Grußwort zum Fastenmonat Ramadan 2020
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland
Sehr geehrte muslimische Schwestern und Brüder,
das christliche Osterfest und der Monat Ramadan rücken in diesem Jahr näher zusammen. Das hängt nicht nur mit dem christlichen und dem islamischen Kalender zusammen, die sich so aufeinander zu bewegen, dass zwischen Ostern und Ramadanbeginn nur knapp zwei Wochen liegen.
Es hängt vor allem an den Umständen, unter denen Ramadan und Ostern begangen werden müssen. Bei allen bestehenden Unterschieden zeigt sich eine elementare Gemeinsamkeit: Die Zusammenkunft mit anderen im Gebet und die gemeinschaftliche religiöse Praxis sind Grundbedürfnisse, die Christinnen und Christen mit Musliminnen und Muslimen verbinden.
Ich kann zwar nur erahnen, was es für muslimische Familien und Moscheegemeinden bedeuten muss, wenn Ramadan ohne das abendliche gemeinschaftliche Fastenbrechen und ohne das Gebet in der Moschee stattfindet. Ich möchte Ihnen aber auf diesem Wege die herzlichen Grüße der Evangelischen Kirche in Deutschland übermitteln und Ihnen versichern, dass meine Gedanken und Segenswünsche bei Ihnen sind, auch dann, wenn es in diesem Jahr nicht zu direkten Begegnungen im Monat Ramadan kommen kann.
Wir halten Abstand, aber wir halten auch zusammen. Das muss für den Dialog und das Miteinander von Menschen christlichen und islamischen Glaubens genauso gelten wie für die Gesellschaft insgesamt. Denn Krisenzeiten sind auch Bewährungsproben für unsere ethischen und religiösen Grundüberzeugungen. Welchen Stellenwert hat das menschliche Leben, wie kann Solidarität konkret gelebt werden und was können wir zum Wohl des Gemeinwesens in unserem Land und in der Welt beitragen? Das sind Fragen, die viele Menschen in diesen Tagen umtreiben.
Der biblische Vers, der in diesem Jahr den Monat Mai, der mit dem Monat Ramadan weitgehend parallel verläuft, als Monatsspruch begleitet, gibt eine Antwort darauf, wie das Miteinander in bedrückenden Zeiten aussehen kann:
„Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat!“ (1. Petrusbrief 4,10)
Für mich ist das ein tröstliches und ermutigendes Wort, weil es die verschiedenen Begabungen der Menschen benennt und sie in den Dienst der Gemeinschaft einbindet. Gottes Gnade ist vielfältig, sie kann verschiedene Ausdrucksformen haben. Gerade in der aktuellen Krise zeigt sich das: Menschen bringen sich ein mit ihrer Erfahrung und ihren Ideen, mit ihrer Lebenskraft und ihrer Zuversicht, mit ihrer Bereitschaft zu helfen und zuzuhören, mit ihrer Fähigkeit für andere zu beten und ihnen mit Trost beizustehen, aber auch mit ihrer Gabe, das Unerträgliche mit zu tragen und nach Wegen im Ausweglosen zu suchen. Für Glaubende kann das zum Hinweis auf Gottes Gnade werden, die im Christentum wie im Islam einen zentralen Stellenwert hat.
Ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und Gemeinden, dass Sie sich auch in diesen schwierigen Zeiten von der Gnade Gottes geleitet wissen; ich wünsche Ihnen einen Ramadan, an dessen Ende mit dem Fest des Fastenbrechens die Gewissheit wächst, dass Geduld und Gottvertrauen letztendlich zum Ziel führen.