Übergabe des Friedenslichtes aus Bethlehem

Andacht im Deutschen Bundestag

Liebe Gemeinde,

wir haben diesmal Gäste, die Ihnen und dem Bundestag schon heute ein Weihnachtsgeschenk überbringen wollen. Fünf Pfadfinderinnen und Pfadfinder haben uns das Friedenslicht aus Bethlehem mitgebracht. Wir danken ihnen herzlich, dass sie zu uns gekommen sind.

Das Friedenslicht von Bethlehem geht auf eine Initiative des Österreichischen Rundfunks zurück. Dessen Landesstudio Oberösterreich entzündete 1986 zum ersten Mal ein Friedenslicht in Bethlehem und gab es weiter, um Menschen zu danken, die sich an der Spendenaktion „Licht ins Dunkel“ beteiligt hatten. Mit dieser Aktion werden behinderte und notleidende junge Menschen unterstützt. Seit 1986 wird jedes Jahr das Friedenslicht in der Geburtsgrotte in Bethlehem entzündet. Mit einer speziellen Lampe wird es nach Österreich geflogen, von wo aus es durch Pfadfinder in 25 europäische Länder weitergetragen wird. In Deutschland ist das Friedenslicht via Bahn am 3. Advent angekommen und von 30 Städten aus in Kirchengemeinden, Krankenhäuser, Schulen und Familien im ganzen Land gegeben worden. Seit heute leuchtet es nun auch im Deutschen Bundestag. Das Friedenslicht soll die, die es empfangen, bei sich beherbergen und bis Weihnachten hüten, an Christus erinnern, der das Licht der Welt ist.

Zum 25. Mal wurde das Friedenslicht dieses Jahr entzündet. Ein sehr junger Brauch, wenn man bedenkt, dass das Christentum schon eine 2000-jährige Geschichte hat. Aber der Brauch hat sich schnell verbreitet, weil er die Herzen der Menschen anrührt. Das Licht verbindet uns an Weihnachten auf besondere Weise mit der Stadt Bethlehem in Israel/Palästina, von der schon der Prophet Micha weissagte: „Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ (Mi 5,1) Als Friedenslicht erinnert uns der Kerzenschein daran, dass in der Geburtsstadt Christi der Friede noch immer auf Herbergssuche ist. Darunter leiden gerade auch die Christen Bethlehems. Denn sie sind in ihrem Land doppelt fremd. In Israel sind sie fremd, weil sie Palästinenser sind. Und in den palästinensischen Autonomiegebieten sind sie fremd, weil sie nicht Muslime sind. Diese eigene Identität führt zu Ausgrenzung und Angst. Daher verlassen immer mehr Christen die Geburtsstadt Christi wie Israel/Palästina überhaupt. Diese Entwicklung ist leider im gesamten Nahen Osten zu beobachten.

Das Friedenslicht aus Bethlehem, das auch uns hier leuchtet, drückt die Hoffnung vieler Menschen aus, dass der Friede im Heiligen Land endlich dauerhaft Wohnung nehmen möge.

Der Brauch des Friedenslichtes aus Bethlehem ist jung, aber er knüpft an eine Bildsprache an, die so alt ist wie das Christentum selbst und die von Anbeginn an mit der Weihnachtsgeschichte verbunden war. Die Hirten auf dem Feld bekamen des Nachts Besuch von dem Engel des Herrn. Dabei hörten sie nicht nur seine Stimme. Um den Engel leuchtete zudem die Klarheit des Herrn und wies auf das hin, was die Hirten in der Krippe finden würden, nämlich das Kind, das das Licht der Welt ist. Es ist von Gott gesandt, die Welt zu erleuchten. Denn in ihr herrscht oft genug die Finsternis vor. Die persönliche Finsternis gescheiterter Hoffnungen, beispielsweise einer verloschenen Liebe oder eines unerfüllten Kinderwunsches. Die persönliche Finsternis eines Konfliktes, der als kollegiale Auseinandersetzung begann und sich dann so aufgeschaukelt hat, dass er nun unlösbar erscheint. Oder die persönliche Finsternis einer schweren Krankheit, deren Diagnose einen helllichten Tag zur dunkelsten Stunde des Lebens macht und das Leben bis zum Ende verdüstert. Neben den vielen persönlichen Dunkelheiten herrscht in unserer Welt oft genug auch die gesellschaftliche Finsternis von gegenseitiger Missachtung, Ausgrenzung und Hass bis hin zu zerstörerischen Kriegen.

In diese Finsternis kommt der Heiland der Welt. Das Kind in der Krippe bringt das Licht durch die Liebe, mit der Jesus sich den Menschen zugewandt hat, besonders eben denen, die dunkle Stunden und Zeiten durchlebten. Diesen hat er Aufmerksamkeit, Zuwendung und Heilung geschenkt und sie dadurch spüren lassen, dass Gott sie auch im Dunkeln nicht vergessen hat. Durch diese Liebe Gottes strahlen Funken der Hoffnung ins eigene Leben, die Menschen, Wege und Schicksalswendungen beleuchten, die das Leben trotz der Finsternisse lebenswert erscheinen lassen. Zudem strahlt das Licht Christi aus von seiner Auferstehung und der Verheißung, dass unser Leben am Ende der Zeiten ganz im Licht Gottes geborgen sein wird und die Finsternis dann keinen Raum mehr haben wird.

Das Friedenslicht von Bethlehem ist „nur“ eine unscheinbare Kerze. Sie kann leicht erlöschen, wenn sie nicht behütet wird. Aber die kleine Flamme dieser Kerze weist uns still und warm auch 2000 Jahre nach der Geburt Christi darauf hin, was das Einmalige und Göttliche dieses Kindes im Stall von Bethlehem ist: Christus will hell und warm unser Leben erleuchten. Denn er spricht: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12)
Amen.