Präses Heinrich: „Polarisierung lässt sich nicht einfach wegbeten“

#Verständigungsort: Anna-Nicole Heinrich beim Gaststätten-Talk zur Frage „Ist das noch meine Kirche?“

Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, geht angesichts weiterhin hoher Austrittszahlen aus den christlichen Kirchen in Deutschland in die Offensive: „Die Kirche ist besser als ihr Ruf. Ihre Mitglieder leisten tagtäglich millionenfach unverzichtbare Beiträge zum gesellschaftlichen Miteinander in Deutschland. Und sie bewahren Jahrtausende alte Traditionen, die uns mehr denn je dabei helfen, aktuelle Krisen und Nöte zu überwinden.“ Dazu gehöre auch eine am Nächsten ausgerichtete Gesprächskultur. Heinrich warb im Vorfeld ihrer Teilnahme am Verständigungsort „Horch Amoal“ am 3. April im fränkischen Lauf a. d. Pegnitz dafür, „Kirche auch dann weiter zu unterstützen, wenn sie einem mal gegen den Strich geht.“ An dem Talk, an dem neben ihr auch der Theologie- und Philosophieprofessor Ralf Frisch teilnimmt, wird in offener Runde die Frage diskutiert „Ist das noch meine Kirche?“.

Für Heinrich geht es dabei nicht um die Frage, wie Kirche im besten Fall sein solle, sondern wie man die unterschiedlichen Ansprüche miteinander vereinbaren kann. „Die Polarisierung, die in vielen Fragen derzeit in der Gesellschaft stattfindet, geht natürlich auch an der Kirche nicht spurlos vorbei. „Dem einen ist die Kirche zu links, der Nächste will überhaupt keine Äußerungen zu politischen Themen und der Übernächste wünscht sich einen noch kräftigeren Einsatz für Geflüchtete. Da geht es nicht nur in der Kneipe, sondern auch in den Gemeinden teilweise hoch her. Polarisierung lässt sich auch in der Kirche nicht einfach wegbeten“, so Anna-Nicole Heinrich. Die Augen davor zu verschließen, dass alle in der evangelischen Kirche unterschiedliche Ansprüche aus der Vielfalt des Evangeliums haben und einfach wegzurennen, sei aber auch keine Lösung. „Wir müssen konstruktiv miteinander im Gespräch bleiben und auch mal ein paar Meter in den Schuhen des anderen unterwegs sein“, schlägt Heinrich vor. Tatsächlich komme dem Gebet und der Liturgie, auf die Christ*innen zurückgreifen können, dabei aber eine Funktion zu, die anderen Institutionen nicht zur Verfügung stehen. „Da wo Dinge wirklich zerbrochen sind, wo Argumente und Diskussionen unmöglich erscheinen, haben wir in liturgischer Sprache, in Gebet und Gesang eine ganz andere Ebene, auf der eine Grundverständigung, eine Gemeinschaft noch bestehen kann. Das mag für einige befremdlich klingen, aber der Grundsatz ‘Im Anderen immer Jesus sehen‘ hat mich schon durch viele harte Diskussionen geführt“, so Heinrich. „Trotz gänzlich unterschiedlicher Auffassungen, müsse es gelingen, den anderen immer noch als Mensch mit seinen eigenen Anliegen und Sorgen wahr- und ernst zu nehmen.  Diese Grundhaltung wünsche ich mir auch für die Gesellschaft insgesamt“, so die Präses.

Hannover, 1. April 2025

Pressestelle der EKD
Carsten Splitt

 

Hinweise für Redaktionen:

Der Verständigungsort „Horch Amoal“ in Lauf a. d. Pegnitz findet am 3. April um 19 Uhr in der Gaststätte „Zur Linde“ (Neunkirchener Str. 6) statt. Veranstalter ist die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Lauf www.lauf-evangelisch.de

Die Präses steht im Kontext der Veranstaltung für Interviews zur Verfügung. Diese können über die Pressestelle der EKD vereinbart werden.

Informationen zur Kampagne #verständigungsorte finden Sie unter www.mi-di.de/verstaendigungsorte.

Zum gesellschaftlichen und politischen Miteinander in Deutschland hat die evangelische Kirche vor wenigen Tagen ein „Wort des Rates“ veröffentlicht. www.ekd.de/demokratie-und-gesellschaftliches-miteinander-88828.htm