Zwischen Nächstenliebe und Abgrenzung
Eine interdisziplinäre Studie zu Kirche und politischer Kultur
Haben Kirchenmitglieder weniger Vorurteile als andere Menschen? Und wie gehen Gemeinden mit aufkommenden gesellschaftlichen Herausforderungen um? Die Evangelische Kirche hat die Verbindungen zwischen Kirche und politischer Kultur in einer Studie untersucht.
Haben Mitglieder einer christlichen Kirche weniger oder mehr antisemitische Vorurteile als Nichtmitglieder? Wie wirkt sich die Religiosität eines Menschen auf sein Verhältnis zur Demokratie aus? Wird in rechtspopulistischen Hasskommentaren online auch theologisch argumentiert? Und wie gehen Gemeinden mit Rechtspopulismus und anderen Herausforderungen um, die sich im eigenen Haus oder vor den Kirchentüren ergeben?
Zusammenhang zwischen Religion und Vorurteilen ist wenig erforscht
Um diese und viele weitere Fragen zu untersuchen, hat die EKD drei Teilstudien gefördert, die den Zusammenhang zwischen Kirchenmitgliedschaft, Religiosität, politischer Kultur und Vorurteilen beleuchten. Zusammen ergeben die drei Teilstudien eine umfassende und innovative wissenschaftliche Erhebung, die das komplexe Thema mittels unterschiedlicher Methoden und Perspektiven in den Blick nimmt.
Die Gesamtstudie gliedert sich in drei Teile: In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage wurde der Zusammenhang zwischen Kirchenmitgliedschaft, Religiosität, politischer Kultur und gruppenbezogenen Vorurteilen untersucht. Anhand von zahlreichen Beispielen aus der Online-Kommunikation wurden rechtspopulistische Beiträge auf religiöse und theologische Argumentationsmuster hin analysiert. Und schließlich wurde in vier Fallstudien von evangelischen Gemeinden untersucht, vor welchen politisch-kulturellen Herausforderungen Kirchengemeinden stehen und wie sie damit umgehen.
Die zentralen Ergebnisse der Studien lassen sich in drei Thesen festhalten:
- Der Umgang mit Vorurteilen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist eine wesentliche Aufgabe für die Evangelische Kirche.
Die repräsentative Teilstudie, die Beziehungen zwischen Religiosität und Vorurteilen untersuchte, zeigt, dass religiöse Menschen sich in ihren Vorurteilen nicht signifikant vom Rest der Gesellschaft unterscheiden. Unterschiede tun sich aber auf, wenn man die Bedeutung der Religion im Leben der Menschen genauer betrachtet: So zeigen Menschen, für die Religion eine zentrale Rolle spielt, in vielen Bereichen weniger Vorurteile. Gleichzeitig haben Kirchenmitglieder, die davon überzeugt sind, dass andere Religionen weniger wahr sind als ihre eigene Religion, mehr Vorurteile. Gewisse Aspekte der Religiosität können also geringfügig vorurteilsfördernd sein, während andere Aspekte von Vorurteilen befreien.
- Kirchen sind eine Ressource für eine vielfältige, offene und vernetzte Gesellschaft.
Kirchen ermöglichen ein Nebeneinander von verschiedenen theologischen und gesellschaftspolitischen Haltungen und haben damit ein großes Potenzial für Integration. Sie sind Orte, die gesellschaftliches Engagement und soziale Vernetzung fördern, und wirken damit nachweislich demokratieförderlich. Gleichzeitig gibt es unter einigen Kirchenmitgliedern genau wie unter Konfessionslosen auch antidemokratisches Engagement.
- Kirchengemeinden können ein Ort demokratischer Beteiligung und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse sein.
Die Fallstudien zeigen, dass Kirchen Orte sind, die gesellschaftliche Impulse und neue Initiativen – etwa für die Nachhaltigkeit oder die Bekämpfung von Rechtsextremismus – setzen können. Ob und wie sich Gemeinden aber mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen, unterscheidet sich stark und hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Rolle Einzelner und der soziokulturellen Prägung der Gemeinde.
Im Folgenden finden Sie die Ergebnisse der Teilstudien im Detail. Für einen tieferen Einstieg können Sie die Gesamtstudie herunterladen.
Eine interdisziplinäre Studie zu Kirche und politischer Kultur
Gibt es auch in der Evangelischen Kirche Distanz zum gesellschaftlichen Grundkonsens zu Freiheit und Gleichheit aller Menschen oder Distanz zu demokratischen Werten? Um das herauszufinden, wurde von der EKD eine groß angelegte Studie gefördert, welche die Beziehungen zwischen Religiosität und politischer Kultur, im besonderen menschenfeindliche Weltansichten, ergründen soll. Die Studie erhebt Statistiken zu gruppenbezogenen Vorurteilen, analysiert Online-Kommunikation und betrachtet, wie Kirchengemeinden mit gesellschaftspolitischen Herausforderungen umgehen.
Anhänge zu Teilprojekt 1 und Teilprojekt 2 der Studie Zwischen Nächstenliebe und Abgrenzung
Evangelische Verlagsanstalt GmbH, 2022
ISBN 978-3-374-07141-8
Preis 29,00 Euro