Ethik des Mitgefühls statt abstrakter Moral
Heinrich Bedford-Strohm zum Papst-Schreiben „Amoris Laetitia“
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, begrüßt die grundlegenden Impulse des gestern in Rom veröffentlichten Schreibens von Papst Franziskus über die Liebe in der Familie.
Heinrich Bedford-Strohm: „Papst Franziskus unterstreicht erneut, dass barmherzige Liebe nicht abstrakten moralischen Normen geopfert werden darf.“ Indem sich Papst Franziskus für eine Ethik des Mitgefühls stark mache und selbstkritisch vor kalter Schreibtisch-Moral warne, weise die Schrift weit über das eigene Themenfeld hinaus und könne in dieser Perspektive auch von evangelischen Christinnen und Christen bejaht werden. Es gebe zwar nirgends eine neue Positionierung in den klassischen Fragen zur Ehescheidung, konfessionsverbindenden Ehen, Homosexualität, Empfängnisverhütung oder Sexualität vor der Ehe, wohl aber die Mahnung, den „Geist der Unterscheidung“ einzuüben, der kontextsensibel die konkrete Situation ernst nimmt.
Beeindruckt zeigt sich Bedford-Strohm vom Diskussionsprozess, der dem Schreiben in den Jahren 2014 und 2015 vorausgegangen war: „Die breite und mutige Debatte innerhalb der römisch-katholischen Schwesterkirche haben wir in tiefer ökumenischer Verbundenheit erlebt. Auch wenn wir als evangelische Christen in manchen ethischen Fragen anders urteilen, können wir den Grundton der Güte und Einfühlsamkeit gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen dankbar mittragen.“
Papst Franziskus entfalte in geistlich tiefer Weise die Würde, Wahrheit und Schönheit des römisch-katholischen Ehesakraments in seiner Bedeutung für die Familie, die Kinder, die Kirche und die Welt. Unter Absehung der sakramentalen Aussagen, so Bedford-Strohm, könnten auch evangelische Christen vieles würdigen, weil die Dimensionen von Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Verantwortung, die nach evangelischer Auffassung Ehe und Familie prägten, im Schreiben von Papst Franziskus auf ihre Weise entfaltet würden.
Hannover, 9. April 2016
Pressestelle der EKD
Kerstin Kipp