„Evangelisch klingt“ - zur Eröffnung des Dekadenjahres „Reformation und Musik“ im Saarland, Ludwigskirche, Saarbrücken

Nikolaus Schneider

Predigt über Römer 5,8

„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Römer 5, 8)

Liebe Gemeinde!

Von der Liebe angemessen zu reden - das fällt sehr schwer. Die Liebe in Worten zu ergründen, mit Worten umfassend erklären oder erweisen zu wollen – das ist gar nicht möglich.
Denn Liebe ist weit mehr als unsere Vernunft und unser Verstand ergreifen können. Liebe ist weit mehr, als unsere Worte auszudrücken vermögen.
Liebe ist ein Beziehungsgeschehen, das unser Fühlen und Denken, unseren Kopf und unser Herz und alle unsere Sinne ergreifen und bewegen will.
Das gilt für die Liebe zwischen uns Menschen. Und das gilt auch für die Liebe Gottes zu uns Menschen.

Liebe und Musik stehen in einem innigeren Verhältnis zueinander als Liebe und Worte.

Denn wie die Liebe vermag es auch die Musik, alle unsere Sinne zu ergreifen und zu bewegen.

Musik bringt Liebe zum Erklingen. Und die Liebe inspiriert die Musik zu immer neuen Tönen und Melodien. Von göttlicher und menschlicher Liebe klingt es in vielen musikalischen Werken, in Liedern, Opern und Oratorien. Daran hatten wir in diesem Abendlob schon Teil. Etwa als wir gesungen haben: „Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott, was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott?“

Die Liebe ist auch das entscheidende Thema unseres Predigtverses, und zwar die Liebe Gottes zu uns Menschen!
Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer im achten Vers des fünften Kapitels:
„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Römer 5, 8)

Ich kann nun das paulinische Wort von der Liebe Gottes nicht in Musik umsetzen. Ich muss mich jetzt darauf beschränken, mit Worten dieser Liebe nahe zu kommen. Ich will versuchen, mit Worten von der Liebe Zeugnis zu geben.

In zwei Gedanken will ich den Versuch wagen:

Zum Ersten:

Der christliche Glaube ist kein philosophisches Gedankenspiel, sondern ein Beziehungsgeschehen, das die Realität der Glaubenden verändert.

Es geht um die Beziehung Gottes zu uns Menschen, um die Beziehung von uns Menschen zu Gott und um die Beziehung von uns Menschen zu einander.

Wir lernen in der Schrift und begreifen im Glauben: Gott selbst hat durch Jesus Christus den Weg für diese Beziehungen eröffnet:

Jesus Christus ist der Weg Gottes zu uns Menschen.

In ihm hat Gott sich mit der Welt und mit uns Menschen verbunden. „Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt“(Philipper 2, 7).

In anderen großen Religionen versucht der Mensch, sich zu Gott „hochzuarbeiten“ und sich aus eigener Kraft zu erlösen.
Wir glauben und bekennen: Gott sucht den Weg „herunter“ zu uns. Gott selbst hat durch Jesus Christus alle Hindernisse beiseite geräumt, die zwischen seiner Beziehung zu uns stehen.

Jesus Christus hat uns Menschen gezeigt, wie Menschen in einer vertrauensvollen Beziehung zu Gott leben. Er hat uns gelehrt, Gott als „unser Vater“ anzureden und seiner Liebe und Menschennähe zu vertrauen - in guten und in schweren Zeiten, trotz und inmitten aller Leid- und aller Todes- Erfahrungen. Am Leben Jesu Christi lernen wir, unser ganz alltägliches Leben in dieser Gottes- Beziehung zu gestalten.

Und Jesus Christus hat uns gezeigt, wie unsere Menschlichkeit und unsere Beziehungen zu anderen Menschen gelingen können: wie wir Menschen jenseits der Grenzen von Geschlecht, Rasse oder Nation miteinander als Kinder Gottes leben können, als Schwestern und Brüder Christi, als Glieder der großen Familie Gottes; als Menschen, die vom Frieden mit Gott bestimmt sind und von den Verheißungen seines Reiches; als Menschen, die Wege des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung suchen; als Menschen, die aus Gottes Liebe und Vergebung leben und andere lieben und anderen vergeben können.

Und zum Zweiten:

Gottes Beziehung zu uns Menschen ist bestimmt durch seine voraussetzungslose und von uns Menschen nicht verdiente Liebe.

Wenn Menschen Recht sprechen, dann wägen sie ab und urteilen auf Grund der Handlungen, die ein Mensch zuvor getan hat.

Bei Gott ist das anders.
Gott spricht uns Menschen nicht deshalb gerecht, weil wir zuvor gerecht gehandelt und uns seinen Recht-Spruch verdient hätten. Gott spricht uns gerecht, weil er uns liebt. Und seine Liebe zu uns ist nicht die Belohnung für unser Wohlverhalten oder für unsere Frömmigkeit: „Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“

Wie ist das gemeint, wie können wir das verstehen?
Eine Antwort finden wir nur in unserem Blick auf Jesus Christus.
Denn Gottes voraussetzungslose und von uns Menschen nicht zu verdienende Liebe ist in Jesus Christus menschliche Person geworden. Und zwar in dem Jesus Christus, der den Kreuzestod als Mensch für uns Menschen auf sich nahm. Damit wir sehen und begreifen können: Auch Leiden, Sterben und Tod trennen uns nicht von der Liebe Gottes. Damit Menschen in diesen Erfahrungen nie mehr alleine sind. Denn auch Gott hat diese Erfahrung aus Liebe zu uns Menschen in Christus auf sich genommen.

Um uns klar zu machen: diese Erfahrungen sind nicht das letzte Wort über uns und unser Leben. Denn die Liebe bleibt auch in diesen Erfahrungen von Leiden, Sterben und Tod wahr, ja bestimmend. Deshalb gilt für uns wie für Christus:
Gottes Liebe ist stärker als alle Todesmächte dieser Welt.
So wird für Christinnen und Christen das Kreuz Christi Erweis und Zeichen für Gottes Liebe!

Dieser Erweis und dieses Zeichen der Liebe Gottes gilt allen Menschen und „allem Volk“, wie es die Engel bei Christi Geburt verkündigt haben und wie Dietrich Bonhoeffer es in seinem Gedicht „Christen und Heiden“ noch im Gefängnis mutig bekannte:
„Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Hei:den den Kreuzestod
und vergibt ihnen beiden.“

Gottes Geist öffne unser Denken, Fühlen und Glauben für das unverdiente Geschenk seiner Liebe: Damit diese Liebe in uns klingen und alle unsere Beziehungen bestimmen kann. Damit diese Liebe uns schon auf Erden den Himmel schmecken lässt.

Amen