Seelsorgegeheimnis nicht durch Lauschangriffe gefährden
EKD-Ratsvorsitzender spricht vor Deutschem Anwaltsverein
Das Seelsorgegeheimnis dürfe nicht durch Lauschangriffe gefährdet werden. Das erklärte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Donnerstag, 27. November, in Berlin. In einem Impulsreferat beim Deutschen Anwaltsverein sagte Huber, die Kirchen treten aus Gründen des Menschenwürdeschutzes für einen restriktiven Umgang mit den Möglichkeiten verdeckter Informationsbeschaffung durch den Staat ein. Der Schutz des Beicht- und Seelsorgegeheimnisses müsse in verfassungsgemäßer Weise gewährleistet bleiben: „Auch aus Gründen der vorbeugenden Terrorismusabwehr kann es für uns keine Ausnahmen von dieser Regel geben.“
Die Kirchen hätten eine „unmittelbare, aus ihrem seelsorgerlichen Auftrag abgeleitete Pflicht“, sich für den Schutz der Privatsphäre einzusetzen. „Sie haben in dieser Frage in keinem Sinn einen Abwägungsspielraum.“ Zugleich stelle sich die Frage nach der Definition der „Seelsorge“ neu. Der Ratsvorsitzende nannte beispielhaft die Bereiche der Spezialseelsorge in Haftanstalten oder Krankenhäusern, in Beratungsstellen, in der Telefonseelsorge und in der Notfallseelsorge. Diese Beispiele zeigten, „dass die Definition von Seelsorge sich heute nicht mehr auf die Beichte im Beichtstuhl oder das Seelsorgegespräch im Amtszimmer der Pfarrerin oder des Pfarrers beschränken kann.“ Die Formulierung einer weiteren Definition sei notwendig, könne aber nicht vom Staat vorgenommen werden: „Solche Definitionen sind Gegenstand des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts.“ Es liege im kirchlichen Interesse, Seelsorgesituationen möglichst vollständig zu erfassen, „die der Beschränkung durch Lauschangriffe oder durch Begrenzung des Zeugnisverweigerungsrechts ausgesetzt sein könnten.“
In der Evangelischen Kirche in Deutschland sei daher ein entsprechender Gesetzgebungsprozess in Gang gebracht worden. Seelsorge im Sinne des geplanten Kirchengesetzes „ist aus dem christlichen Glauben motivierte und im Bewusstsein der Gegenwart Gottes vollzogene Zuwendung. Sie gilt einzelnen Menschen, die um Rat, Beistand und Trost in Lebens- und Glaubensfragen nachsuchen, unabhängig von deren Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit. Das Seelsorgegeheimnis steht unter dem besonderen Schutz der Kirche. Jede Person, die sich in einem Seelsorgegespräch einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger anvertraut, muss darauf vertrauen können, dass daraus unter keinen Umständen Inhalte einem Dritten bekannt werden. Als Seelsorgerinnen oder Seelsorger werden Personen anerkannt, die dazu eine besondere kirchliche Ausbildung erhalten haben, deren Ausbildung entsprechend bestätigt ist und die über einen ausdrücklichen kirchlichen Auftrag zur Seelsorge verfügen.“
Diese Seelsorge gelte es zu sichern. „Wir wollen von ihr insgesamt Lauschangriffe fernhalten und das Zeugnisverweigerungsrecht für alle Personen sichern, die in dem beschriebenen Sinn am Seelsorgeauftrag der Kirche beteiligt sind.“ Dies sei notwendig, um das Vertrauen in die Seelsorge der Kirche und damit in kirchliches Handeln insgesamt zu wahren. Vertrauen sei „eine unverzichtbare Grundbedingung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung“.
Hannover, 27. November 2008
Pressestelle der EKD
Silke Römhild