Ansprache des EKD-Ratsvorsitzenden Präses Manfred Kock in Berlin
Vergabe des Arbeitsplatzsiegels "Arbeit Plus 2001"
Die Evangelische Kirche in Deutschland vergibt seit 1999 nun zum dritten Mal das Arbeitsplatzsiegel ARBEIT PLUS.
Die Idee für das Arbeitsplatzsiegel wurde von Dr. Rainer Meusel, seinerzeit Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages,1997 in Leipzig, entwickelt. Die Initiative entstand aus der Besorgnis darüber, dass eine große Zahl von Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen, von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen sind. Das ist ein Riss in unserer Gesellschaft, mit dem Christen sich nicht arrangieren können. Denn trotz aller Absicherung im so genannten sozialen Netz werden den von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen Lebens-, Entfaltungs- und Beteiligungschancen vorenthalten, auf die sie in unserer prosperierenden Gesellschaft ein Anrecht haben.
Zwölf Unternehmen werden in diesem Jahr mit dem Siegel ausgezeichnet, weil sie sich aufgrund einer branchenbezogenen Beurteilung in den Kategorien Lebenschancen, Beteiligungschancen, Entfaltungschancen und Sozialkultur als überdurchschnittlich oder vorbildlich erwiesen haben. Diese Beurteilung erfolgte durch das Vergabegremium auf der Basis einer eingehenden Prüfung durch das Institut für Wirtschafts- und Sozialethik an der Universität Marburg. Dem Vergabegremium, dem ich vorsitze, gehören außerdem an: Frau Dr. Ursula Engelen-Kefer, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Dr. Uwe-Volker Bilitza, Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes und Personalvorstand der Gerling-Versicherung-Beteiligungs AG, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Bernhard Jagoda und Universitätsprofessor Dr. Winfried Hamel, der den Lehrstuhl für Unternehmensführung, Organisation und Personal an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf inne hat.
Letztes Jahr habe ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Zahl der Arbeitslosen unter die Marke 3,7 Mio. gesunken war. Das am 14. November veröffentlichte Jahresgutachten 2001/02 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stellt dem gegenüber fest: "Die Konjunkturschwäche führt zu einer weiteren Verschärfung der prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt; im Jahresdurchschnitt 2002 werden knapp vier Millionen Personen arbeitslos sein." Der Sachverständigenrat weist darauf hin, dass die hohe und steigende Arbeitslosigkeit in Deutschland weiterhin die gravierendste Zielverfehlung der Wirtschaftspolitik sei. Er stellt fest: "Ohne weitergehende Reformen der Arbeitsmarktordnung wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht nachhaltig bessern, gemessen am Flexibilisierungsbedarf des Arbeitsmarktes ist von Seiten der Politik - auch in diesem Jahr - zu wenig geschehen. Der Sachverständigenrat setzt sich mit Ansatzpunkten für eine beschäftigungsfördernde Ausrichtung der Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt auseinander. Hierzu gehören eine flexiblere Ausgestaltung der Tarifverträge und des Arbeitsrechts."
Dies und anderes ist Sache der Politik. Sache der Kirche ist es, das Bewusstsein in der Politik, in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft wach zu halten und zu ermutigen, gegen die Ausgrenzung so vieler arbeitsfähiger Menschen aus dem Arbeitsmarkt das Menschenmögliche zu tun. Sache der Kirche ist es auch, das Nachdenken über die Zukunft der Arbeit zu fördern, denn es wird keine Rückkehr zur klassischen Vollbeschäftigung bzw. zu stetigen exponentiellen Wachstumsraten geben. Ich bin Herrn Professor Dr. Gert G. Wagner, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, dankbar, dass er uns im Rahmen unserer Feier heute Nachmittag zu dieser Frage einen Vortrag über "Die Zukunft der Erwerbsarbeit" halten wird.
