Die Fußballweltmeisterschaft in Afrika
In Südafrika war der 27. April 1994 ein Tag wie kein anderer zuvor. Es war der Tag der Befreiung von jahrzehntelanger Unterdrückung einer großen Mehrheit aufgrund ihrer Hautfarbe durch eine kleine Minderheit. Es war der Tag der ersten demokratischen Wahl. Nelson Mandela, der unter der nun aus dem Amt scheidenden Regierung 27 Jahre im Gefängnis gesessen hatte, wurde Präsident.
Nach diesem Ereignis folgt nun für Südafrika ein weiterer magischer Tag, der von kaum vorstellbarer Vorfreude erwartet wird, der Tag des Beginns der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Es gibt kaum ein Thema in diesem wunderschönen Land am Kap der guten Hoffnung, das die Nation so eint und bewegt zugleich: Fußball. Südafrika sieht in der Vergabe der FIFA über das sportliche Ereignis heraus auch eine Anerkennung seiner neuen politischen Lage und einen weiteren Beitrag zu einer „strategischen Partnerschaft“ auf Augenhöhe mit dem Rest der Welt.
Der frühere Kapstädter Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sagte bei seinem letzten Besuch in Berlin: „Die FIFA Fußball Weltmeisterschaft ist wirklich unsere WM, sie wird uns sehr dabei helfen, unser Land weiter zusammenzuführen. Wir werden beweisen, dass eine multi-kulturelle Gesellschaft möglich ist. Wir sind ein Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt.“
Seit der Vergabe der WM bereitet sich Südafrika konzentriert auf vielfältige Art und Weise auf seine Gastgeberrolle vor. Und manchen Befürchtungen aus dem Ausland zum Trotz konnten alle Stadien rechtzeitig fertig gestellt werden. Auch die Generalprobe, der FIFA Confederations Cup, wurde erfolgreich bestanden. So kann die erste Fußball Weltmeisterschaft in Südafrika zu einem Erfolg für den gesamten afrikanischen Kontinent werden.
Sportliche Großereignisse tragen in Südafrika in besonderer Weise zu Stabilität und Harmonie bei. Schließlich finden die Spiele in einem Land statt, das vor enormen Herausforderungen beim Aufbau des „neuen“ Südafrikas steht. Die Armut im Land ist groß, die Arbeitslosigkeit und die Ausbreitung von Aids gilt es zu meistern. Die Regierung muss es schaffen, die Annäherung der vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und soziale Spannungen abzubauen.
Trotz aller Schwierigkeiten gibt es viele beispielhafte und bewundernswerte Bemühungen um Versöhnung und Aufbau gerechter Strukturen. Dabei sind auch die Kirchen in vielfältiger Weise beteiligt. Dazu zählen auch gezielt Projekte im Blick auf die Weltmeisterschaft. Die Initiative „Kirche am Ball“ bemüht sich darum, Jugendliche am Rande der Gesellschaft stärker an der Fußball-WM 2010 teilhaben zu lassen. Das ökumenische Medienprojekt „Heartlines“ will durch Betonung universeller Werte wie Ehrlichkeit, Mut oder Mitgefühl in Film- und Radioprogrammen die Gesellschaft positiv beeinflussen. Ein weiteres Projekt, das Hoffnung weckt, geht von der Emmanuel-Kathedrale in Durban aus – in einer Gegend mit vielen Flüchtlingen, Obdachlosen und Arbeitslosen. Es wird dort ein Gemeindezentrum renoviert, um Sozialleistungen und Bildungsangebote anbieten zu können. Und der nächste Nachbar des Kirchenzentrums, die Juma Musjid – die „große Moschee“, unterstützt die christliche Gemeinde nach Kräften bei diesem Programm.
Beim Fußballtraining in Südafrika lernen Jugendliche mehr als nur gut zu kicken, sagte ein Trainer des „Youth Development through Football“ Projekts: „Wir wollen, dass die Jugendlichen ihr Leben selber in die Hand nehmen, statt darauf zu warten, dass ihnen andere helfen“. Und diese Botschaft scheint nicht nur in Südafrika, sondern an vielen anderen Orten des schwarzen Kontinents angekommen zu sein. Nomen est Omen: Fußball Weltmeisterschaft am Kap der guten Hoffnung – nicht nur Spiele – sondern ein Hoffnungszeichen für ganz Afrika? Das ist mein persönlicher Wunsch für die vor uns liegenden Spiele.