Grußwort zur Verabschiedung von Landesbischof Gerhard Ulrich am 9. März in Schwerin

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland

Lieber Gerd,

liebe Schwestern und Brüder,

der heutige Tag ist für mich ein Tag großer Dankbarkeit, aber auch ein Tag, an dem mir schwer ums Herz ist. Schwer ums Herz ist mir, weil wir einen Menschen aus dem aktiven Dienst für seine Kirche verabschieden, der mir in den Jahren der engen Zusammenarbeit lieb geworden ist und den ich einfach bei unseren kirchlichen Zusammenkünften, bei denen ich mich ja auch immer auf konkrete Menschen freue, in Zukunft vermissen werde.

 

Lieber Gerd,

Du bist es gewesen, der mich am 30. Oktober 2011 in der Nürnberger Lorenzkirche in mein Amt als Landesbischof eingeführt hat. Du bist vorher bei mir in München gewesen und hast mit mir diesen besonderen Tag im Gespräch ins Auge gefasst und vorbesprochen. Es war ein Gespräch, das schnell von großer Vertrautheit geprägt war, bei dem man das gespürt hat, was am heutigen Tag vielleicht das Wichtigste ist: Du bist in all diesen Jahren nicht zuerst Landesbischof oder Leitender Bischof der VELKD gewesen, sondern zuallererst Pfarrer und Seelsorger. Du hast in deinen Ämtern das ausgestrahlt, wovon Du sprichst. Und das wird auch so bleiben, wenn Du jetzt vom aktiven Dienst entpflichtet bist. Deine Einführungsansprache war jedenfalls genau die richtige geistliche Nahrung, die ich auf meinem eigenen Weg brauchte und brauche.

Auch wenn mir jetzt ein wenig schwer ums Herz ist, mein Hauptgefühl ist ein Gefühl großer Dankbarkeit. Wenn wir dir heute von Herzen zum Geburtstag gratulieren und dich zugleich aus dem Dienst eines Landesbischofs in den Ruhestand verabschieden, dann tun wir das mit großem Respekt und Dank für dein segensreiches Wirken an den vielen Orten, an denen du tätig gewesen bist und die jetzt alle schon genannt worden sind.

An unzähligen Orten, auf großen und auf kleinen Bühnen, hat dein Wirken den Segen Gottes in die Welt getragen und für die Menschen spürbar werden lassen, hast du das Wort Gottes verkündigt in deinen Worten, klar, direkt, norddeutsch. Ob nun Bühne oder Kanzel – beides, so hast du gerne und zu Recht betont, beides sind keine Orte der Selbstinszenierung. Hier wie dort ist derjenige, der spricht, Diener eines Textes, der nicht von ihm selbst stammt. Wer also reden will, muss zunächst einmal hören.

Diese geistliche Grundhaltung, biblisch, reformatorisch, theologisch gegründet, hat deinen Dienst geprägt:  das Hören auf Gottes Wort steht am Anfang. Leitendes Handeln beginnt mit dem Hören. Es ist ein Handeln, das sich selbst geleitet weiß durch Gottes Wort – und dann hinausweist zu den Menschen und in die Welt. „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden“, heißt es in der Apostelgeschichte. Rede und schweige nicht – so hast du es stets gehalten und deine Stimme eingebracht. Die Stimme der Theologie, die Stimme des christlichen Glaubens, die Stimme der evangelischen Kirche, die Stimme der persönlichen Frömmigkeit hast du eingebracht in die zahlreichen kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Diskurse, die du mit großem Engagement mitgestaltet hast und mitgestaltest.

Ein Höhepunkt während deiner Dienstzeit war die Gründung der Nordkirche, die du gerade selbst als das „schönste Geschenk“ deiner fast vierzigjährigen Amtszeit bezeichnet hast. Dieser Weg, den du maßgeblich mitgestaltet hast, war ein komplexer Prozess, in dem es vielfältige geistliche Strömungen, theologische Traditionen, historisch gewachsene Strukturen und unterschiedliche soziale Bedingungen zu berücksichtigen und miteinander zu verbinden galt. Als Leitender Bischof der VELKD hast du die Stimme der Lutherischen Kirchen deutlich hörbar werden lassen innerhalb der EKD, hast die zum Teil komplexen Veränderungsprozesse auf dem Weg des so genannten Verbindungsmodells aufmerksam geleitet. Stets hast du daran erinnert, dass die Inhalte im Vordergrund stehen, nicht die Strukturdebatten. Organisationen und ihre Verwaltung sind eben kein Selbstzweck, sondern dienen dem Auftrag, den wir als Kirche haben.

Bei der Gründung der Nordkirche habe ich es nur aus der Ferne erlebt. Bei dem Weg vom Verbindungsmodell zur Verbindung von VELKD und EKD habe ich es direkt miterlebt: Dein geistliches Leiten, Deine menschliche Kompetenz haben entscheidenden Anteil daran gehabt, dass diese schwierigen Vorhaben, denen so Mancher das Scheitern prognostiziert hat, am Ende gelungen sind.

Die Vielfalt im deutschen Protestantismus ist ein Teil der Vielfalt der weltweiten Gemeinschaft evangelischer Kirchen, ein Teil der weltweiten ökumenischen Gemeinschaft.  Das Wort von Ernst Lange, dass die Evangelische Kirche „eine Provinz der Weltchristenheit“ sei, prägt dein Glauben und Reden, Denken und Handeln, das ja ganz entscheidend auf die Ökumene im Lutherischen Weltbund und darüber hinaus bezogen ist. Diese Perspektive, die mit den Augen der anderen auf das Eigene schaut, ist eine ganz entscheidende in einer Zeit, in der Grenzen wieder geschlossen oder neu errichtet werden.

Du hast stets auch den öffentlichen Auftrag der Kirche wahrgenommen. Mit großem Engagement und zuweilen mit klaren Worten hast Du Dich für einen humanen Umgang mit Geflüchteten, für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung eingesetzt. Dass dein theologisches, kirchliches und gesellschaftspolitisches Engagement als „herausragender Botschafter in Kirche und Gesellschaft“ im Februar von der Theologischen Fakultät der Universität Kiel mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde gewürdigt wurde, ist eine besondere Auszeichnung. Sie anerkennt, dass kirchenleitendes Handeln nur möglich ist auf einem festen Fundament, das theologisch und geistlich gegründet ist, und sie zeigt, wie segensreich dein Wirken weit über die Grenzen der Kirche hinaus gewesen ist.

Vieles gehört zum Amt eines Bischofs dazu, was hinter den Kulissen geschieht, manches auch, was mühsam ist. So ist Deine heutige Entpflichtung auch ein Schritt in die Freiheit. Mögest du diese Freiheit genießen können mit deiner Frau und deiner Familie, mit allem, was dein Leben neben dem Beruf reich macht – und zugleich fortführen, was dir am Herzen liegt. Der Segen Gottes sei mit dir und bleibe bei Dir auf allen Deinen Wegen.