ganze Kultur geschwunden. Zugleich sind technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen am Werk, die eine allmähliche Aushöhlung des Sonntags bewirken können.
In dieser Situation brauchen wir eine Besinnung. Die Christen, aber auch alle Menschen guten Willens, die gesellschaftlichen Gruppen, die Politiker müssen sich fragen: Was ist uns der Sonntag wert, und wie können wir ihn als Tag des Herrn und als einen grundlegenden Wert unserer Kultur erhalten? Die Kirchen haben sich in den vergangenen Jahren in jeweils einzelnen Veröffentlichungen und auch gemeinsam zu dieser Frage immer wieder zu Wort gemeldet (vgl. "Den Sonntag feiern" vom 1. Advent 1984). Um die notwendige Verantwortung zu wecken, wenden sich die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erneut mit einer gemeinsamen Erklärung "Unsere Verantwortung für den Sonntag" an die Öffentlichkeit. Wir bitten alle, die Sorge der Kirchen um die Erhaltung des Sonntags sich zu eigen zu machen und entsprechend zu handeln.
Bonn und Hannover, den 25. Januar 1988
Bischof Dr. Dr. Karl Lehmann
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Bischof Dr. Martin Kruse
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland