55. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion
Grußwort beim Moskauer Patriarchat - Ständige Vertretung der Russisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland
Eminenzen, sehr geehrter Herr Generalkonsul Jewgeny Schmagin, meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder in Christus,
seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland danke ich ganz herzlich für die Einladung zu diesem Sonderempfang für die Vertreter der christlichen Kirchen anlässlich des 55. Jahrestages der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen unseren Staaten.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Einladung und grüße Sie auch herzlich von Seiten des amtierenden Ratsvorsitzenden, Präses Nikolaus Schneider, und des Bischofs für Auslandsarbeit und Ökumene, Martin Schindehütte.
Wer die geschwisterlichen Beziehungen zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Russischen Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) kennen und verstehen will, muss, so glaube ich, hinhören und hinsehen. Denn die Beziehungen zwischen der Orthodoxen Kirche in Russland, bzw. der damaligen Sowjetunion und der Evangelischen Kirche in Deutschland beginnen nicht mit der ersten offiziellen Dialogbegegnung in der Akademie Arnoldshain im Jahre 1959, sondern unsere beiden Völker und die Kirchen der Reformation aus Deutschland und die Orthodoxe Kirche in Russland sind durch jahrhunderte langen gegenseitigen kulturellen und theologischen Austausch geprägt.
Gerade jüngere deutsche und russische Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und auch Theologen lade ich ein, den Band „Hinhören und Hinsehen“, der vom Außenamt des Moskauer Patriarchats und des Kirchenamtes der EKD zweisprachig herausgegeben wurde, zu studieren, um aus der Fülle des kulturellen und geistlichen Austausches einige Glanzpunkte und schmerzliche Tragödien kennenzulernen.
Lassen Sie mich heute nur einige wenige Frauen und Männer in Erinnerung rufen, die mit Mut und geistlichem Willen das Gespräch und die Versöhnung zwischen unseren Kirchen und unseren Völkern befördert, ja erst ermöglicht haben.
Die ersten Namen, die ich erwähnen möchte, sind Kirchenpräsident Martin Niemöller, Dr. Gustav Heinemann, der damalige Präses der EKD-Synode und die oft vergessene Frau Dr. Hildegard Schaeder.
Wie Sie sicher wissen, hatte seine Heiligkeit, Patriarch Aleksij I. den Kirchenpräsidenten Martin Niemöller zu einem Besuch nach Moskau eingeladen; Pastor Niemöller folgte dieser Einladung 1952 und verursachte damit eine heftige innenpolitische Debatte in der damaligen Bundesrepublik Deutschland.
Dem Besuch von Kirchenpräsident Niemöller folgten Gegenbesuche nach Deutschland. 1955 besuchte Metropolit Nikolai, Leiter des Kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats, auf Einladung der Evangelischen Kirche im Rheinland Westdeutschland.
Besonders zu erwähnen sind an dieser Stelle der damalige Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Gustav Heinemann, und Präses Heinrich Held, die trotz auch innerkirchlicher Kritik und entgegen den damaligen politischen Verdächtigungen den Glaubensmut und die Zuversicht hatten, dass ein Gespräch zwischen unseren Kirchen der Versöhnung zwischen Deutschland und Russland wesentlich fördert.
Frau Dr. Hildegard Schaeder wird bei der Memoria der kirchlichen Beziehungen zwischen EKD und Russisch Orthodoxer Kirche meistens nicht in den Vordergrund gestellt. Dennoch behaupte ich, dass ohne Hildegard Schaeder und ihre detaillierten Kenntnisse der russischen Sprache und Kultur, ohne ihre theologische Expertise und vor allem ihre Erfahrung als Christin in der Bekennenden Kirche und als politischer Häftling im Konzentrationslager Ravensbrück, dieser Dialog kaum vorstellbar gewesen wäre.
Wenn wir die jüngere, bzw. jüngste Vergangenheit des Dialoges und der kirchlichen Beziehungen zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Russisch Orthodoxen Kirche betrachten, dann fallen mir zwei Namen von Professoren ein, die im vergangenen Jahr entschlafen sind und die Wesentliches für die Beziehung zwischen unseren Kirchen und unseren Völkern geleistet haben.
Zuerst Frau Professor Fairy von Lilienfeld, die erste Dekanin einer evangelisch-theologischen Fakultät in Erlangen, und Erzbischof Prof. Dr. Georg Kretschmar, zuletzt Erzbischof der Evangelischen Kirche in Russland und den anderen Staaten.
Frau von Lilienfeld und Georg Kretschmar haben nicht nur eine Generation evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer geprägt und in den Dialog zwischen unseren Kirchen eingeführt, sondern sie haben darüber hinaus, so glaube ich behaupten zu können, mittelbar auch eine Generation orthodoxer Theologen in Russland durch ihre Gesprächsfähigkeit und ihre theologische und geistliche Weitsicht geprägt.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal einen herzlichen Dank an die Russisch Orthodoxe Kirche aussprechen: Ich denke an die Rede seiner Heiligkeit Aleksij II. 1995 im Berliner Dom, wo der Patriarch in einem Gottesdienst das deutsche Volk um Vergebung für das von russischer Seite verschuldete Unrecht bei und nach der Besetzung des östlichen Teiles unseres Landes bat.
Daher bin ich zuversichtlich, dass trotz mancher Irritationen zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland nach der Wahl von Frau Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann zur Vorsitzenden des Rates der EKD im November 2009 der Dialog zwischen unseren Kirchen fortgesetzt werden kann und, so hoffe ich, fortgesetzt wird.
Wir haben in einem jahrhunderte langen Mit-, Gegen- und Nebeneinander unserer Kirchen gelernt, dass wir in verschiedenen historischen, politischen und gesellschaftlichen Kontexten und auch in manch schwieriger ökumenischer Situation uns gegenseitig vertrauen können und weiterhin vertrauen sollten. Denn dieses Vertrauen gründet auf dem Glauben in den Dreieinigen Gott und unseren Herrn und Erlöser, Jesus Christus.
Vielen Dank.