Christliche Kirchen verurteilen Gewalt gegen Bevölkerung in Berg-Karabach
„Die militärische Gewalt und die Blockade der Region müssen unverzüglich enden“
Mit Bestürzung reagieren die christlichen Kirchen in Deutschland auf die neuerliche Eskalation der Gewalt in der Region Berg-Karabach (Arzach). Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), Erzpriester Constantin Miron, kritisieren gemeinsam das massive militärische Vorgehen der Regierung Aserbaidschans, welches die Existenz der mehrheitlich armenischen Bevölkerung der autonomen Region gefährde. Bereits die über neun Monate andauernde Blockade der einzigen Zufahrtsstraße von Armenien nach Berg-Karabach habe zu einer dramatischen humanitären Situation geführt.
Uns erreichen erschreckende Berichte darüber, wie vom Hunger geschwächte Kinder unter dem Artilleriebeschuss nicht mehr rechtzeitig die Schutzräume erreicht haben. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hebt hervor: „Es darf nicht geschehen, dass schwere Menschenrechtsverletzungen abseits der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit geschehen. Wir verurteilen die militärische Aggression ebenso wie den Einsatz von Hunger als Waffe.“
Der am gestrigen Tag begonnene Angriff aserbaidschanischer Truppen auf die autonome Republik Berg-Karabach droht zu einer Katastrophe zu führen. Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorsitzender der ACK befürchtet: „Aufgrund der Machtverhältnisse und der unterschiedlichen Konfliktherde dieser Welt wird kein Land dort einschreiten und für den Schutz der Menschen in Berg-Karabach sorgen. Es darf keine weitere Eskalation der Gewalt geben!“
Die am 20. September vereinbarte Waffenruhe kommt einer Kapitulation der Republik Arzach gleich und wir fürchten eine bevorstehende „ethnische Säuberung“ des Gebiets durch die gewaltsame Vertreibung der etwa 120.000 ethnischen Armenier aus ihrer Heimat. „Wir rufen die Bundesregierung und die Weltöffentlichkeit auf, genau hinzuschauen und Aserbaidschan an die Pflicht zu einem humanen Umgang mit der Bevölkerung zu erinnern. Der Konflikt muss am Verhandlungstisch gelöst werden, statt Fakten durch Vertreibung der einheimischen Bevölkerung zu schaffen,“ so Bischof Georg Bätzing.
Die Erfahrung aus der langjährigen Entwicklung des Berg-Karabach-Konflikts zeigt, dass Menschenrechtsverletzungen wie völkerrechtswidrige Verschleppungen und Misshandlung von Kriegsgefangenen drohen. Daher fordern wir die politischen Verantwortungsträger auf, sich für eine möglichst vollständige Dokumentation der Ereignisse in Berg-Karabach einzusetzen. Den Verantwortlichen in Aserbaidschan muss deutlich werden, dass die Weltgemeinschaft genau hinschaut und auf Völkerrechtsverletzungen reagieren wird.
Da Aserbaidschan Frauen und Kinder in Berg-Karabach aufgerufen hat, über einen humanitären Korridor nach Armenien auszureisen, ist eine dramatische Flüchtlingssituation in Armenien absehbar. Bischof Bätzing appelliert daher an alle Verantwortlichen: „Die europäischen Staaten, aber auch unsere kirchlichen Hilfswerke müssen Vorbereitungen treffen, um Armenien so schnell wie möglich bei der Versorgung der ausgebombten und von der bisherigen Blockade gezeichneten Flüchtlinge zu unterstützen.“
Die Vorsitzenden von EKD, Deutscher Bischofskonferenz und ACK bitten gemeinsam um die solidarische Unterstützung der Menschen im Kaukasus. Als christliche Kirchen rufen wir zum Gebet auf für alle, die unter der gezielt herbeigeführten humanitären Katastrophe und der militärischen Aggression leiden. Wir bitten unsere Gemeinden, die Not der Bevölkerung in Berg-Karabach in ihre gottesdienstliche Fürbitte aufzunehmen.
Hannover, 20. September 2023
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt