Radiogottesdienst: Predigt über den Choral: „Das Volk, das noch im Finstern wandelt“ (EG 20)
Nikolaus Schneider in der Evangelischen Friedhofskirche Wuppertal-Elberfeld
Sprecherin: (1. Strophe)
Das Volk, das noch im Finstern wandelt – bald sieht es Licht, ein großes Licht. Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt.
Präses:
Ein großes Licht wirkt in schwarzer Finsternis überwältigend, liebe Gemeinde. Es entfaltet seine Wirkung mit strahlender Kraft.
Die Erfahrung von Dunkelheit lässt in uns das Verlangen und die Sehnsucht nach Licht wachsen. Jubelnde Freude über ein großes Licht erfüllt unser Herz und unsere Sinne, wenn Finsternis uns bedrängt und geängstigt hat.
Deshalb hatten und haben Lichterfeste ihren Ort in dunklen Jahres- und Tageszeiten. Deshalb haben an dem vergangenen Abend und in der vergangenen Nacht unzählige Kerzen daran erinnert, dass mit der Geburt Jesu Christi ein unvergängliches Licht auf uns alle scheint. Die Kerzen der Heiligen Nacht sind nun ausgebrannt. Was ist uns geblieben von dem Lichterrausch dieser Nacht - heute am Weihnachtsmorgen?
„Siehe, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird!“ diese Botschaft des Engels gab der Heiligen Nacht ihr unverwechselbares ewiges Licht. Was bleibt uns davon - heute am Tag „danach“, und übermorgen, wenn nach all den Feiertagen unser Alltag wieder beginnt?
Sprecherin: (2. Strophe)
Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen, wo Tod den schwarzen Schatten wirft: Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.
Präses:
In Jesus Christus hat Gott für uns die Macht der Finsternis gebrochen. Aber machen wir uns nichts vor: Auch 2000 Jahre nach Christi Geburt bedrängt und ängstigt uns Finsternis. Auch 2000 Jahre nach Christi Geburt wohnen wir noch immer und immer wieder in Tälern von Tränen: wenn die Nachricht über eine schlimme Krankheit die bittere Realität der Festtage ist; wenn wir um Fassung ringen nach dem Vertrauensbruch durch einen geliebten Menschen oder wenn Tränen fließen nach dem Streit in der Familie.
Wir erinnern und feiern Weihnachten also auch während der Durststrecken unseres Lebens. Und gerade in solchen Zeiten brauchen wir Weihnachten. Denn wir ersehnen und erhoffen die lichtvolle Gegenwart Gottes, weil die Dunkelheiten noch nicht aus unserem Leben und unserer Welt gewichen sind. Aber gleichzeitig gilt: Schon jetzt erinnern und feiern wir das Licht, das mit Christi Geburt in alle Finsternis scheint.
CHOR mit Orgelbegleitung: Strophen 1 und 2:
Das Volk, das noch im Finstern wandelt – bald sieht es Licht, ein großes Licht.
Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt.
Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen, wo Tod den schwarzen Schatten wirft:
Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.
(0’50)
Präses:
Wir feiern Weihnachten, weil wir glauben, dass Gott in Jesus Christus für uns Menschen gehandelt hat. Und das bleibt richtig, auch wenn für viele Menschen das Weihnachtsfest in Schenken und Beschenktwerden aufgeht und das Zusammenkommen als Familie im Vordergrund steht.
Und wir brauchen Weihnachten, weil wir wissen, dass Menschen-Wille und Menschen-Handeln allein in den Dunkelheiten dieser Welt nicht bestehen können.
„Heb in den Himmel dein Gesicht“ – das ist gerade keine Weltflucht. Menschen wenden ihr Gesicht dem Himmel zu, um Gottes Wort zu lauschen und Gottes Handeln zu erwarten und auf diese Weise Kraft und Orientierung für das eigene Handeln zu erlangen.
Gerade wenn sich Menschen ihrer Weltverantwortung stellen, werden sie sich ihrer Begrenztheit bewusst. Denn trotz allem Bemühen in der Entwicklungszusammenarbeit sterben 24.000 Kinder täglich, weil sauberes Wasser und Nahrung fehlen und die medizinische Versorgung unzureichend ist. Gottes Schöpfung wollen wir bewahren – und doch erweisen wir uns als unfähig, die zum Schutz des Klimas notwendigen Verträge auszuhandeln. Wir wissen, dass Kriege nur Verlierer zurücklassen, aber trotzdem scheitert das Bemühen um friedliche Lösung von Konflikten täglich daran, dass Menschen auf Stärke, Kampf und Sieg setzen.
Aus Weltverantwortung wenden wir uns also Gott zu. Denn das Hören auf Gottes Wort und das Vertrauen auf Gottes Handeln schenken die Kraft, uns den Dunkelheiten in unserem Leben und in unserer Welt zu stellen. Weil wir uns in diesen Dunkelheiten nicht mehr Gott-verlassen wähnen, können uns Ängste nicht lähmen und Niederlagen nicht entmutigen.
Der Blick in den Himmel vermittelt uns die Perspektive des ewigen Gottesreiches. Und eben diese Perspektive verhindert es, dass wir verschreckt handlungs- und bewegungsunfähig im schwarzen Schatten des Todes hocken bleiben. Uns beflügelt die Gewissheit: So, wie Gott in Christus schon gekommen ist, so wird er auch wieder kommen.
Sprecherin: (3. Strophe)
Er kommt mit Frieden. Nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit! Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.
Präses:
Die Weihnachtsbotschaft schenkt uns die Gewissheit: Selbst in unseren Todeserfahrungen müssen wir uns nicht mehr Gott-verlassen wähnen. Auch wenn unsere Tränen noch nicht alle getrocknet sind: Die Finsternis wird vergehen!
Schon jetzt ist der Bann schwarzer Todesschatten gebrochen von dem Licht Gottes in Jesus Christus. Das wahre Licht scheint schon jetzt. Es scheint auf in tröstenden Worten, freundlichen Blicken und der Umarmung, die mich hält. Es ist die Erfahrung, von guten Mächten wunderbar geborgen zu sein, auch wenn alles zerbricht.
CHOR mit Orgelbegleitung: Strophen 3 und 4 und Vers zu .I Joh. 2,8:
Vers: Und das wahre Licht scheint schon.
Er kommt mit Frieden. Nie mehr Klagen, nie Krieg, Verrat und bittre Zeit!
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit, weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.
Die Liebe geht nicht mehr verloren. Das Unrecht stürzt in vollem Lauf.
Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf und ruft: „Uns ist ein Kind geboren!“
Vers: Und das wahre Licht scheint schon.
Sprecherin:
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.“ (Jesaja 9,1)
Präses:
Diese biblische Verheißung des Propheten Jesaja sehen wir Christenmenschen mit der Geburt des Gottessohnes Jesus Christus erfüllt.
Darum feiern wir Weihnachten auch heute! Darum vergegenwärtigen wir uns jedes Jahr neu die jubelnde Engelbotschaft der Heiligen Nacht:
Sprecherin:
„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird: Euch ist heute der Heiland geboren!“ (Lukas 2,10f)
Präses:
Jesus Christus ist das Licht, das alle unsere Dunkelheiten erhellt. Sein Leben, Sterben und Auferstehen machen uns offenbar: Es gibt keine Gott-lose Finsternis auf dieser Erde, und es gibt keine Gott-losen Dunkelheiten in unserem Leben!
Der Gottessohn selbst hat Krieg, Verrat und bittre Zeiten erlebt und durchlitten. Er hat Schmerzen, Folter und Tod auf sich genommen und bei alledem die Liebe zu Gott und die Liebe zu uns Menschen nicht verloren. Jesus Christus hat uns ein für allemal gezeigt: Stärker als der Tod ist die Liebe!
Sprecherin: (4. Strophe)
Die Liebe geht nicht mehr verloren. Das Unrecht stürzt in vollem Lauf. Der Tod ist tot. Das Volk jauchzt auf und ruft: »Uns ist ein Kind geboren!«
Präses:
Gott hat Jesus nicht dem Tod überlassen. Gott hat Jesus auferweckt. Die Liebe und die Lebensmacht Gottes haben sich als stärker erwiesen als alle Gewalten und Mächte des Todes! „Der Tod ist tot!“ Das galt für Jesus am Ostermorgen, und ich glaube fest: Das wird auch für uns gelten, wenn Gott uns neues Leben in seinem Gottesreich schenken wird!
Auch wenn Todeserfahrungen und Unrecht noch nicht aus unserem Leben und aus unserer Welt verschwunden sind es gilt schon jetzt: Der Bann des Todes ist gebrochen!
Deshalb können auch wir heute trotz (hier werde ich je nach aktueller Lage am 25.12. konkrete Beispiele nennen, z. B.: trotz der Terrorwarnungen in unserem Land, trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan/Israel/Korea) aufjauchzen und einander zurufen: „Uns ist ein Kind geboren!“ Jesus Christus ist das Licht der Welt und das Licht unseres Lebens! Sein Licht scheint in alle Dunkelheit! Die Liebe geht nicht mehr verloren!
CHOR mit Orgelbegleitung: Strophen 5 und 6:
Man singt: „Ein Sohn ist uns gegeben, Sohn Gottes, der das Zepter hält,
der gute Hirt, das Licht der Welt, der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
Noch andre Namen wird er führen: Er heißt Gottheld und Wunderrat
und Vater aller Ewigkeit. Der Friedefürst wird uns regieren.
Präses:
Die Heilige Schrift erzählt und bezeugt uns: Menschen lebten in einer vertrauensvollen Bindung zu Gott. Ihre Gottes-Erfahrungen und Gottes-Sehnsüchte verdichteten sie zu Namen Gottes. Und diese Namen benennen das Programm Gottes für sein Handeln mit uns Menschen.
