Predigt zum Sonntag "Trinitatis", Frauenkirche zu Dresden

Thies Gundlach

Gnade sei mit uns und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

I.
Liebe Gemeinde,
„Lieber dreifaltig als einfältig“, als Pastor in Hamburg habe ich mit diesem Merkvers versucht, meine Gemeinde für das Thema des heutigen Sonntags zu begeistern: Trinitatis, der „Tag der Heiligen Dreifaltigkeit“, das ist - theologisch gesehen - schweres Geschütz, der Sonntag führt uns in die luftigen Höhen einer Trinitätstheologie. Gott ist einer in drei Personen, der eine Gott ist in allen drei Personen vollständig gegenwärtig, der Sohn und der Heilige Geist sind also dem Vater gleichgeordnet und nicht subordiniert, auch der Sohn ist also Schöpfergott wie der Vater, auch der Vater leidet und stirbt am Kreuz zu Golgatha, auch der Heilige Geist ist als liebende Verbindung zwischen den dreien allgegenwärtig usw. Ich hoffe, liebe Gemeinde, Sie können mir folgen! Sonst gilt: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte ihren Pfarrer oder Gemeindekirchenrat.

Man kann die Sache aber auch etwas schlichter mit einem schönen, typisch norddeutsch trockenen Kalauer sagen: Am Sonntag Trinitatis ist im Himmel die Welt wieder in Ordnung! Weil nämlich der dreieinige Gott tatsächlich wieder vereinigt ist, dass also im Himmel wieder zusammengekommen ist, was zusammengehört. Gott, der Vater, hat seinen Sohn zurück, den er in die Welt geschickt hatte, damals in den dunklen Stall von Bethlehem. Dieser Sohn hat dann den unsagbar mühseligen Weg des Leidens und Sterbens auf sich genommen, ist auferstanden nach der Schrift am dritten Tag, ist den Jüngern erschienen, erst Kephas, dann den Zwölfen. Unter dem Jubel aller Engel, Fürstentümer und Gewalten in der sichtbaren und unsichtbaren Welt kehrt er am Himmelfahrtstag zurück; es folgt das Pfingstfest, die Ausgießung des Geistes, der Tag also, an dem Gottvater und der Sohn gemeinsam den Heiligen in die Welt senden, als Tröster, der uns berührt durch Gottes Wort, der uns behütet durch seine guten Engel und der uns eines Tages zurückbringt in den Himmel bei Gott. 

Und am Sonntag Trinitatis feiern wir Christen, dass nun dieses größte Drama aller Zeiten, diese unendlich staunenswerte Gottesgeschichte zur Ruhe gekommen ist. Deswegen folgen jetzt die gezählten Sonntage nach Trinitatis, es wird diese Vollständigkeit im Himmel einfach fortgesetzt, bis im Herbst mit Erntedanktag und Reformationstag, mit Ewigkeitssonntag und 1. Advent das ganze Drama erneut erinnert wird. Trinitatis = der Tag, an dem im Himmel die Welt wieder in Ordnung ist.  

II.
Und nun – liebe Gemeinde - stellen Sie sich einmal vor: Es ist dieser trinitarische, dieser in sich vielfältige, dynamische und dramatische Gott, es ist der gewaltige Schöpfer, der zugleich ein ganz kleiner Mensch, ein Kind, wird, und den ganzen Kummer dieser Welt erleidet; es ist dieser Gott der Nähe, der als Heiliger Geist jeden Menschen berühren kann, es ist dieser unfassbar große, geheimnisvolle, dramatische, verwunderliche, dreifaltige Gott, von dem die ersten Christen den folgenden Lobpreis sangen und sagten ( Epheser 1,3-14)

„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.“

Das ist kein leichter Text und für viele große Theologen ist er ein Schlüsseltext für eine Erwählungslehre, eine Vorherbestimmung vor aller Zeit. Aber, liebe Gemeinde, zuerst und vor allem ist dieser Text ein einziges Staunen, eine gewaltige Verwunderung über diesen großen Gott, der sich die Mühe macht, mich und dich zu erwählen, mich und dich wichtig zu finden, mich und dich zu beschenken mit dem Segen Christi. Er hat uns gemacht zu Kindern, zu Erben und Freunden, wir sind ausgezeichnet und gewürdigt durch seine Wege! Hier staunt die junge Christenheit über diesen Gott, sie staunt über die unfassbare Mühe, die sich Gott gemacht hat. Die große Schöpfung, die wundersame Inkarnation, das elende Sterben, die verblüffende Heimkehr, - das ganze Drama nur, damit ich kleiner Mensch gesegnet werden mit dem geistlichen Güter des Trostes. Dieser Text des Epheserbriefes atmet noch das allererste Staunen der Christen darüber, dass der große Gott sich solche unendliche Mühe macht, um sie zu befreien, zu trösten, zu halten. Es liegt in dieser Bibelstelle ein unerhörtes Selbstbewusstsein der ersten Christen, ein weltgeschichtlich völlig neuer Klang eines aufrechten Ganges: Dieser unendliche große, dreifaltige Gott hat sich meiner angenommen, er hat mich und dich für wichtig befunden, er hat mich seit Ewigkeiten in den Blick genommen, hat mich gesehen und erwählt zum Erben seines Reiches. Ein Staunen über Gottes Wege: dass „wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.“ Damit wir etwas seien, damit wir uns selbst ernst und wichtig nehmen, damit wir uns nicht unnütz meinen im weiten Weltall und nebensächlich glauben im großen Weltgetriebe, damit wir uns niemals selbst unter Wert verkaufen und niemals unter der Würde handeln, die uns das Drama der Gottesmühe zuerkannt hat. Am Anfang des Christentums steht das Staunen, dass Gott sich so viel Mühe um mich und dich macht, dass wir dies nur angemessen nacherzählen können mit der Rede vom dreifaltigen Gott.  

