Meditation im christlichen Gottesdienst in der Basilica dell'Aracoeli zum Auftakt des Friedenstreffen der Weltreligionen von St. Egidio in Rom, 20. Oktober 2020

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland

Heinrich Bedford-Strohm predigt in der Frauenkirche Dresden

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (Archivbild)

Liebe Schwestern und Brüder!

„Und es soll durch dich wiederaufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward.“ (Jesaja 58,12, Luther 2017)

Welch ein Trost ist es, diese Worte des Propheten Jesaja zu hören, heute, in einer verwundeten Welt. In einer Welt verwundet durch die Pandemie. In einer Welt, die sich nach Heilung sehnt.

Unsere Seelen sind verwirrt. All die physischen Zeichen der Verbundenheit – einander die Hände zu reichen, vertraut miteinander zu reden, ohne Maske, sich zu umarmen, - all diese Zeichen körperlicher Nähe, die bisher Zeichen der Liebe waren, sind nun zum Feind der Liebe geworden, sie sind zur Gefahr füreinander geworden, und können zu einer Quelle des Leids werden. Wie können unsere Seelen diese plötzliche Verkehrung grundlegender Zeichen menschlicher Nähe verstehen?

„Und es soll durch dich wiederaufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wiederaufrichten, was vorzeiten gegründet ward.“
 

Wir brauchen dringend diese stärkende Zusage in all der Erschöpfung, die wir verspüren. Fürchtet Euch nicht! – spricht Gott. Ich werde Euch nicht allein lassen. Ich werde immer bei Euch sein. Und Euch wird Heilung widerfahren. „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten.“ (Jesaja 58,8, Luther 2017)

Wie können wir als Kirchen Boten und Kundschafter von Gottes Heilung sein? Wie können wir Zeichen des Friedens und der Geschwisterlichkeit sein? Wie können wir “Tutti Fratelli” (Alle Brüder) sein?

Durch den Dreiklang von Beten, Gerechtigkeit üben und eins werden!

Durch Beten:

Wir reden mit Gott als Menschen mit unterschiedlichen konfessionellen und religiösen Hintergründen. Vor Gott bringen wir unser Leid, unsere Fehler, unsere unbeantworteten Fragen, unsere Hoffnung. Und wir hören auf Gott. Wir hören auf Gott, um Klarheit, Richtung und Orientierung zu bekommen für unseren Weg.

Durch das Üben von Gerechtigkeit

Es gibt kein Beten. Es gibt kein Fasten ohne das Tun des Gerechten, so lesen wir beim Propheten Jesaja im 58. Kapitel. Und von Jesus hören wir: “Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40; Luther 2017).

Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der auf Hilfe wartet, für ein würdevolles Leben in den überfluteten Zelten der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln? Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der droht im Mittelmehr zu ertrinken, weil Europa nicht hilft und sogar zivile Rettungsboote an der Hilfe hindert? Was, wenn es wirklich Christus selbst ist, der uns in einem Kind in Mozambique begegnet, das nicht genug zu essen hat, um zu überleben?

Diese Fragen zu stellen und sich anrühren zu lassen von der Not Anderer, ist nicht der Katalysator für ein schlechtes Gewissen. Es ist das Gegenteil: Es ist der Türöffner für ein erfülltes Leben. Es ist der Weg zu Frieden und Geschwisterlichkeit. Das ist die Quelle der Heilung, denn „dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten.“ (Jesaja 58,8, Luther 2017)

Die Gemeinschaft von St. Egidio ist dafür das beste Beispiel. Eine Gemeinschaft von engagierten Menschen, die nicht Entsagung und Verzicht ausstrahlen, sondern Fröhlichkeit und Freude am Leben. Die Gemeinschaft von St. Egidio lebt aus der tiefen Gewissheit, dass Leben nur miteinander und nicht gegeneinander gelingen kann. Sie lebt mit der tiefen Überzeugung, dass in dieser Geschwisterlichkeit Christus selbst präsent ist.

Beten und Gerechtigkeit üben – das sind die ersten beiden Teile des Dreiklangs, um Salz der Erde und Licht der Welt zu werden. Und das Dritte ist, eins zu werden als Kirche.

