Predigt anlässlich des Abschlussgottesdienstes der EKD-Synode in der Stadtkirche Düsseldorf-Kaiserswerth
Landesbischof i.R. Dr. Johannes Friedrich
Predigttext: Gen 28,15 und Apg 1,8
Ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. Gen 28,15
Christus spricht: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein. Apostelgeschichte 1,8
Liebe Schwestern und Brüder!
Was kann es für eine Synode für einen schöneren Lehrtext in den Herrnhuter-Losungen geben als den heutigen aus Apg 1,8:
Christus spricht: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und (Ihr) werdet meine Zeugen sein.
Das ist doch wunderbar, dass wir solch eine Zusage erhalten: wir werden die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, denn ich denke, wir dürfen diese Zusage, die damals Jesus nach dem Bericht des Lukas seinen Aposteln gegeben hatte, auch auf uns beziehen.
Ohne die Kraft des Heiligen Geistes ist ja all unser Reden, Debattieren, Streiten und Versöhnen nichts anderes als wir das aus vielen säkularen Parlamenten und Diskussionsrunden kennen. Aber der Heilige Geist ist uns verheißen!
Er will zu uns kommen in Wort und Sakrament. Und unser Handeln in der Kirche will immer am Wort Gottes ausgerichtet sein, das hat uns der Ratsvorsitzende ja wunderbar dargelegt.
Es soll deshalb die Grundlage all unseres kirchlichen Handelns und Tuns, ja unserer ganzen Kirche sein: Dass wir um den Heiligen Geist bitten und ihm vertrauen dürfen.
Wenn wir das tun, dann wird unser Leben als Kirche und in der Kirche anders als wenn wir nicht auf ihn bauen.
Und dieses Wort Jesu geht ja noch weiter: er sagt seinen Jüngern – und wieder sind auch wir gemeint -: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“ Das ist die Verheißung für all unser Leben, aber gerade auch für unser Reden und Beschließen in der Synode: dass wir Zeugen des Wortes Gottes sein wollen und dürfen, dass wir damit Menschen erreichen können, denen wir die Liebe Gottes nahebringen wollen.
Aber: Ist das nun wirklich immer der Fall? Tun wir das wirklich?
Liebe Gemeinde,
fast 20 Jahre gehörte ich einer Synode oder anderen kirchenleitenden Gremien an.
Wir haben da ganz viel beschlossen: Impulspapiere, Argumentationshilfen, Kundgebungen, Denkschriften, Orientierungshilfen… Aber sind wir dadurch immer zu Zeugen des Wortes Gottes geworden? Und andersherum gefragt: war da wohl immer der Geist Gottes bei uns?
Liebe Synodale, diese Frage ist sinnlos. Nicht wir können sie beantworten.
Und wir können es auch nicht erzwingen, dass der Geist Gottes bei uns ist. Aber wir können, ja wir müssen um ihn bitten. Und wir wissen: der Geist weht, wo er will.
Ich habe das selbst als Prediger erfahren. Ich habe einmal eine Predigt gehalten, von der ich danach überhaupt nicht überzeugt war: Ich hatte das Gefühl, dass ich meine Zuhörer nicht wirklich erreicht hatte.
Beim Verabschieden an der Kirchentüre meinte ein jüngeres Paar, sie müssten mir noch etwas zu meiner Predigt sagen. Ich bat sie in die Sakristei und fing gleich an, mich zu verteidigen: „Ich weiß, das war heute eine schlechte Predigt, tut mir leid…“
Aber sie unterbrachen mich: „Nein, das fanden wir gar nicht, im Gegenteil. Wir hatten eigentlich vor, uns umzubringen, vorher aber noch gemeinsam einen Gottesdienst zu besuchen, aber nach dem heutigen Gottesdienst und Ihrer Predigt haben wir beschlossen, das doch nicht zu tun.“
Liebe Gemeinde, ich weiß nicht aufgrund welcher Aussagen in meiner Predigt das Paar zu seiner Sinnesänderung kam. Objektiv gesehen war es, glaube ich weiterhin, eine schlechte Predigt. Aber der Heilige Geist hat gewirkt, in einer Weise, die ich nicht kenne.