Mit der Initiative Arbeitsplatzsiegel "Arbeit Plus" will die evangelische Kirche weiterhin auf positive Beispiele unternehmerischen Handelns bei der Beschäftigungsförderung aufmerksam machen. In den Unternehmen geschieht viel mehr für eine zukunftsfähige Gesellschaft, als Viele wissen. Denn es geht ja nicht allein um bloße Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern um beschäftigungspolitische Kreativität in einem umfassenden Sinn. Die in diesem Jahr mit dem Siegel "Arbeit Plus 2001" ausgezeichneten Unternehmen, leisten unter erheblichen Anstrengungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Vorbildliches, um
- erstens möglichst vielen Menschen die Möglichkeit eines Arbeitseinkommens zu verschaffen, aber auch
- zweitens eine Stabilität der Beschäftigung zu gewährleisten. Dazu gehört das Engagement für Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und beispielsweise die Anwendung von Qualitätsstandards, welche die Wettbewerbschancen des Unternehmens verbessern und damit der Arbeitsplatzsicherung zu gute kommen.
- Drittens gehört zu den sozialen Aspekten einer beispielgebenden Beschäftigungspolitik auch die Förderung der Entfaltungschancen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unternehmen, zum Beispiel durch flexible Arbeitszeitmodelle, Maßnahmen zur Frauenförderung oder kreative Teilzeitlösungen auch in führenden Positionen. Schließlich sind
- viertens die Unternehmen durch ihr Unternehmensleitbild, überbetriebliche Kooperation, innovative Ausbildungskonzepte, materielle Mitarbeiterbeteiligungen an der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen und Orientierungen im weiteren Sinne beteiligt.
In diesem Jahr erhalten das Arbeitsplatzsiegel "Arbeit Plus" die folgenden Unternehmen:
Aluminium Essen GmbH
Debeka Versicherungsvereine a.G.
Deutsche Kreditbank AG (Berlin)
dvg Hannover Datenverarbeitungsgesellschaft mbH
Hamburgische Landesbank (Girozentrale)
Kreissparkasse Gelnhausen
Sozialholding der Stadt Mönchengladbach GmbH
Sparkasse Bonn
Sparkasse Vogtland
Stahlwerke Thüringen GmbH (Unterwellenborn)
START Zeitarbeit NRW GmbH
NOSTRA Verbund-Werkstatt GmbH
Die Auszeichnung wird in der Feier heute Nachmittag durch die Mitglieder des Vergabegremiums übergeben.
Die Mitwirkung von Vertretern der Arbeitsverwaltung und der Arbeitswissenschaft, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften macht deutlich, dass die evangelische Kirche sich zusätzlich zu ihren eigenen Kompetenzen der Unterstützung der verantwortlichen Akteure der Wirtschaft vergewissert. Ich bin für diese Bereitschaft zur Mitarbeit und das große Engagement dieser Experten außerordentlich dankbar.
Mit dem Arbeitsplatzsiegel unterstreichen wir:
Es gibt Werte, die über dem materiellen Unternehmenserfolg hinaus gehen, und es gibt wertbewusste Unternehmen, die sich dafür hervorragend engagieren. Selbstverständlich werden die Unternehmen auf diese Auszeichnung auch werbend ihre Kunden und motivierend ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinweisen. Das ist ihr berechtigtes und verständliches Interesse, weshalb sie sich auch einem aufwändigen Prüfungsverfahren unterzogen haben. Die externe und interne Kommunikation dieses "Plus" im Unternehmensprofil soll ja durchaus wiederum der Sicherung des Unternehmenserfolges und damit der Sicherung von Arbeitsplätzen zu gute kommen.
Die ausgezeichneten Betriebe verbinden die Bemühung um Unternehmenserfolg mit sozialer Verantwortung und sind damit eindrucksvolle Beispiele für den Erfolg der sozialen Marktwirtschaft. Sie repräsentieren eine Unternehmenskultur, deren Auszeichnung mit dem Siegel "Arbeit Plus 2001" - wie ich hoffe - von der Öffentlichkeit als ein Signal verstanden wird, das dazu beiträgt, dass ihr betriebliches Engagement für eine vorbildliche Beschäftigungspolitik auch andere Unternehmen zu weiteren Bemühungen anspornt.
Berlin/Hannover, 28. November 2001
Pressestelle der EKD
Im Rahmen der Vergabeveranstaltung des Arbeitsplatzsiegels "Arbeit Plus 2001" am 28. November 2001 in Berlin hielt Prof. Dr. Gert G. Wagner, Forschungsdirektor am DIW Berlin und Lehrstuhlinhaber für "Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik" an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), einen Vortrag zum Thema "Die Zukunft der Erwerbsarbeit".