„Ist Christus etwa zerteilt?“ fragt Paulus im 1. Korintherbrief, Kapitel 1 angesichts von Spaltungen innerhalb der Gemeinde. Und die Antwort kennen wir alle: Christus ist eins! Wie können wir also zufrieden sein mit unseren Trennungen?

Leidenschaft für die Einheit der Kirche ist nicht irgendeine Sentimentalität bestimmter kirchlicher Interessensgruppen. Diese Leidenschaft für die Einheit ist Teil der DNA jeder Kirche. Und ich ergänze sehr persönlich: Während meiner Lebenszeit eines Tages diese Einheit in der gemeinsamen Feier des Abendmahls zu erfahren, ist mein ganz persönlicher Traum!

Friede und Gerechtigkeit werden sich umarmen. Und keine Pandemie wird sie stoppen. Ja, „…dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. …und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.“ (Jesaja 58, 10+11, in Auszügen, Luther 2017).

Wir werden heil!

AMEN

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Christian Ecumenical Prayer, Basilica Dell’Aracoeli, Opening International Meeting of Prayer for Peace, Rome 20 October 2020

Bishop Heinrich Bedford-Strohm, Chair of the Council of the Evangelical Church in Germany


Dear sisters and brothers in Christ,

“Your ancient ruins shall be rebuilt; you shall raise up the foundations of many generations” – what a comfort to hear these words of the prophet Isaiah today in a wounded world. In a world wounded by the pandemic. In a world yearning for healing.

Our souls are confused. All the physical signs of connectedness – hands reaching out to each other, speaking closely face to face, unmasked!, embracing each other, giving each other hugs – all these physical signs, which so far have been expressions of love, have now become the enemy of love, have become a danger to the other, have become a potential source of suffering. How can our souls understand this reversion of the basic forms of spontaneous human interaction?

“Your ancient ruins shall be rebuilt; you shall raise up the foundations of many generations” – we need this strengthening promise desperately in the exhaustion we feel. Do not fear! - says God. I will not leave you alone. I will be always with you. And you will experience healing. “Your light shall break forth like the dawn, and your healing shall spring up quickly”.

How can we as churches be heralds and agents of God’s healing? How can we be signs of


peace and brother and sisterhood? How can we be Tutti Fratelli?

Through the trinity of Praying, doing justice and becoming one!

Through praying: As people of different confessional and religious backgrounds we speak with God. We bring before God our sorrow, our failures, our unanswered questions, our hope. And we listen to God. We listen to God to gain clarity, direction and orientation to move on.

Through doing justice. There is no prayer, there is no fasting, says the prophet Isaiah, without doing justice. And Jesus says: “Whatever you did for one of the least of these brothers and sisters of mine, you did for me.”

What if it really is Christ who is waiting for help, for a dignified life in flooded tents in the refugee camps of the Greek Islands? What if it really is Christ who is in danger of drowning in the Mediterranean Sea because Europe doesn’t rescue and even blocks civil rescue boats from helping? What if it really is Christ whom we meet in the child in Mozambique who does not have enough food to live on?

To ask these questions, to be touched by the needs of others is not a catalyst for a bad conscience. It is the opposite. It is the door opener to a fulfilled life. It is the path to peace and fraternity. It is the source of healing. Because “then your light shall break forth like the dawn, and your healing shall spring up quickly.”

The community of St. Egidio is the best example. A community of committed people who do not radiate renunciation and scarcity but joy and fullness of life. Because they sense deep inside that it is a much better life to live with others rather than against them. Because they know in their souls that in this human brother and sisterhood Christ himself is present.

Praying and doing justice – these are the first two in the trinity of becoming salt of the earth and light of the world. And the third one is becoming one as a church.

“Has Christ been divided?” - asks Pauls in 1 Cor 1 in the face of various divisions in the church. And we all know the answer. Christ is one! How could we be satisfied with our internal divisions? Passion for the unity of the church is not a sentiment of some special interest group in the church. It is part of the very DNA of each church. And I add very personally: To experience this unity at the Table of the Lord in my own life time is my very own personal dream.

Peace and Justice will embrace. And no pandemic will stop it. Yes: our light shall rise in the darkness and our gloom be like the noonday… and we shall be like a watered garden, like a spring of water, whose waters never fail.

We will heal.

AMEN

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