Das ist keinerlei Aufforderung, schlechte Predigten zu halten. Im Gegenteil. Denn der Heilige Geist mag bestimmt keine Schlamperei und auch keine Faulheit. Aber es ist ein ungeheurer Trost: der Heilige Geist weht, wo er will, und wir sollten alles tun, um ihn nicht daran zu hindern. Zwingen können wir ihn nicht. Wir dürfen fest mit ihm rechnen. Aber: wir können eben nicht den heiligen Geist herbeizwingen. Deshalb ist es problematisch, wenn wir den Heiligen Geist zu unserer Verfügungsmasse machen wollen. Wir können ihn uns nur schenken lassen.
Und wir können ihn er-bitten und er-beten. Wir können Grundlagen dafür schaffen, dass der Heilige Geist zu uns kommen kann und wir können uns für ihn öffnen. Das gelingt mir, das gelingt uns aber nicht immer.
Ob der Heilige Geist in den letzten Tagen immer bei uns war? Ich wage es nicht, das zu beurteilen. Dies war ja keine ganz normale Synode. Es war eine besondere mit verschiedenen Wahlakten und dabei sicher auch mit Verletzungen bei einzelnen Personen. Das ist bei einer demokratischen Wahl nichts Außergewöhnliches. Was die Wahlen bei einer Synode und in der Kirche von anderen Wahlen unterscheiden sollte, ist die Hoffnung, dass der Heilige Geist uns deutlich macht, dass jedes Wahlergebnis zwar ein demokratisch zu akzeptierendes Ergebnis ist, bei dem es eben auch Verlierer gibt. Aber jedes Wahlergebnis, auch Niederlagen, sind kein Urteil über unsere Person, über die zu urteilen allein Gott zusteht.
Wir haben gestern früh eine Bibelarbeit zur Josefsgeschichte gehört. Ein Wort aus dieser Geschichte ist mir ganz besonders wichtig. Man darf es nicht als billigen Trost verwenden, aber ich kann es aus meiner Lebenserfahrung als richtig bestätigen: Was immer uns passieren mag, „Gott gedachte es gut zu machen:“ (Gen 50,20), so heißt es da. Das hat Josef von sich und seinem Schicksal sagen können. Und das hoffe ich, kann auch jeder und jede von uns einmal sagen, wenn etwas in unserem Leben nicht so gelaufen ist, wie wir es uns gewünscht und vorgestellt haben.
Und so können wir alle nur hoffen, dass wir immer dann, wenn etwas nicht so lief, wie wir es uns gewünscht haben, Gottes Geist dann doch Gutes dar aus hervorgehen lässt. Ich habe in meinem Leben jedenfalls mehrfach diese Erfahrung machen dürfen.
So bleibt es für uns eine ständige Aufgabe: dem Heiligen Geist nicht im Weg zu stehen. Wenn wir Räume schaffen, in denen der Heilige Geist wirken kann, dann – so bin ich gewiss - können wir ihn auch erfahren.
Dazu bedarf es aber auch einer inneren Öffnung und einer Bereitschaft, die hellhörig macht für das, was der Geist uns zu sagen hat.
„Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade…. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Kreaturen; das wirkt der Heilige Geist im Glauben“ - so hat es Martin Luther ausgedrückt.
Und in seinem Kleinen Katechismus ergänzt Luther zum Thema Glauben:
„Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“
Liebe Gemeinde, darauf können auch wir vertrauen. Der Heilige Geist beruft auch uns durch das Evangelium und will uns mit seinen Gaben erleuchten und im rechten Glauben erhalten. Immer wieder verlieren wir das aus dem Blick. Wir richten unsere Augen eher auf uns und unser engstes Umfeld statt nach oben aus. Und so stehen wir immer wieder in der Gefahr den Blick für das Wesentliche zu verlieren, im Eigenen zu verhaften, in Lethargie zu fallen und schließlich abzustumpfen. Doch wir dürfen darum bitten, dass wir Gottes Geist bekommen, und dass uns dieser Geist aufweckt, erneuert, tröstet und erhält.
Ja, manchmal hatte ich – auch bei meinem Wirken als Bischof, aber durchaus auch auf Synoden - schon den Eindruck: Der Heilige Geist ist irgendwie abhanden gekommen. Aber dann muss ich an meine Predigterfahrung denken, die ich vorhin erzählt habe und tröste mich damit, dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreiben kann.
Er hat uns verheißen, dass wir seinen Geist empfangen werden und darauf sollten wir uns verlassen. Denn er will uns nicht verlassen, wie es in der Losung heißt:
Ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
Ich denke, liebe Gemeinde, diese Zusage Gottes an Jakob in Bethel, die uns Frau Böhme heute morgen nahegebracht hat, gilt auch für uns und gilt auch für unsere Synode. Sie gilt auch für alles, was wir hier mit der Bitte um den Heiligen Geist beschließen, auch zu unserem Tagungsthema.
„Es ist genug für alle da!“ – das stimmte ganz sicher in Bezug auf die Verpflegung auf unserer Synode, für die ich sehr dankbar war. Dennoch stand sie in einem beunruhigenden Missverhältnis zu dem Thema, mit dem wir uns befasst haben.
Und es ist gut, dass wir uns damit befasst haben, es ist notwendig und es wird uns hoffentlich gelingen, dieses Thema in all unsere kirchlichen Orte und Gremien zu bringen, aber vor allem zu unseren Mitchristinnen und Mitchristen. Damit wir alle wissen: Hunger, ungerechte Wirtschaftsstrukturen, Ressourcenverbrauch – all das sind Themen, die jeden und jede von uns angehen.
Und wir können nur den Heiligen Geist bitten, dass er bei all unserem Reden dabei ist, damit wir nicht besserwisserisch reden, sondern so, dass die Menschen dies spüren: Gottes Liebe geht so weit, dass für alle genug da ist. Es ist genug für alle da, aber nur dann, wenn wir daran arbeiten, dass auch wirklich alle das bekommen, was sie zum Leben brauchen.
Frau Skupch und Bischof Dröge sagten gestern Morgen in der Bibelarbeit sinngemäß:
Weil Versöhnung durch Jesus Christus mitten in unsere Welt gekommen ist, ermöglicht das uns, das Reich Gottes jetzt schon, wenn auch nicht vollkommen, zu erleben. Und so dürfen wir feste Schritte tun, uns nicht mit den jetzigen Gegebenheiten abfinden, sondern unsere Stimmen erheben für die, die keine Stimme haben.
Diese festen Schritte zu tun, dazu ist die Kundgebung, die Sie morgen beschließen werden, der erste Schritt.
Wir werden morgen Mittag wieder zurückfahren an den Ort wo wir leben, wo wir arbeiten. Wir dürfen dies tun in dem beruhigenden Wissen der Zusage Gottes:
Ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
Wir dürfen dies aber auch tun, weil wir wissen, was Jesus uns verheißen hat, der gesagt hat:
Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein.
Mit diesem Heiligen Geist im Rücken oder auf dem Kopf oder im Herzen
können wir uns getrost daran machen, das Zeugnis von Gottes großer Liebe zu uns Menschen weiterzugeben, in Wort und in Tat, durch unser Verhalten und durch unser Engagement, als Synodaler oder Synodale, als Ratsmitglied oder als Präses: damit die Menschen merken: es ist genug für alle da, genug an Gottes Liebe und darum auch genüg um zu überleben, vor und nach dem Tod.
Und deshalb dürfen wir jetzt mit unserem Losungsbuch für heute singen:
O treuer Hüter, Brunnen aller Güter, ach lass doch ferner über unser Leben / bei Tag und Nacht dein Huld und Güte schweben. Lobet den Herren!
Amen.