III.
Liebe Gemeinde,
man kann nun über diesen Epheserbrief stundenlang diskutieren und seitenweise Kluges schreiben, im Kern aber will ich sie heute verlocken, nur diesen einen Ton zu hören: Es ist dieser gewaltige, große, kleine, leidende, siegende, heilige Gott der Dreieinigkeit, der sich um mich und dich kümmert, der uns sieht und heilen will. Die Trinitätslehre mag eine große intellektuelle Herausforderung sein, der christliche Glaube an die Trinität ist dagegen eine existentielle Verwunderung über Gottes Mühen für den Menschen. Und dieses Staunen über Gott schenkt dem Staunenden ein unerhörtes Selbstbewusstsein, das gerade nicht auf der eigenen dreieinigen Leistung aus Klugheit, Fleiß und Moral basiert, sondern allein auf Gottes trinitarischer Festlegung vor aller Zeit. Vor von Ewigkeit her in Christus erwählt und bestimmt wurde, der kann sicher sein: es hat gar nichts mit der eigenen Würdigkeit zu tun, sondern gründet allein in Gottes Willen.

Und dieses verwunderte Staunen über jenen dynamischen Gott der Dreifaltigkeit, der sich seit unvordenklichen Zeiten um mich und dich kümmert, dieses Staunen blitzt immer mal wieder auf in der Geschichte unserer Kirche, aber natürlich erkennen wir dieses Staunen besonders in der Reformation des 16. Jahrhunderts wieder. Man kann dabei an Martin Luther und seinen Mut vor Kaiser und Reich denken, man kann auch an die oberdeutsche Reformation rund um Huldych Zwingli und Joahnnes Calvin denken, aber man kann auch schlicht an die ungezählten kleinen Leute denken, die ganz normalen Menschen wie du und ich damals, die plötzlich dieses Erstaunen wiederentdecken und sich verwunderten: der große Gott meint auch mich! Plötzlich ging ein Ruck durch die verknotete Gesellschaft des Spätmittelalters, ein Schub aufrechten Ganges, eine Mut-Welle durch Gottes Evangelium und eine Freiheits-Flut, die alles verwandelte. Und bevor wir im Jahr 2017 das Reformationsjubiläum feiern und würdigen als Aufbruch in die moderne Welt, als Bildungsbewegung, als Beginn einer ganze neuen Mündigkeit des einzelnen usw., liegt mir zuerst daran, die religiöse, geistliche Dimension zu nennen: Wo Gottes Geist ist, da ist aufrechter Gang, da ist ein Ende aller falscher Angst, das Ende aller ungehörigen Einschüchterung, da ist Schluss mit allem falschen Kleinmachen. Wo dieser trinitarische Gott mit seiner ganzen Dynamik einer Seele nahe kommt, da muss sich der Teufel des Kleinmuts verkriechen, da muss sich der Geist der Sorgenfalten verstecken und die drei Freunde von der Angstzapfstelle verkrümmeln. Nicht weil alles plötzlich leicht, heiter und problemlos wird, sondern weil der Geist des Staunens über die großen Taten Gottes uns innerlich stark macht, aufrecht gehen lässt und auch vor unseren jeweiligen „Kaisern und Reichen“ mutig bleiben lässt. Nichts stärkt eine Seele so sehr wie jenes Staunen des Epheserbriefes, dass Gott sich vor aller meiner Anstrengungen für mich so abmüht, so einsetzt, so dreifach dynamisch ist, damit „…wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.“

Deswegen, liebe Gemeinde, glaube ich wohl: Wir Christen können der Welt, in der wir jeweils leben, nichts Größeres schenken und Besseres antun als eben jene innere Stärke und Zuversicht  weitergeben, die aus dem Staunen über Gottes innere, trinitarische Dynamik erwächst.

„Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.“

Gott sei Dank und Amen