50 Jahre Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

Sehr geehrter Herr Bischof Fischer, sehr geehrter Herr Hempelmann, sehr geehrter Herr Prof. Markschies, meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich, Ihnen heute im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland die herzlichsten Grüße und Glückwünsche übermitteln zu dürfen. 50 Jahre Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen – das ist wahrhaftig etwas, worauf wir in der EKD sehr stolz sein können, und was wir heute aus gutem Grund feiern.

Wenn man es sehr genau nehmen will mit den Jahren, dann muss man die Rechnung mit der „Apologetischen Centrale“ beginnen. Diese in Berlin ansässige „Centrale“ gab es immerhin schon 1921. Sie sollte die Strömungen der Zeit beobachten und sie im Lichte des Evangeliums deuten, und sich dabei keinesfalls in Ideologie- und Religionskritik erschöpfen. Immer ging es auch um die Formulierung christlicher Identität unter Einbeziehung des Gegenübers. Die „Apologetische Centrale“, die 1937 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde, kann somit durchaus als „Vorgängerin“ der jetzigen EZW angesehen werden. Der heutige Festakt ist damit sogar ein wenig ein „understatement“, was uns Protestanten natürlich gemein ist.

Und heute? „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ So heißt es schon im Neuen Testament (1. Petrus 3,15). Auch heute steht die Arbeit der EZW unter diesem biblischen Appell, und Sie, liebe Kollegen, gewissermaßen in der Tradition der Apologeten, oder theologischen Persönlichkeiten des Mittelalters wie Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin oder auch Johannes Calvin und Blaise Pascal. Allerdings haben Sie sich dabei zu Recht immer darauf konzentriert, eine „Institution der Antworten“ zu sein, denn eine „Zentrale der Verteidigung“ oder „Rechtfertigung“ des christlichen Glaubens.

Die heutige Aufgabenstellung der EZW, neu formuliert mit dem Umzug von Stuttgart nach Berlin im Jahr 1996, besagt präzise: „Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen hat den Auftrag, die Entwicklungen im religiös-weltanschaulichen Bereich zu beobachten und ihre Bedeutung für die EKD zu klären. Sie trägt dazu bei, die Darstellung des christlichen Gottes- und Weltverständnisses im Gegenüber zu anderen Gottes- und Weltverständnissen zur Geltung zu bringen, und bemüht sich um Koordination der Arbeit zu religiös-weltanschaulichen Fragen im Bereich der EKD.“

Mit anderen Worten: Die EZW ist die zentrale wissenschaftliche Studien-, Dokumentations-, Auskunfts- und Beratungsstelle der Evangelischen Kirche für die derzeitigen religiösen und weltanschaulichen Strömungen. Sie ist die evangelische Einrichtung für Antworten auf die Frage nach dem, was andere religiöse Phänomene oder Strömungen ausmachen und wie diese einzuschätzen sind. Von diesen Antworten und Auskünften profitieren die Landeskirchen und Gemeinden, genauso selbstverständlich wird sie aber auch von Medienvertretern und politischen Akteuren in Anspruch genommen. Ihre gesellschaftliche Funktion kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Wenn man sich einmal anschaut, wie Ihr „tägliches Brot“ beschaffen ist: tibetischer Buddhismus, türkischer Islam, New Age, Anthroposophie und Theosophie, Gottesvergiftung, Reinkarnation, Scientology – mit all diesen und noch vielen vielen anderen Ausdrucksformen und Phänomenen von Religiosität kennen Sie sich aus wie fast niemand sonst in Deutschland. Als anerkannte und geschätzte „Religionsexperten“ werden Sie täglich aus allen Regionen Deutschlands angerufen: „Können wir unsere Stadthalle guten Gewissens für eine Veranstaltung der Organisation xy zur Verfügung stellen?“ Oder: „Wie sieht es mit der Fremdvermietung von Gemeindesälen aus?“ Aber: Wer auf eine solche Fragen ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ erhofft, hat sich getäuscht: Selbstverständlich stellen Sie dem Fragenden all Ihr Wissen über die betreffende Organisation oder Gruppe zur Verfügung. Die Entscheidung, ob er dann die Stadthalle oder den Gemeindesaal zur Verfügung stellt, nehmen Sie ihm oder ihr aber nicht ab.

An solchen „kleinen“, alltäglichen Begebenheiten zeigt sich, wie Sie, verehrte Kollegen von der EZW, Ihre Arbeit verstehen: Immer geht es Ihnen um eine differenzierende Perspektive. Komplexe Phänomene lassen sich nicht in grobe Schemata bringen, pauschal abgrenzende Sichtweisen sind zu kurz gesprungen. Christliche Weltanschauungsarbeit, das haben Sie, Herr Hempelmann, immer wieder betont, kann es nur als Gratwanderung geben. Sie darf sich nicht undifferenziert und pauschal auf die Inschutznahme der Kulte und Anbieter auf dem Psychomarkt konzentrieren. Gleichzeitig darf sie sich aber auch nicht auf die reflexhafte Abwehr allen religiös Fremden und Andersartigen reduzieren.

Ihre Beschreibungen und Urteile sind daher verlässlich immer eines: differenzierend und wohl abgewogen. Soviel zur hervorragenden Qualität Ihrer Arbeit. Wenn ich mir die Quantität Ihrer Äußerungen vor Augen führe, wird mein Respekt nicht gerade geringer. Beim Blick auf Ihre Homepage kann einem schon der Atem stocken. Mit Ihrem kleinen Mitarbeiterstab – und Sie wissen: Ich weiß, wie die Arbeitsbelastung in einem kleinen Team ist - schaffen Sie es seit Jahren, jeden Monat den hoch informativen „Materialdienst“ zu erstellen und darüber hinaus sechs Mal im Jahr die „EZW-Texte“ zu veröffentlichen – von zahlreichen weiteren, gern auch viele hundert Seiten starken Publikationen ganz abgesehen.

Für dieses umfassende, schriftliche Engagement danke ich Ihnen; ebenso für alles, was Sie darüber hinaus Tag für Tag leisten und nicht in Papierform kleiden. Die EKD – und eigentlich möchte ich sagen: unsere gesamte Gesellschaft - ist sehr angewiesen auf Ihre so genauen und manchmal mühsamen Recherchen, die uns urteils- und sprachfähig machen. Je vielfältiger die „Religionskulturen“, die um uns herum entstehen, desto wichtiger ist es, unseren eigenen Glauben, unser eigenes religiöses Profil zur Sprache zu bringen. Das ist nach meinem Dafürhalten Apologetik im wohlverstandenen Sinn. Dabei ist Ihre Arbeit von unschätzbarem Wert. Ich schließe also mit einer Bitte: Lassen Sie nicht nach in Ihrem Engagement! Wir benötigen Ihre Beteiligung am missionarischen Auftrag unserer Kirche  - und das jeden Tag mehr.

Vielen Dank.