EKD sieht Kölner Beschneidungsurteil kritisch
Hans Ulrich Anke: „Religionsfreiheit und elterliches Erziehungsrecht wurde unzureichend berücksichtigt!“
Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hans Ulrich Anke, sieht die gestrige Entscheidung des Landgerichtes Köln zur Beschneidung kritisch. Das Gericht hatte entschieden, dass eine aus religiösen Gründen mit Einwilligung der muslimischen Eltern bei einem vierjährigen Jungen fachlich einwandfrei durchgeführte Beschneidung den Tatbestand der Körperverletzung erfülle und auch nicht gerechtfertigt sei. Das Gericht habe es nach Ansicht von Anke versäumt, die Religionsfreiheit und das elterliche Erziehungs- und Personensorgerecht mit dem Recht der körperlichen Unversehrtheit des einwilligungsunfähigen Kindes in angemessener Weise und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Die Entscheidung bedürfe deshalb der Korrektur, denn es sei auf jeden Fall nötig, dass es in dieser Frage in Deutschland Rechtssicherheit gebe.
Das Landgericht, so Anke weiter, leiste die gebotene Abwägung verschiedener Rechtsgüter nicht in der erforderlichen Weise, denn: „Die Beschneidung hat für Juden und Muslime eine zentrale religiöse Bedeutung. Dieses berücksichtigt das Urteil nicht hinreichend. Zudem verkürzt es das elterliche Personensorgerecht, das sich auch auf die Religionsfreiheit stützte. Das elterliche Recht der Personensorge, gerade auch in religiösen Dingen, ist ein hohes Rechtsgut, denn es trägt auch dem Gedanken des Schutzes der Familie Rechnung und dient gerade dem Wohl des Kindes. Dazu gehört auch, ein Kind in sein Umfeld und in das religiöse Leben seiner Familie hinein zu nehmen“. Die religiöse Erziehung sei deshalb ein wichtiges Elternrecht, so Anke. Dem Kind stehe später offen, sich aus diesem Umfeld und von der religiösen Ausrichtung zu lösen. Eine fachlich einwandfrei durchgeführte Beschneidung hindere es daran nicht. Und eine solche Beschneidung führe, auch wenn sie einen bleibenden körperlichen Eingriff darstelle, nicht zu einem körperlichen Schaden. Sie werde weltweit vielfach auch aus nichtreligiösen Gründen vorgenommen. Schließlich sei ein großer Teil der männlichen Weltbevölkerung beschnitten. Sicherlich, so der Präsident weiter, sei die Beschneidung abzugrenzen von der Genitalverstümmelung. Umso wichtiger aber sei die fachgerechte Durchführung. Anke abschließend: „Wenn Ärzte, die eine Beschneidung vornehmen sollen, kriminalisiert werden, besteht die Gefahr, dass viele Beschneidungen im Verborgenen, ohne ärztliche Mitwirkung und mit großen Risiken für das Kindeswohl vorgenommen werden.“
Hannover, 27. Juni 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick