Lieber Bruder Martin Dutzmann,
über dem Beginn Deines Dienstes als neuer Bischof für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr soll eine Verheißung Gottes stehen. Im ersten Kapitel des Lukasevangeliums heißt es vom dem Licht, das Gottes Barmherzigkeit aufleuchten lässt: es „richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ (Lukas 1, 79).
Friede, das ist kein Zustand. Friede, das ist ein Weg. Oder wie es die neue Friedensdenkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland gleich in ihren ersten Sätzen betont: „Friede ist keine Selbstverständlichkeit. Ihn zu wahren, zu fördern und zu erneuern, ist eine immerwährende Aufgabe.“ Im Raum der Verantwortung, in den wir als Menschen gestellt sind, gibt uns das Licht Gottes Orientierung für diesen Weg. Ja, es eröffnet uns erst den Weg des Friedens, der von der Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus herkommt und auf die schrittweise Verwirklichung von Recht und Gerechtigkeit hinführt. Das christliche Ethos ist dabei vorrangig von der Option für die Gewaltfreiheit bestimmt. Wir wissen jedoch: In einer friedlosen Welt kann es auch die Notwendigkeit geben, dem Schutz von Recht und Leben durch den Gebrauch von Gewalt zu dienen.
Aber nicht nur der Waffenverzicht, sondern auch der Militärdienst setzt eine im Gewissen verantworte Entscheidung voraus. Grundsätzlich und in der konkreten Situation. Deshalb beteiligt sich die evangelische Soldatenseelsorge an der Schärfung und Beratung der Gewissen. Dem dienen sowohl Einzelseelsorge und Rüstzeiten als auch der Lebenskundliche Unterricht, der von den Seelsorgerinnen und Seelsorgern als Dozenten verantwortet wird. Seelsorge, die sich den Soldatinnen und Soldaten in ihrer persönlichern Situation zuwendet, und die Klärung grundsätzlicher friedensethischer Fragen sind zwar voneinander zu unterscheiden, sie können aber letztlich nicht voneinander getrennt werden. Seelsorge an Soldatinnen und Soldaten ist Teil des kirchlichen Auftrags zur Verkündigung, Seelsorge und Bildungsarbeit.
Dabei leitet die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr der Gedanke der „kritischen Solidarität“. Die evangelische Seelsorge bejaht die an Recht und Gesetz gebundene militärische Schutzaufgabe. Auf dieser Grundlage beteiligt sie sich am kritischen Nachdenken über sicherheitspolitische Vorgaben, militärstrategische Doktrinen oder gruppenspezifische Mentalitäten. Sie wahrt ihre Eigenständigkeit, um gerade so zur Solidarität fähig zu sein.
Der neue Bischof für die Evangelische Seelsorge hat selber als Zeitsoldat in der Bundeswehr Erfahrungen gesammelt; der scheidende Militärbischof ist anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Das eine wie das andere ist eine gute Qualifikation für dieses Amt; denn das eine wie das andere unterstreicht, dass jemand die Verantwortung für den Frieden als Thema persönlicher Verantwortung erkannt hat. Martin Dutzmann wird seine Erfahrung in der Bundeswehr dabei helfen, den Gedanken der kritischen Solidarität in den Begegnungen mit den Soldatinnen und Soldaten, im Gespräch mit den politisch und militärisch Verantwortlichen und in der Begleitung der evangelischen Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Bundeswehr mit Leben zu erfüllen. Mein Wunsch und unsere Bitte an Gott ist, dass auf diese Weise in dem neuen Amt etwas von dem Licht Gottes aufscheint, das unsere Füße auf den Weg des Friedens richtet. Amen.