Sprecherin: (Strophen 5 und 6)
»Ein Sohn ist uns gegeben, Sohn Gottes, der das Zepter hält, der gute Hirt, das Licht der Welt, der Weg, die Wahrheit und das Leben.« Noch andre Namen wird er führen: Er heißt Gottheld und Wunderrat und Vater aller Ewigkeit. Der Friedefürst wird uns regieren!
Präses:
Im Vertrauen auf Gott wissen Menschen sich geleitet an allen Tagen ihres Lebens. Und im Vertrauen auf Gott wissen Menschen sich geführt auf allen Wegen ihres Lebens. Sie bekennen mit Worten aus Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte!
Im Vertrauen auf Gott binden sich Menschen an den Gottessohn Jesus Christus. Trotz aller politischer und gesellschaftlicher Wirrnisse in ihrer Zeit und trotz aller Unwägbarkeiten und Unsicherheiten in ihrem persönlichen Leben finden sie in der Gemeinschaft mit Christus ein erfülltes und gesegnetes Leben. Sie bekennen: Jesus Christus ist der gute Hirte, das Licht der Welt, der Weg, die Wahrheit und das Leben!
Gleichwohl erleben Menschen auch in ihrer vertrauensvollen Bindung an Gott „Krieg, Verrat und bittre Zeiten“. Deshalb sehnen sie sich nach dem Kommen des Gottessohnes in Klarheit und Herrlichkeit für alle Welt. Sie sehnen sich nach der neuen Welt Gottes, in der Tod, Krieg und Gewalt nicht mehr sein werden, in der Gott selbst alle unsere Tränen abwischen und mitten unter uns wohnen wird.
Sprecherin: (7. Strophe)
Dann wird die arme Erde allen ein Land voll Milch und Honig sein. Das Kind zieht als ein König ein, und Davids Thron wird niemals fallen.
Präses:
Auch wenn unsere arme Erde noch nicht ein Land voller Milch und Honig für alle ist, gilt schon jetzt: Das erwartete zukünftige Gottesreich schenkt unserer Welt und unserem Leben eine neue, hoffnungsvolle Perspektive. Ihre Sehnsucht und ihre Erwartung verdichten Menschen in Gottesnamen für den kommenden Christus: Er heißt Wunder-Rat – der trotz auswegloser Lage zu raten weiß. Er heißt Gott-Held – der mich beschützt, wenn meine Kräfte am Ende sind. Er heißt Ewig-Vater – der zu allen Zeiten verlässlich an meiner Seite steht. Er heißt Friede-Fürst – dessen Herrschaft endlich nichts anderes als Friede ist.
CHOR mit Orgelbegleitung/Strophen 7 und 8:
Dann wird die arme Erde allen ein Land voll Milch und Honig sein.
Das Kind zieht als ein König ein, und Davids Thron wird niemals fallen.
Dann stehen Mensch und Mensch zusammen vor eines Herrschers Angesicht,
und alle, alle schauen ins Licht und er kennt jedermann mit Namen.
Präses:
Ein großes Licht wirkt in schwarzer Finsternis überwältigend, liebe Gemeinde. Es entfaltet seine Wirkung mit strahlender Kraft. Die Erfahrung von Dunkelheit lässt in uns das Verlangen und die Sehnsucht nach Licht wachsen. Jubelnde Freude über ein großes Licht wird unser Herz und unsere Sinne erfüllen, wenn Finsternis uns bedrängt und geängstigt hat.
Deshalb geht es dem Evangelium und auch der Weihnachtsbotschaft nicht um das Verschleiern und nicht um das Verharmlosen all der Dunkelheiten in dieser Welt und in unserem Leben. Weihnachten „zaubert“ die Finsternis nicht weg. Aber Weihnachten schenkt uns ein unvergängliches Licht. An diesem Licht können wir uns in der Dunkelheit orientieren. Mit diesem Licht wird uns die Freiheit geschenkt, trotz aller Dunkelheiten zu glauben, zu hoffen und zu lieben. Angesteckt von diesem Licht können wir selbst zu Licht werden für andere.
Sprecherin: (Strophe 8)
Dann stehen Mensch und Mensch zusammen vor eines Herren Angesicht, und alle, alle schaun ins Licht, und er kennt jedermann mit Namen.
Präses:
Die Kerzen der Heiligen Nacht sind ausgebrannt. Die große Weihnachtsfreude aber bleibt uns auch heute am Weihnachtsmorgen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!“ diese Botschaft der Engel gab nicht nur der Heiligen Nacht ihr unverwechselbares ewiges Licht.
Diese Botschaft bleibt. Sie gibt auch unserer Gegenwart ein strahlendes Licht für alle Tage und alle Stunden unseres Lebens, auch wenn übermorgen unser Alltag wieder beginnt!
Sprecherin: (1. Strophe)
Das Volk, das noch im Finstern wandelt - bald sieht es Licht, ein großes Licht. Heb in den Himmel dein Gesicht und steh und lausche, weil Gott handelt. (0’10)
Präses:
Amen!