Zur Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf
Vorwort
Der hier vom Wissenschaftlichen Beirat des Beauftragten für Umweltfragen vorgelegte Diskussionsbeitrag ist keine Stellungnahme der evangelischen Kirche, die eine gegenwärtig geführte Debatte abschließt. Er weist vielmehr auf Probleme hin, die wie in der Gesellschaft so auch unter Christen umstritten sind. Unumstritten dagegen ist die Aufgabe, zusammen mit einem neuem Naturverständnis auch ein neues Verhältnis der Menschen zu den Tieren als ihren Mitgeschöpfen zu finden.
Die mit der technischen Zivilisation eingetretene Fremdheit des Menschen gegenüber seinen elementaren Lebensgrundlagen stört auch das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren. Die Fremdheit äußert sich auf der einen Seite in der Einschätzung der Tiere als bloßer Sachen, als Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, ohne Respekt vor ihrem Eigenwert, auf der anderen als Verklärung des Verhältnisses von Menschen und Tieren, die den eschatologischen Frieden schon in der Schöpfung realisieren möchte und für die Widersprüche in der von uns vorgefundenen Welt blind ist.
Hier das richtige Maß zu finden, die Aufgaben des Tierschutzes konkret beim Namen zu nennen, notwendige Veränderungen nicht durch die Einsprüche einer schlechten Realität zu blockieren - dazu soll auch dieser Beitrag voranhelfen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat aufgrund der hier veröffentlichten Ausarbeitung selber engagiert und kontrovers diskutiert. Er dankt den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats für viele Anregungen und Anstöße. Vom Fortgang der Diskussion erhofft er zu unser aller Nutzen mehr Klarheit, ob das Ziel der Verminderung der Gewalt zwischen Mensch und Tier vom biblischen Zeugnis her weitergeführt werden darf zu der radikalen Position einer prinzipiellen Ablehnung von Gewalt, anders gesagt: in welcher Weise ein Schöpfungspazifismus eschatologische Hoffnung bleiben muß und wieweit er schon jetzt das Handeln leiten soll.
Hannover, im Oktober 1991
Dr. Hartmut Löwe
Präsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland