Nach 7jähriger Arbeit geht heute mit der offiziellen Vorstellung des Buches "Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre" die erste Phase eines besonderen ökumenischen Forschungsprojektes zu Ende. Im Namen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands möchte ich der Studiengruppe der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen und der Päpstlichen Lateran-Universität Rom unter der Leitung der Professoren Eilert Herms und Giuseppe Lorizio meinen Dank für die geleistete Arbeit aussprechen. Es ist lobenswert, dass sich die universitäre Theologie daran gemacht hat, die heute gültigen Lehrdokumente, d.h. die maßgeblichen und verpflichtenden Texte unser beider Kirchen unter dem Gesichtspunkt ihres Gegenstandsbezuges zu untersuchen.
Wir alle wissen, die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre hat – gerade in Deutschland – eine große und zum Teil heftige Debatte ausgelöst und Fragen aufgeworfen, die weiterer Klärung bedürfen. Insofern ist es zu begrüßen, dass mit diesem Studienprojekt ein Schritt vorwärts getan wurde. Die VELKD hält es für wichtig, dass sich Ihre interkonfessionelle Arbeitgruppe der Mühe unterzogen hat, eine vertiefte Erfassung der eigenen Konstruktionsprinzipien jeder der beiden Lehrtraditionen anzustreben. Es tut der Ökumene sicherlich gut, wenn jede Konfession nicht nur ihre eigenen Denkvoraussetzungen reflektiert und anwendet, sondern sich auch einmal der Herausforderung stellt, konsequent die Positionen des Partners von innen heraus nachzuvollziehen. Einen Akt „methodischer Empathie“ nennen Sie dies in der Projektbeschreibung. Oder anders formuliert: Ohne Interesse am Anderen und ohne wohlwollende Wahrnehmung des Anderen ist Verstehen gar nicht möglich [so J. Track].
So mag es in der Tat sinnvoll sein, nicht gleich nach der gemeinsamen Sprache, nach dem gemeinsamen Konsens, nach dem Entwurf einer gemeinsamen Fundamentaltheologie zu suchen, sondern zunächst einmal den ökumenischen Partner sorgfältig wahrzunehmen und seine methodischen Voraussetzungen zu verstehen, so wie Sie es getan haben. Dabei waren Sie getragen von der Überzeugung, dass der Partner sich auf dieselbe Wirklichkeit bezieht wie man selbst, nämlich auf die Offenbarung der Wahrheit Gottes.
Solch eine Methode kann sicherlich zu einem wichtigen Baustein werden auf der Suche nach neuen ökumenischen Wegen neben der klassischen Arbeitsweise des differenzierten Konsenses. Solch ein Bemühen, nach weiteren Wegen und Formen zu suchen, hat ja auch die letzte Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands im Anschluss an den Bericht des Catholica-Beauftragten ausdrücklich angeregt.
Gegenseitiges Verstehen ist der erste Schritt zum gemeinsamen Verstehen. Deshalb mag das Ziel dieses Studienprojekts, sich der eigenen Konstruktionsprinzipien und vor allem auch die der anderen bewusst zu werden, dann auch bei der Suche nach gemeinsam verantworteten Aussagen des Glaubens helfen. Denn Glaube ist ohne die Gemeinschaft der Glaubenden nicht lebbar. Und diese schließt durchaus die in Lehrgesprächen gesuchte Verständigung über den gemeinsamen Glauben ein. So könnte die Gemeinschaftsproduktion der beiden beteiligten Universitäten auch die ökumenisch weiterhin wichtige Schiene des differenzierten Lehrkonsenses bereichern und voranbringen. Das profunde Verstehen der Denkvoraussetzungen und Position des Anderen ermöglicht einen gemeinsam verantworteten und gemeinsam zur Sprache gebrachten Konsens, der zugleich seine Grenzen thematisiert und aufzeigt, wo überhaupt Übereinstimmung angestrebt werden muss; einen Konsens, der die je eigenen konfessionellen Identitäten nicht verleugnet und zudem deutlich macht, inwieweit unterschiedliche Sprach- und Denktraditionen die Gemeinschaft im Glauben nicht tangieren; ein Konsens, der die Gemeinschaft der Kirchen mit Jesus Christus und untereinander stärkt.
So bleibt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und mir der Wunsch, dass die Ergebnisse Ihres Projektes gute Aufnahme finden und für die ökumenische Sache fruchtbar gemacht werden. Und wir wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen für Ihre eigene Weiterarbeit an diesem Projekt.